Wirtschaftspolitik auf dem Prüfstand

Zwischen Kontrolle und Kumpanei bei Volkswagen

Blick auf das Verwaltungshochhaus des VW-Werks in Hannover
VW-Werk in Hannover © dpa
Von Roland Tichy · 11.08.2017
Wie geht es weiter nach dem VW-Skandal? Einige fordern jetzt höhere staatliche Kontrollen und Einmischungen. Ein Irrweg, meint Kommentator Roland Tichy: Nur der freie Wettbewerb führt in die Zukunft. Niedersachsen sollte seine VW-Anteile verkaufen.
Nun haben wir doch einen Skandal zur Bundestagswahl, und der stinkt buchstäblich nach Diesel. Haben die Konzerne gegen Gesetze verstoßen, bauen sie die falschen Autos und riskieren so die Zukunft des Industriestandorts?
Kurz: Brauchen wir mehr Kontrolle in der Wirtschaft?

Grüne fordern Zukunftskommision

Am weitesten gehen die Grünen. Ihr Vorsitzender Cem Özdemir, fordert eine "Zukunftskommission" im Kanzleramt. Dort sollen Arbeitgeber, Gewerkschaften, Wissenschaft und Verbraucherverbände das Auto von morgen konzipieren. Alle an einen runden Tisch - das klingt gut. Die Zukunft wird ausdiskutiert und danach in die Hände gespuckt.
Fordert eine Zukunftskommission: Cem Özdemir von Bündnis 90/Die Grünen.
Fordert eine Zukunftskommission: Cem Özdemir von Bündnis 90/Die Grünen.© picture alliance/dpa - Paul Zinken
Aber ist es wirklich so? Leider ist Zukunft ungewiss. Sie interessiert nicht, was Kommissionen so planen.

Wettbewerb ist das beste Rezept für die Zukunft

Das bislang beste Rezept zur Bewältigung von Zukunft ist Wettbewerb. Versuch und Irrtum zeigen den besten Weg. Dabei werden manche bitter bestraft. Andere belohnt. Wer alles auf eine Karte setzt, verliert mit zu hoher Wahrscheinlichkeit alles.
Auch die vermeintliche Sicherheit, mit der derzeit viele auf das Elektro-Auto setzen, ist trügerisch: Seine Überlegenheit ist so wenig gesichert wie seine Umweltverträglichkeit. Selbst 3000 € Prämie haben in Deutschland kaum private Käufer überzeugt.
Und die herbeigeschwindelten Absatzzahlen der E-Autos stürzen ins Bodenlose, sobald ihnen der künstliche Lebensstrom staatlicher Subvention gestrichen wird. Und dann sind da die Kunden: Nicht die Konzerne bauen die falschen Autos, sondern die Kunden kaufen die falschen Autos.

VW steht für eine vergangene Zeit

Den Wettbewerb auszuschalten, die Konsumenten zu bevormunden und die Zukunft in die Hände einer staatlichen Plankommission zu legen - das sind die Rezepte des vorigen Jahrtausends. Dafür steht übrigens VW. VW ist eine staatliche Gründung, nachdem die damaligen deutschen Autokonzerne die Idee des Führers für eine Schnapsidee hielten, eine Volksauto für unter 1000 Reichsmark herzustellen.
Erst in der sozialen Marktwirschaft wurde der VW-Käfer zum Erfolg.
Erst in der sozialen Marktwirschaft wurde der VW-Käfer zum Erfolg.© imago/Rüdiger Wölk
Der Käfer rollte aber nicht zu den Konsumenten - trotz Vorauskasse -, sondern als Kübelwagen an die Front. VW wurde zum Erfolg erst nach dem Krieg - in der sozialen Marktwirtschaft. Seither gehört VW zu 20 Prozent dem Land Niedersachsen. Auch die Gewerkschaften spielen eine tragende Rolle. Seither ist VW ein Unternehmen nach eigenen Gesetzen, zu oft haarscharf am Markt vorbei. Immer ging in Wolfsburg Größe vor Ertrag. Das schafft Arbeitsplätze im Land, und das gefällt Landesregierung wie Gewerkschaften. Arbeitsplätze erschienen wichtiger als Technologie. Das führte in die erste Existenzkrise: Zu lange wurde am Käfer festgehalten, statt in moderne Modelle zu investieren.

Was nicht passt, wird zurecht geschwindelt

Auch heute hinkt VW in der Abgastechnik dem Wettbewerb hinterher - hinein in die heutige Krise: Was nicht passte, wurde zurecht geschwindelt. Das Management fühlt sich sicher - es manipuliert schließlich unter dem Schutzschirm der Politik. Was kann da schon schief gehen, wenn der Ministerpräsident Schirmherr ist!
Wolfsburg, der Ort des Skandals - hier das Hauptwerk der Volkswagen AG
Wolfsburg, der Ort des Skandals - hier das Hauptwerk der Volkswagen AG© AFP/ Odd Andersen
Das ist der Grund, warum VW im Mittelpunkt des Dieselskandals stehen, und nicht BMW: Eine Eigentümerfamilie hält sich keinen Ministerpräsidenten in Lohn und Brot. VW zeigt, was passiert, wenn am runden Tisch die Interessen von Unternehmen, Eigentümern und Gewerkschaften vermischt und so Verantwortung verwischt wird.

Niedersachsen sollte seine VW-Anteile verkaufen

Anders herum geht es: Schon 1961 verkaufte Ludwig Erhard den Anteil des Bundes an VW - der Staat soll Gesetze und Rahmenbedingungen festlegen, aber nicht sich als Unternehmer versuchen. Daher sollte auch das Land Niedersachsen VW endlich aus der Abhängigkeit von der Politik befreien und seinen Anteil verkaufen.
Nur so entsteht Transparenz und wird Verantwortlichkeit wieder hergestellt. Einen Trabbi in grün – mit oder ohne Elektromotor-, den braucht und will keiner.

Roland Tichy war von 2007 bis 2014 Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Er studierte in München und New Orleans Volkswirtschaft, Politik und Kommunikationswissenschaften. Er arbeitete für namhafte deutsche Wirtschaftsmagazine und als Medienberater für große Unternehmen. Für das Handelsblatt leitete er das Berliner Büro.

Roland Tichy
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