Wirtschaftliche Verbindung

    Von Jochen R. Klicker · 21.03.2007
    Der Plan, die "Vereinigten Staaten von Europa" zu gründen, kommt 1948 nicht recht voran. Stattdessen koordinieren Frankreich und Deutschland ihre Stahl- und Kohleproduktion im Rahmen der Montanunion. Frankreich versprach sich vor allem einen Blick auf die deutsche Stahl- und damit auf die deutsche Rüstungsindustrie - aus Sorge vor einer erneuten Aufrüstung der Nachbarn.
    Frühjahr 1948. Europa liegt noch in Trümmern. Nach den Erfahrungen zweier Weltkriege wächst die Überzeugung, dass sich die europäischen Nationalstaaten zusammenschließen müssen. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man an die Millionen Kriegstoten denkt: Ist, anders als nach dem Ersten Weltkrieg, der gegenseitige Hass überwindbar? Praktische Schritte sind das Gebot der Stunde, und so wird im April 1948 die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) gegründet.

    Entscheidend für die weitere Entwicklung ist die Haltung Frankreichs: Wird Frankreich zur Versöhnung mit seinem Erzfeind hinter dem Rhein bereit sein? Zwei führende französische Politiker sind Anhänger der Idee eines Vereinten Europa: der deutschstämmige Außenminister Robert Schuman und der Wirtschaftspolitiker Jean Monnet.

    Beiden wird schnell bewusst, dass die OEEC und auch der 1949 gegründete Europarat die europäische Integration kaum voranbringen. Für sie ist der Schlüssel zur Integration eine enge internationale Zusammenarbeit in der Kohle- und Stahlindustrie. Im Mai 1950 verkündet Robert Schuman der - völlig überraschten - Presse seinen kühnen Plan:

    "Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Produktion von Kohle und Stahl einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen, in einer für die Beteiligung anderer europäischer Länder offenen Organisation. Dieser Vorschlag wird die ersten konkreten Grundlagen einer europäischen Föderation verwirklichen, die zur Erhaltung des Friedens unerlässlich ist."

    Noch am selben Tag signalisiert Bundeskanzler Adenauer seine Zustimmung:

    "Dieser Beschluss enthält nicht allgemeine Redensarten, sondern er enthält ganz konkrete und ganz präzise Vorschläge über eine Zusammenfassung der Produktion von Kohle, Eisen und Stahl in Frankreich und Deutschland, unter ausdrücklicher Hervorhebung, dass alle anderen Staaten diesem Abkommen beitreten können."

    Adenauer erkennt die politische Bedeutung des Schumanplans für die deutsch-französische Aussöhnung als Schlüssel einer europäischen Integration. Über Schuman sagt er später:

    "Glauben Sie nicht, meine Damen und Herren, dass er die Montanunion vorgeschlagen hat aus wirtschaftlichen Gründen. Das war eine eminent politische Angelegenheit. Er sagte mir damals: Bei uns in Frankreich besteht Sorge, was Deutschland tun wird, wenn es sich nun eines Tages wieder erholt hat. Und er sagte weiter: Vorbereitungen zu einem Krieg machen sich immer zuerst bemerkbar auf dem Gebiet der Stahlproduktion und dazu ist die Kohle nötig."

    Enge internationale Verflechtung der Schlüsselindustrien: Der so genannte Schuman-Plan ist sensationell und in seiner wirtschaftlichen Konsequenz eigentlich nur noch mit dem US-amerikanischen Marshall-Plan zu vergleichen. Es ist der erste große Schritt, um den Traum eines vereinten Europa zu verwirklichen. Welche Kraft die europäische Idee damals hatte, das zeigt die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der der Plan umgesetzt wurde.

    Am 18. April 1951, nicht einmal ein Jahr nach der Verkündung des Schuman-Plans, unterzeichnen die Benelux-Staaten, Frankreich, Italien und die Bundesrepublik den Vertrag "über die Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl". Es ist die erste und wichtigste europäische Gemeinschaft, in der die nationalstaatliche Engstirnigkeit überwunden wird. Im Rückblick war selbst Robert Schuman erstaunt, wie schnell sie alle Hürden übersprungen hatten:

    "Diese Montanunion ist eine Rekordleistung geworden in einer Rekordzeit, in zwei Jahren und drei Monaten wurde dieser Vertrag ausgearbeitet durch sechs Delegationen, unterschrieben durch sechs Regierungen, ratifiziert durch elf parlamentarische Versammlungen, in zwei Jahren und drei Monaten."