Wirtschaft in Krisengebieten

Start-ups gründen, wo andere Krieg führen

Eine Schülerin arbeitet an ihrem Laptop, auf der die Afrika-Karte zu sehen ist.
Mal schnell ein Unternehmen gründen? In vielen Ländern der Welt ist das nicht einfach. © picture-alliance / dpa / Marc Tirl
Von Jenny Genzmer · 16.07.2015
Wer ein Start-up ins Leben ruft, erhält in europäischen Großstädten wie Berlin viel Unterstützung. Said Hassan hilft Gründern in einer Region, in der das deutlich schwerer ist: im Gazastreifen. Dort fehlen selbst fundamentale Dinge wie Strom.
Dad's Car ist eine Mobile-App. Said Hassan lenkt einen grauen Sportwagen über eine gerade, asphaltierte Straße, umfährt Hindernisse, nimmt Sprungrampen, sammelt Münzen ein. Said Hassan kommt aus Gaza. Er arbeitet für Gaza Sky Geeks – ein Unternehmen , das junge Startups bei ihrer Existenzgründung fördert.
"Das Hauptproblem in Gaza ist die politische Situation. Wir haben zum Beispiel noch nicht mal ein G3-Netz, wir arbeiten mit der zweiten Generation, das liegt an den politischen Problemen mit Israel. Das zweite ist Elektrizität. Unsere Start-ups können nicht den ganzen Tag über arbeiten, weil sie nur an sechs von 24 Stunden Strom haben. An guten Tagen sind es acht."
Probleme mit der technischen Infrastruktur
Dass es Probleme mit der technischen Infrastruktur gibt, dass die Arbeitslosigkeit in Gaza bei über 30 Prozent liegt, dass die Menschen in einem ständigen Kriegsgebiet leben – all das erzählt Hassan, wenn man ihn danach fragt. Viele hätten sich an diesen Zustand gewöhnt.
"Für die Menschen außerhalb von Gaza mag das seltsam klingen, aber hier haben sich viele für das Leben im Gazastreifen entschieden. Ich habe mein Haus im letzten Krieg verloren. Es wurde zerstört. Aber wir haben weitergearbeitet, haben uns während der Waffenruhen getroffen, auch mit anderen Start-ups und Unternehmern. Wir haben nicht aufgehört, zu arbeiten."
Unternehmen wie Gaza Sky Geeks nennen sich Accelerator. Sie unterstützen Gründerprojekte dabei, selbstständig zu werden. In Gaza ist es das erste seiner Art und hauptsächlich damit beschäftigt, Infrastrukturen zu schaffen - Büros mit Stromanbindung und WLAN. Aber auch junge Menschen in Informationstechnik zu schulen und untereinander und mit Investoren aus dem Ausland zu vernetzen.
Anirudh Narla klickt über ein paar Fotos auf seinem Laptop. Sie zeigen internationale Trainer und Studenten aus Ghana, motiviert posieren sie vor der Kamera. Narla hat in Ghana für die Meltwater Entrepreneurial School of Technology gearbeitet. Bei einem einjährigen Ausbildungsprogramm werden dort Hochschulabsolventen in Unternehmensgründung geschult.
"Um ein Unternehmen zu gründen, brauchst du dafür ein geeignetes Umfeld. Ein System, das dich unterstützt. In Berlin gibt es so viel davon. Es gibt Veranstaltungen und eine Menge Konferenzen. Dort kannst du hingehen, deine Ideen vorstellen und dich beraten lassen. In Ghana gibt es dieses Umfeld nicht."
In Ghana etablieren sich Start-ups nur schwer
Ghana gehört zu den wirtschaftlich am weitesten entwickelten Ländern südlich der Sahara. Trotzdem etablieren sich technische Innovationen nur schwer: Der Zugang zu Strom ist begrenzt, Internetanschlüsse teuer. Ein Großteil der mobilen Kommunikation funktioniert über SMS. Technische Lösungen gibt es, sagt Narla - was noch fehle, sei das Bewusstsein dafür, eigene Lösungen zu finden und die Akzeptanz großer Unternehmen und staatlicher Einrichtungen, sie anzuwenden.
"Unternehmer erleben das täglich. Du gehst in eine Bank und wartest zwei Stunden. Dann fragst du dich, warum tue ich das eigentlich? Oder wenn du deine Stromrechnung bezahlen gehst. Weshalb muss ich dafür zwei oder drei Stunden meines Tages blockieren? Dabei könnte das doch alles automatisiert werden, alles wäre einfacher. Es gibt hier sehr smarte Leute, die haben die Probleme erkannt, haben Erfahrungen mit Technik und wissen, dass diese Probleme gelöst werden können."
Mittlerweile arbeitet Anirudh Narla noch mit einem anderen Arbeitgeber zusammen. Das in Deutschland gegründete Non-Profit Unternehmen Ampion will in Afrika ebenfalls eine Schule für Start-ups aufbauen. Erfahrungen hat es in der Region schon gesammelt: Seit zwei Jahren schickt Gründer Fabian-Carlos Guhl Busse mit internationalen Programmierern an Bord durch Afrika. Auf der Fahrt sollen Gründungsideen entstehen - und am Ende Investoren vorgestellt werden. Auch die bringt Ampion gleich mit. Der Zukunftsmarkt "Afrika" ist längst kein Geheimtipp mehr. Gaza - steht noch ein langer Weg bevor.
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