Wirklich nur ein Einzelfall?

Von Lukas Wallraff, taz · 27.04.2013
Die größten Verteidiger von Uli Hoeneß werden in den nächsten Wochen seine Konkurrenten aus dem Fußballbusiness sein - die auch nicht wollen, dass man bei ihnen genauer hinschaut. In diesen Kreisen hat kaum jemand Interesse an einer echten Durchleuchtung ihrer Geschäfte, meint Lukas Wallraff.
Es hat wohl selten einen Skandal gegeben, der so viele überrascht hat. Uli Hoeneß ein Steuerbetrüger? Ausgerechnet diese ehrliche Haut, dieser soziale Vereinsvater? Nein, das habe man sich niemals träumen lassen, sagen jetzt alle, die den Bayern-Präsidenten kennen. Seine Kollegen in der Fußballszene, seine Bekannten in der Politik bis hinauf zur Kanzlerin und seine Freunde in den Medien. Selbst der frühere Bundesligakonkurrent Christoph Daum, der größte Hoeneß-Feind zwischen Nord- und Südpol, gab zu Protokoll, er sei völlig überrascht gewesen. Illegale Machenschaften, nein, das will auch Daum dem Bayern-Chef dann doch nicht zugetraut haben.

Aber muss man sich wirklich so sehr wundern? Hoeneß war einer der mächtigsten Fußballmanager, einer, der täglich mit hohen Millionenbeträgen jonglierte, mit windigen Spielerberatern über aberwitzig hohe Gehälter und Ablösesummen verhandelte. Einer, dessen gesamte berufliche Tätigkeit der Profitmaximierung diente, der pokerte und die Konkurrenz kleinmachte. Muss man sich wirklich wundern, dass bei ihm nicht alles mit rechten Dingen zuging? Dass er bei seinen unzähligen Geschäften in der Grauzone der Spieler-Handgelder und Beraterprämien den Überblick verloren hat, das Gefühl für die Gefahr und das Verantwortungsgefühl? Dass er süchtig nach immer noch mehr Macht und Geld wurde.

Nein. Das geht nämlich vielen so im Fußballbusiness. Und gerade deshalb behaupten sie jetzt, dass sie sich das alles niemals hätten vorstellen können. Damit sagen sie vor allem: Der Fall Hoeneß ist ein Ausnahmefall. Der Rest der Fußballwelt ist sauber, lasst uns wieder über etwas anderes reden. Über das Champions-League-Finale oder die Bundesliga. Und diese Strategie dürfte aufgehen.

Die Deutschen wollen sich den Fußball nicht vermiesen lassen
Echtes Interesse an einer echten Durchleuchtung der Fußballfinanzgeschäfte hat kaum jemand. Wie nach den diversen Wettskandalen wird das Interesse bald erlahmen. Die großen Fernsehsender und Zeitungen wollen selbst weiter gut mit dem Fußball Geld verdienen. Die Politiker bis hinauf zur Kanzlerin wollen die Fußballer weiter mit bejubeln - und vor allem: Die Deutschen wollen sich ihre Freude an ihrem liebsten Freizeitvergnügen nicht vermiesen lassen.

Es spricht also viel dafür, dass der Fall Hoeneß bald wieder aus den Schlagzeilen verschwindet. Jedenfalls, wenn es ihm gelingt, eine Gefängnisstrafe zu verhindern. Und dann wird der Tenor sein, der jetzt schon durchschimmert: Nun lasst mal wieder gut sein. Und Hoeneß` größte Verteidiger werden seine Konkurrenten sein. Die auch nicht wollen, dass man bei ihnen genau hinschaut. Die darauf setzen, dass die Zuschauer gar nicht wissen wollen, woher die Millionen für die Spieler kommen, die am Samstag Tore schießen. Von russischen Gasproduzenten, französischen Atomfirmen oder deutschen Hühnermästern - selbst die ekligsten Praktiken der Geldgeber kümmern nur eine kleine Minderheit der Fans.

Hat der Fall Hoeneß also auch keine Folgen für den Wahlkampf? In Bayern vielleicht schon - aber nur, wenn bekannt werden sollte, dass die CSU die Steuerflucht des Bayern-Präsidenten geduldet oder unterstützt hat. Sollte dies dem gewieften Machtmenschen Horst Seehofer persönlich nachgewiesen werden, der bisher jede Falle rechtzeitig erkannt hat - ja, dann hätte die CSU ein Problem. Ein großes. Aber das wäre eine echte Überraschung.

In Berlin ist sich die SPD bisher noch nicht einmal darüber einig, ob sie die Möglichkeit der Selbstanzeige für Steuerbetrüger nun abschaffen möchte oder nicht. Die allergrößte Überraschung im Fall Hoeneß wäre es daher, wenn die SPD die Steilvorlage des CSU-nahen Steuersünders Hoeneß doch noch erfolgreich verwerten könnte.
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