"Wir sind für das Wahljahr gut aufgestellt"

Hubertus Heil im Gespräch mit Leonie March · 19.01.2009
Trotz der herben Niederlage in Hessen glaubt SPD-Generalsekretär Hubertus Heil weiterhin an die Chancen seiner Partei in der anstehenden Bundestagswahl. "Die Bundestagswahl wird nicht in Wiesbaden entschieden", betonte der SPD-Politiker.
Leonie March: Es wird eine Niederlage, das war der hessischen SPD schon vor der Wahl klar. Der Zickzackkurs Andreas Ypsilantis, ihre erfolglosen Versuche, eine Mehrheit zu bilden, all das hat Vertrauen gekostet. Das konnte auch der neue Spitzenkandidat, Thorsten Schäfer-Gümbel, in der kurzen Zeit nicht wiedergewinnen. Und so haben gestern bei den Landtagswahlen nur 23,7 Prozent für die Sozialdemokraten gestimmt, 13 Prozentpunkte weniger als noch vor einem Jahr. Dass er diese Niederlage gar nicht schönreden möchte, hat SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bereits am Wahlabend gesagt. Guten Morgen, Herr Heil!

Hubertus Heil: Guten Morgen, ich grüße Sie!

March: Sie haben gestern auch gesagt, dass von Hessen keine Signalwirkung ausgeht für die Bundestagswahl. Die Wahl in Hessen hatte also Ihrer Meinung nach tatsächlich keinen Einfluss auf das Ergebnis?

Heil: Nein, weil es tatsächlich in Hessen Ursachen gab. Es ist ein schlechtes Ergebnis, das muss man offen sagen. Ich halte überhaupt nichts davon, wenn man eine Niederlage eingefahren hat, das irgendwie schönzureden. Angesichts der Vorläufe, Sie haben das erwähnt, in Hessen war das auch leider absehbar. Ich finde trotzdem, dass Thorsten Schäfer-Gümbel respektabel gekämpft hat, dass er auch für einen Neuanfang steht für die hessische SPD und dass wir uns in diesem Bundesland neu aufstellen werden und müssen.

March: Müssen Sie denn trotzdem auch bundesweit Konsequenzen aus dem hessischen Ergebnis ziehen?

Heil: Nein, ich denke, das ist nicht der Fall. Wie gesagt, die Ursachen liegen in Hessen. Wir sind für das Wahljahr, für die Wahlen, die vor uns liegen, gut aufgestellt, vor allen Dingen für die Bundestagswahl am 27. September. Und ich bin der festen Überzeugung, die ist offen. Diese Wahl ist noch nicht entschieden. Da wird es eine andere Wahlbeteiligung geben, da gab es nicht diese Vorläufe. Und wir haben den Ehrgeiz und den festen Willen, für die Sozialdemokratie zu kämpfen und am Ende auch erfolgreich zu sein mit Frank-Walter Steinmeier.

March: Also trotz der herben Niederlage gibt es ein Weiter-So?

Heil: Das Weiter-So gibt es nie, gerade in solchen Zeiten, aber wir haben uns jetzt darauf zu konzentrieren, dass wir in dieser Bundesregierung Verantwortung tragen, in der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise das tun, was notwendig ist, um Arbeitsplätze zu sichern. Bundestagswahlkampf ist dann im Sommer, und dann wird es um eine Frage gehen: Wie geht es in Deutschland weiter? Die Bundestagswahl wird nicht über Wiesbaden entschieden, sondern über die Frage, wer die Kompetenz hat und den Gesellschaftsentwurf, dieses Land in ein neues Jahrzehnt zu führen.

March: Aber sehen Sie auch die Glaubwürdigkeit der SPD durch die hessischen Verhältnisse nicht beschädigt?

Heil: Das hat uns auf Bundesebene, die Ereignisse in Hessen, ja im letzten Jahr auch eine Fülle von Diskussionen beschert, das kann man gar nicht leugnen. Aber wir haben die Diskussionen für uns geklärt und richten den Blick nach vorn. Und noch mal: Die Bundestagswahl geht nicht über Wiesbaden, sondern über die Zukunft des Landes.

March: Wie wollen Sie denn das Vertrauen der Wähler in die Politik, in die SPD wiederherstellen?

Heil: Ich glaube, dass es notwendig ist, dass man sich personell stark aufstellt, das haben wir getan mit glaubwürdigem und starkem Spitzenpersonal, mit Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat, der das Zeug hat, das Amt des Bundeskanzlers gut auszuüben, und wir werden unseren Regierungsprogrammentwurf vorlegen, deutlich machen, wo wir hinwollen mit diesem Land und was wir dafür vorlegen. Ich glaube, da werden wir uns nicht verstecken müssen. Wir haben ja im Moment eine Zeit, in der alle Parteien anfangen, sozialdemokratisch zu reden angesichts der Finanzmarktkrise. Wir werden klarmachen, wer das Original ist, nämlich die SPD. Und ich glaube, dass man damit auch Glaubwürdigkeit bekommt, seine eigenen Überzeugungen nicht taktisch auf andere auszurichten, sondern das zu sagen, was man für richtig hält.

March: Ein Problem für die SPD in der öffentlichen Wahrnehmung ist weiterhin die Haltung gegenüber der Linken. Die Debatte könnte bei der Landtagswahl im Saarland einen Monat vor der Bundestagswahl wieder an Fahrt gewinnen. Müssen Sie hier noch deutlicher Position beziehen als bisher?

Heil: Ich glaube, dass es notwendig ist, die eigene Überzeugung deutlich zu machen, was die politischen Gegner betrifft, und das betrifft auch die Linkspartei, muss man sich mit denen auseinandersetzen. Für mich ist die Linkspartei ein stinknormaler politischer Gegner, mit dem man sich inhaltlich auseinandersetzen muss.

March: Aber die Debatte in der SPD wird weiter geführt?

Heil: Ich glaube, dass wir da miteinander klar sind. Wir haben auf Bundesebene klare Aussage getroffen, dass eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht geht, nicht aus ideologischen Gründen, sondern schlicht und ergreifend aufgrund der Tatsache, dass diese Gruppierung, dass diese Partei auf Bundesebene nicht regierungsfähig ist. Wenn ich an die Außen- und Sicherheits- oder die Europapolitik denke, das ist ganz einfach so weder regierungswillig noch regierungsfähig, dafür ist das auf Bundesebene mit uns geklärt. In Bundesländern und Kommunen muss situativ entschieden werden anhand von Wahlergebnissen, das machen andere Parteien ja auch nicht anders. Ich erinnere daran, dass die CDU im kommunalen Bereich in Ostdeutschland an vielen Stellen mit der Linkspartei zusammenarbeitet und sich dann auf Landesebene aufplustert. Also das ist nichts, was Sozialdemokraten aus dem Tritt bringt.

March: Aber trotzdem ist das ja eine Position, die auch unter SPD-Mitgliedern nicht unumstritten ist. Können Sie das ignorieren?

Heil: Ich glaube, dass wir, wie gesagt, aus Hessen eins lernen müssen: dass man vor der Wahl zum Thema Koalition nicht Sachen sagen darf, an die man sich hinterher nicht hält. Und das ist das, was wir an dieser Stelle machen. Insofern sind wir da klar.

March: Die SPD kämpft ja auch in anderen Punkten gegen die Entwicklung, dass die Parteiführung den Kontakt zu den Anhängern an der Basis verliert. Wie treten Sie dieser Entwicklung konkret entgegen?

Heil: Ich glaube, dass wir einen Prozess hinter uns haben, der die SPD gut ausgerichtet hat. Wir sind programmatisch klar miteinander, wir haben eine intensive Debatte um ein neues Grundsatzprogramm geführt und diese programmatische Klarheit, die zahlt sich jetzt für uns aus. Sehen Sie, was das Konjunkturpaket anbetrifft, da gab es nicht das Fingergehakel wie in der Union, gibt es bei unserer Konkurrenz eine breitere Spannbreite, die eigentlich nicht zusammengeht, von einigen, die wirklich noch einer wirtschaftsradikalen Ideologie anhängen, und anderen, die dann angesichts der Finanzmarktkrise ins entgegengesetzte Gegenteil verfallen wie Herr Rüttgers, der ja Verstaatlichungsfantasien das Wort redet. Nein, die SPD hat da einen klaren Kurs. Wir sagen, wirtschaftlicher Erfolg und soziale Gerechtigkeit, das sind keine Gegensätze, das sind wechselseitige Bedingungen, und das werden wir in dieser Wahl auch deutlich machen.

March: Obwohl die SPD in der Großen Koalition natürlich auch Haltungen bezogen hat, die sie vorher vielleicht nicht so bezogen hat.

Heil: Wir haben unsere Haltung immer deutlich gemacht, aber klar ist eine Große Koalition eine, wo man zu Kompromissen in der Lage sein muss, möglichst nicht zu faulen. Aber klar ist, dass wir in dieser Bundesregierung viel an sozialdemokratischem Inhalt durchgesetzt haben. Vergleichen Sie mal die Wahlprogramme von 2005, das, was Frau Merkel damals noch vertreten hat, das war ein Abbau von Kündigungsschutz, Zerschlagen der Tarifautonomie, vieles andere mehr. Also mit Blick auf die Arbeit der Bundesregierung der sozialdemokratischen Minister kann ich nur sagen, ich bin froh, dass in dieser Phase Sozialdemokraten regieren, denn Michael Glos alleine würde diese Finanzmarktkrise nicht bewältigen können.

March: SPD-Generalsekretär Hubertus Heil war das. Vielen Dank für das Interview!

Heil: Ich danke Ihnen!


Das Interview mit Hubertus Heil können Sie bis zum 19. Juni 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio