"Wir gehen davon aus, dass wir eine deutliche Mehrheit bekommen"

23.02.2013
Die Spitzenkandidatin der Mitte-Links-Partei "Partito democratico" für die Auslandsitaliener Laura Garavini ist zuversichtlich, dass ihre Partei, notfalls zusammen mit einem Partner, die Regierung stellen wird. Berlusconi werde keine Chance haben.
Jörg Degenhardt: In Italien wird morgen und am Montag ein neues Parlament gewählt, und manchem wird ein bisschen mulmig, in Italien auch, aber wohl vor allem in Deutschland. Ein alter Bekannter könnte nämlich wieder zurückkommen an die Macht. Natürlich, von Silvio Berlusconi ist die Rede. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone muss sich entscheiden, wohin die Reise gehen soll und wer vorne in der Lok sitzt. Die deutsch-italienische Parlamentsabgeordnete Laura Garavini ist meine Gesprächspartnerin, sie vertritt seit 2008 den Wahlkreis Europa im italienischen Unterhaus, also alle Auslandsitaliener. Bei den Wahlen am Wochenende kandidiert sie erneut für die demokratische Partei mit dem Spitzenkandidaten Pier-Luigi Bersani. Guten Morgen, Frau Garavini!

Laura Garavini: Schönen guten Morgen!

Degenhardt: Wird Italien nach dieser Wahl unregierbar sein? Denn es wird ja wohl keinen klaren Wahlsieger geben.

Garavini: Nein, ich bin zuversichtlich, dass wir Montag Abend Pier-Luigi Bersani als Ministerpräsident einer Mitte-Links-Regierung feiern können und dass wir damit eine seriöse, ernstzunehmende Politik in Italien schaffen werden.

Degenhardt: Das heißt, Herr Bersani wird den Kurs von Herrn Monti fortsetzen?

Garavini: Das haben wir vor. Das heißt, auf der einen Seite eine solide Haushaltspolitik, aber wir dürfen uns nicht bei der jetzigen Stagnation tot sparen, wir müssen sehen, dass wir wesentlich mehr für Wachstum schaffen.

Degenhardt: Das heißt, Sie wollen weniger sparen, als das die Vorgängerregierungen gemacht haben. Das ist ja doch eine Kurskorrektur.

"Mehr Impulse für Wachstum schaffen"
Garavini: Nein, das habe ich nicht gesagt. Wir wollen weiterhin sparen, aber wir müssen sehen, dass wir wesentlich mehr Impulse für Wachstum schaffen, damit wir die starke Arbeitslosigkeit gerade bei jungen Italienern wegschaffen. Gerade deswegen ist es notwendig, dass wir eine Mitte-links-Regierung schaffen, mit der wir wesentlich mehr Impulse geben, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt.

Degenhardt: Sie können möglicherweise die Wahl gewinnen – gleichwohl müssen Sie sich Koalitionspartner suchen. Das bringt mich zu der Frage, ist es nicht eine Gefahr, dass den Regierungen, die die Reformen vorantreiben wollen – das wollen Sie ja, das will ja die demokratische Partei – dass denen die Wähler und damit die Mehrheiten abhanden kommen?

Garavini: Ich hoffe und wir gehen davon aus, dass wir eine deutliche Mehrheit bekommen, aber, falls das nicht der Fall wäre, sind wir bereit, mit den kleinen Parteien, die die Regierung Monti unterstützt haben, zu koalieren, damit wir eben eine stabile Regierung kriegen.

Degenhardt: Nicht alle, ich habe es eingangs gesagt, aber viele reden jetzt wieder von Berlusconi. Helfen Sie uns, Frau Garavini – wie müssen wir das verstehen als Auswärtige, die sozusagen einen auswärtigen Blick auf Italien haben, die die Verhältnisse dort nicht so kennen – warum wollen wieder so viele Italiener Berlusconi wählen?

Garavini: Leider erzählt Berlusconi weiterhin Märchen, und das hören die Leute gerne, gerade in einer Krise wie die jetzige, wo viele Italiener darunter leiden, unter den Folgen seiner fehlenden Politik. Es gefällt den Leuten zu hören, nicht die Italiener seien schuld an der jetzigen Lage, sondern andere, beispielsweise die Deutschen und Europa. Also Berlusconi nimmt immer wieder Europa, Deutschland als Sündenbock aller Probleme und erzählt den Italienern, es wird besser, er wird sozusagen Steuergeschenke machen nach den Wahlen. Und daher ist zu befürchten, dass einige Italiener, gerade die Rechten, die auch fest verbunden sind an einer antikommunistischen Haltung, die in Italien weiterhin immer besteht. Es ist eben zu befürchten, dass einige Italiener weiter Berlusconi wählen werden, aber ich bin mir zuversichtlich, dass es ihm nicht gelingen wird, wieder an der Regierung zu sein.

Degenhardt: Berlusconi fällt auch auf der öffentlichen Bühne immer wieder mit, ich sag's mal so, sexuellen Anzüglichkeiten auf. Stört das niemanden, gibt es bei Ihnen keine Sexismus-Debatte?

Garavini: Das gibt es schon, aber ich bin mir sicher, das wird auch einer der Gründe sein, warum es ihm nicht gelingt, wieder an die Regierung zu kommen.

Pier Luigi Bersani
Pier Luigi Bersani© dpa / picture alliance / Laiacona Enzo
"Das sind populistische Töne, die von Berlusconi benutzt werden"
Degenhardt: Wir werden das sehen. Morgen und übermorgen wird gewählt. Berlusconi, Sie haben es angedeutet, hat im Wahlkampf auch nicht zurückgescheut vor antideutschen Tönen. Gestern sprach der Bundespräsident in seiner Rede, seiner Europarede auch davon, dass die Deutschen nicht die Zahlmeister der Europäischen Union sein wollen. Wird so etwas in Italien, wird so etwas bei Ihnen registriert? Und gibt es da vielleicht auch ein Verständnis dafür, dass die Deutschen meinen, sie müssten nicht dafür aufkommen, dass in anderen Ländern nicht so gut gewirtschaftet wird?

Garavini: Nein, es ist schlecht, und das sind populistische Töne, die von Berlusconi benutzt werden, aber nicht nur von ihm, sondern auch von anderen Politikern. Beispielsweise der ehemalige Komiker Grillo, der hetzt auch ständig gegen Deutschland, gegen Europa. Das sind Töne, die überhaupt nicht in einem Land passen wie Italien. Bei uns dagegen ist Europa an der ersten Stelle. Wir sagen massiv, wir brauchen mehr Europa, wir brauchen eben – wir müssen gemeinsam sehen, dass wir auch europaweit wesentlich mehr Impulse für Wachstum schaffen, damit wir eben die Arbeitslosigkeit der jungen nicht nur Italiener, sondern auch der jungen Europäer endlich mal gemeinsam besiegen.

Degenhardt: Impulse für Wachstum, sagen Sie. Die Kernfrage wird ja also sein, wie man das Potenzial, das Wachstumspotenzial des Landes erhöhen kann, das nach allen Prognosen momentan sehr niedrig ist. Haben Sie da eine Idee?

Garavini: Unser Slogan ist: Ein gerechtes Italien. Und das wollen wir, indem wir beispielsweise einen großen Plan für kleine Projekte schaffen. Also keine gigantische Umstrukturierung, sondern viele kleine Investitionen, die den Betrieben vor Ort nutzen und die Arbeitsplätze schaffen. Beispielsweise in ökologische Projekte, für mehr Energieeffizienz, für mehr erneuerbare Energie, damit wir dem Land eine Zukunft geben können.

Degenhardt: Die deutsch-italienische Parlamentsabgeordnete Laura Garavini. Auch sie steht an zur Wahl morgen und übermorgen, und zwar für die Demokratische Partei. Frau Garavini, ich bedanke mich für das Gespräch!

Garavini: Gern geschehen! Bis bald.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Politischer Ruhestand? Nicht mit Silvio Berlusconi. Er tritt in Italien erneut bei der Wahl an.
Politischer Ruhestand? Nicht mit Silvio Berlusconi. Er tritt in Italien erneut bei der Wahl an.© dpa / picture alliance / Guido Montani
Mehr zum Thema