Winzerin Simona Maier

Die Winzerin, die mal ein Mann war

Die Winzerin Simona Maier zu Gast im Deutschlandradio-Funkhaus in Berlin.
Die Winzerin Simona Maier zu Gast im Deutschlandradio-Funkhaus in Berlin © Deutschlandradio/Maurice Wojach
Moderation: Britta Bürger · 22.12.2017
Als sie das erste Mal mit einem Kleid durch ihr Dorf spazierte, galt das als Provokation. Inzwischen ist es fast selbstverständlich, dass aus dem Winzer Simon die Winzerin Simona Maier geworden ist.
Der Winzerberuf wurde der 27-Jährigen beinah in die Wiege gelegt. Ihr Vater, selbst Winzer, nahm sie – damals noch als Sohn – schon früh mit in die Weinberge.
"Als ich so zehn oder zwölf war und auch schon aktiv mithelfen konnte, war ich eigentlich immer mit dabei. Ich bin auch ein sehr naturverbundener Mensch, mir hat das viel Spaß gemacht. Ich habe dann mit zwölf schon angefangen in den Weinbergen – nicht auf der Straße, aber in den Weinbergen – Traktor zu fahren (…) und konnte ihm da wirklich auch groß Unterstützung leisten."
Schon damals habe er aber gemerkt, dass er andere Interessen als die meisten Jungs seines Alters hatte.

"Das darf nie jemand erfahren, die sperren mich in die Psychiatrie"

"Im Kindergarten gab es schon Hinweise, dass ich lieber in der Puppenecke war. Oder in der Grundschulzeit gab es diese Diddl-Blätter, die viele Mädchen getauscht haben – das war genau mein Ding. Und so Fußballspielen mit den Jungs war so gar nicht meine Geschichte. Ich war glücklich, dass ich lange Haare haben durfte und so war für mich die Welt eigentlich in Ordnung, also ich durfte damals schon relativ androgyn leben. Schwierig wurde es in der Realschulzeit oder auch in der Pubertät, als ich merkte: Das bin ich nicht. Ich habe dann auch heimlich den Kleiderschrank meiner Mutter geplündert und dachte aber, das darf nie jemand erfahren, die sperren mich in die Psychiatrie. (…) Aber ich habe dann durchs Internet und Fernsehen erfahren, dass es das gibt. Dass man das sein darf."
Obwohl Simon Maier früh weiß, dass er als Frau leben möchte, dauert es Jahre bis er den Mut findet, seine Identität offen zu leben. Nach dem Tod des Vaters übernimmt er den Betrieb seines Vaters, wird schnell erfolgreich, gewinnt den bundesweiten Wettbewerb der Jungwinzer – und beschließt schließlich tatsächlich, nun als Simona zu leben. Die Mutter, sagt die Winzerin, habe ihre Veränderung anfangs kritisch gesehen:
"Aber nicht, weil sie es abgelehnt hat, sondern weil sie mich schützen wollte. Das kleine Dorf ist sehr konservativ geprägt und auch die ganze Weinbaubranche ist da noch nicht weit genug offen. Sie hatte da einfach Bedenken. Ich stand schon immer in der Öffentlichkeit, auch mit meiner Weinmanufaktur. Sie hat gesagt, nun mach‘ dir das dadurch nicht kaputt, aber dann habe ich gesagt, dann gehe ich irgendwann an mir selber kaputt."

"Da gab es schon so Gedanken: Oh Gott, in vier Wochen hockt hier eine Diva"

Auch ihr Arbeitgeber, bei dem Simona Maier als Kellermeisterin arbeitet, freut sich mittlerweile über seine neue Kellermeisterin, obwohl die Situation am Arbeitsplatz anfangs schwierig war.
"Man stellt einen Kellermeister ein und auf einmal sitzt da eine Kellermeisterin, die jetzt aber noch nicht wirklich aussieht wie eine Frau (…), da gab es schon so Gedanken: Oh Gott, in vier Wochen hockt hier eine Diva, die zu faul ist und nicht mehr runter in den Keller geht und Tanks putzt. Aber ich habe gesagt, an meiner Art des Weinmachens ändert sich ja nichts. Und mittlerweile steht mein Arbeitgeber auch voll hinter mir und ich bin auch dankbar, dass wir gemeinsam diesen Weg gegangen sind."
Ihr weibliches Geschlecht ist inzwischen amtlich. Der Weg dorthin war weit. Sie musste zahlreiche Therapiesitzungen und Begutachtungen über sich ergehen lassen, bis sie offiziell als Frau anerkannt wurde. Mittlerweile genießt Simona Maier das, was sie ihre "zweite Pubertät" nennt:
"Die erste Pubertät wollte ich ja gar nicht. Das war ja eine Pubertät in die falsche Richtung. Bartwuchs kam, tiefe Stimme kam – das wollte ich alles nicht. Die zweite Pubertät fühlt sich jetzt richtig an."
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