William Grill: "Die Wölfe von Currumpaw"

Vom Jäger und dem Gejagten

Die Wölfe von Corrumpaw - Geschichte des Zeichners und Autor William Grill
Die Wölfe von Corrumpaw - Geschichte des Zeichners und Autor William Grill © imago stock&people / lepd / Buchcover Nordsüd Verlag
Von Kim Kindermann · 19.09.2017
Ungeheuer-Fantasien umranken den Wolf: Menschenfresser, Bestie, Monster. In seinem Bilderbuch "Die Wölfe von Currumpaw" erzählt Zeichner William Grill zwei Geschichten einer solchen Fantasie - die des getriebenen Wolfs und die des brutalen, später geläuterten Jägers.
Mit seinen schlicht-wunderschönen Zeichnungen und einer spannenden Geschichte überzeugt William Grill ein zweites Mal. Nachdem schon sein Erstlingswerk "Shackletons Reise" hochgelobt für den Jugendbuch Literaturpreis nominiert wurde, kommt jetzt "Die Wölfe von Currumpaw" heraus. Und auch diese sagenumworbene Erzählung von einem Wolf und seinem Jäger ist preisverdächtig, denn erneut verwebt William Grill gekonnt Abenteuer- und Naturgeschichte zu einem berauschenden Bilderbucherlebnis.
Hintergrund ist auch dieses Mal eine wahre Begebenheit: Lobo, der Wolf, war wegen seiner Schläue und Gerissenheit eine Legende im New Mexiko der 1860er-Jahre. Der ungewöhnlich große Wolf galt als "König der Prärie", weil er jede Falle umging und jede Jagd überlebte. Nichts schien ihm etwas anhaben zu können. Und doch wollten die Viehbesitzer Lobo tot sehen: Als Kopfgeld setzen sie 1000 Dollar aus. Was neben zahlreichen anderen auch den berühmten Jäger und Fallensteller Ernest Thompson Seton auf den Plan rief. Monatelang verfolgte Seton Lobo, erkundete dessen Revier, legte Giftköder aus, baute hunderte von Fallen. Erfolglos. Der Wolf entkam jedes Mal.

Der Jäger lernt von seinem Wild

Doch je verbissener Seton sich mit der Jagd auf Lobo beschäftigte, desto mehr lernte er über Wölfe und ihre Lebensweise, und so änderte sich etwas - natürlich unbewusst: Seton begann ökologische Zusammenhänge zu verstehen - etwa dass Wölfe Hausrinder nur deshalb rissen, weil ihr natürliches Revier durch die Menschen immer kleiner geworden war. Trotzdem ließ Seton nicht von der Jagd ab: Am 31. Januar 1894 schließlich ging Lobo in die Falle, nachdem Seton zuvor Lobos Gefährtin Blanca erlegt hatte. Der Wolf war der Spur der toten Wölfin gefolgt und dabei in eines der vielen Fangeisen getreten. Nach einem Tag in Gefangenschaft starb Lobo – der Legende nach an gebrochenem Herzen.
Anders als erwartet, war Seton nach seinem Jagderfolg zutiefst erschüttert und jagte danach nie wieder einen Wolf. Mehr noch: Er wurde zum ersten Tier- und Naturschützer der USA. Zeitlebens galt sein besonderes Interesse dem Schutz der Wölfe. Seton schrieb Tiergeschichten und wurde zum Mitbegründer der amerikanischen Pfadfinderbewegung. "Lobos Tod erwies sich als Wendepunkt meines Lebens", sagt er später. Durch ihn habe er gelernt, "dass jedes einheimische wild lebende Geschöpft an sich ein kostbares Erbe darstellt."

Nach dem Abschuss keine Jagd mehr

Erzählt wird Lobos und Setons Schicksal in kurzen, oft nur wenige Zeilen langen Texten. Dokumentarisch genau stehen sie immer eingebettet in William Grills schlicht-schöne Bleistiftzeichnungen von Tieren, Landschaft und Mensch, jede streng in schwarz, rot, blau, braun gehalten, immer zart straffiert, nie flächig deckend ausgemalt. Das hat einen besonderen Charme, den auch schon Grills Vorgängerwerk auszeichnete. Schön ist auch, dass zahlreiche Bilder nur wenige Zentimeter groß sind, kleine Vignetten, die als Bildergeschichte funktionieren. Mitunter sind 15 dieser Vignetten auf nur einer Bilderbuchseite zu bestaunen. Um dann wieder durch ein doppelseitiges Großbild abgelöst zu werden.
So gelingt es William Grill sowohl den Zauber der Prärie und ihrer Bewohner darzustellen, als auch die aberwitzige Jagd Setons detailliert zu schildern: Jeder Falle, jeder Waffe, jedem Spaten gehört ein Bild, wie auch der Wolf und sein Rudel in zahlreichen Zeichnungen abgebildet sind - mal ganz nah, dann wieder als schlichter Schatten unter einem Vollmond und Sternenhimmel.
Bild für Bild, Satz für Satz taucht man so tiefer in diese Geschichte um den König der Prärie ein, um am Ende ein ebenso glühender Tierfreund zu sein wie Seton selbst. Bezaubernder und klüger kann ein Bilderbuch nicht sein.

William Grill: Die Wölfe von Currumpaw
Übersetzt von Harald Stadler, NordSüd, Zürich 2017, 88 Seiten, 20 Euro

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