Wildtiere

Wer hat Angst vor dem bösen Wolf?

Ein Wolf schaut hinter Bäumen hervor.
Wie gefährlich ist der Wolf in Deutschland tatsächlich? Publizist Dieter Bub ruft zur Gelassenheit auf. © picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert
Von Dieter Bub · 18.04.2018
Die Zahl der wild lebenden Wölfe in Deutschland bleibt amtlichen Schätzungen zufolge konstant bei unter 200 Tieren. Dennoch treibe die Angst vor dem Tier seltsame Blüten, kommentiert der Publizist Dieter Bub. Nun befasst sich auch der Bundestag damit.
Die Gebrüder Grimm sind Schuld - ihre Sammlung deutscher Märchen voller albtraumhafter Geschichten mit Hexen, verwunschenen Prinzen, ausgesetzten Kindern - und dem bösen Wolf. Isegrim, der sieben Geißlein fressen will, auch arme Großmütter nicht verschmäht. Wir wissen: Das alles bekommt ihm nicht gut. Er endet kläglich. Doch er spukt weiter - als ein Untier.

Die Gesundheitspolizei des Waldes

Meine ersten Wölfe habe ich in einem Zoo gesehen. Sie wirkten scheu und ich wusste, dass die Hunde von ihnen abstammen sollten, gezüchtet zum Schutz der Schafe. Jetzt nun ist der Wolf wieder mitten unter uns - zugewandert aus Ost- und Nordeuropa so wie auch Luchs und Biber. Unter allen gilt der Wolf als der Böse, eine Bedrohung für Mensch, Schaf und Zicklein - obwohl er eigentlich vor allem kranke Tiere niederstreckt und als Gesundheitspolizei im Wald gilt.
Fakt ist, wenn sich die Gelegenheit bietet, holt sich der Wolf seine Beute. Zum Beispiel dann, wenn Bauern ihre Weide nicht ausreichend geschützt haben - mit Zäunen, deren Kosten erstattet werden, oder durch Schutzhunde und Esel. Nach Angaben der Neuen Osnabrücker Zeitung sind 2017 von den geschätzt 150-160 Wölfen in ganz Deutschland rund 500 Schafe, Ziegen und, wie es heißt, "andere Tiere" gerissen worden.

Wolfswahn und Wolfswachen

Unter Landwirten und Jägern herrscht indes höchste Alarmstufe. Ihr Gefühl der Bedrohung lässt sich mit Zahlen allein nicht erklären. Überall wähnen sie lauernde Wölfe. Unscharfe Fotos zeigen zwar oft nur streunende Hunde, und vom einsamen Wolf, der in einem Brandenburger Dorf herumstromern soll, und vor dem sich Kinder und Eltern fürchten, gibt es gar kein Bild. Dennoch treibt der Wolfswahn immer neue Blüten und sorgt für stets willkommene Schlagzeilen.
Gefordert wird, nicht nur einzelne Tiere sondern ganze Rudel zu erlegen, man liest Schlagzeilen wie "Bauern verlieren die Geduld mit den Wölfen". Ihre Zahl müsse durch Schutzjagden deutlich reduziert werden. Die Wölfe sollten das verstehen und sich vor so genannten Wolfswachen fürchten, an denen beim Lagerfeuer, wie im Wilden Westen, immer neue Schnurren erzählt werden. Was die Menschen nicht wahrhaben wollen: die nicht einmal 200 Wölfe stehen unter Naturschutz.

Ein neues Feindbild für den Osten

Der Schäfer in meiner Region, mit dem ich vor kurzen unterwegs war, hat null Probleme mit seinen 1000 Tieren - hinter seinen Abzäunungen sind Tag und Nacht große weiße Pyrenäenhunde unterwegs, gegen die Wölfe keine Chance haben. Trotzdem: Schon reagiert die Politik und verspricht, sich für eine Lockerung der bisherigen Regelungen einzusetzen. Das heißt: Feuer frei. So hat der Osten ein neues Feindbild.
Zur Entspannung sei allen, denen die Wut zu Kopfe gestiegen ist, Prokofjews "Peter und der Wolf" empfohlen - eine am Ende versöhnliche Geschichte, in der die Jäger nicht ballern und der Wolf überlebt.

Dieter Bub, Publizist und Buchautor, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der DDR. Zwischen 1979 und 1983 war Korrespondent des "Stern" in Ostberlin. Nach 1990 realisierte er für den NDR und den MDR große Dokumentationen zur Geschichte der DDR.

Publizist Dieter Bub
© Foto: privat
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