Wieland: BKA-Gesetz nach wie vor verfassungswidrig

Wolfgang Wieland im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 17.12.2008
Nach Auffassung von Wolfgang Wieland, Sprecher für innere Sicherheit der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, ist das BKA-Gesetz auch in seiner veränderten Form nicht verfassungskonform. Mit der Rücknahme der Möglichkeit der heimlichen Online-Durchsuchung ohne Richterbeschluss sei lediglich "ein wirklicher Giftzahn" gezogen worden, sagte Wieland.
Birgit Kolkmann: Kritiker sagen, der Innenminister will ein deutsches FBI. Das wird vom Chef des Bundeskriminalamts vehement zurückgewiesen. Aber neue Befugnisse soll das Bundeskriminalamt mit dem sogenannten BKA-Gesetz doch bekommen, nämlich die Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus. Das Gesetz – lange diskutiert wegen Online-Durchsuchungen und Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts – scheiterte im ersten Anlauf im Bundesrat am Widerstand der SPD-Länder. Heute muss der Vermittlungsausschuss sein Votum abgeben. Es wurde nachgebessert, aber nicht so, dass alle Kritikpunkte ausgeräumt sind.
Also: nicht alle Kritikpunkte sind ausgeräumt am BKA-Gesetz, jedenfalls nicht für die Opposition. – Wolfgang Wieland ist innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen!

Wolfgang Wieland: Guten Morgen.

Kolkmann: Herr Wieland, ist das BKA-Gesetz auch in seiner veränderten Form für Sie nicht tragbar?

Wieland: Es ist nicht tragbar. Man hat oder man wird bei diesem Kompromiss, der ja vorher schon skizziert wurde, der offenbar gar nicht mehr ausgehandelt werden soll im Vermittlungsausschuss, sondern schon vorher sozusagen im Hinterzimmer ausgehandelt wurde, einen wirklichen Giftzahn gezogen. Das ist die Möglichkeit, eine Online-Durchsuchung, also das staatliche Hacken in Computer vorzunehmen, ohne vorher einen Richter einzuschalten. Diese Eilmöglichkeit hat man herausgenommen. Man hat – das hat Ihre Korrespondentin ja eben in diesem Bericht richtig gesagt – eine sehr unklare Sachleitungsbefugnis eines Richters dann bei der Auswertung ins Gesetz geschrieben beziehungsweise will man reinschreiben, und man hat als drittes nach wie vor ein unkoordiniertes Nebeneinander von Bund und Ländern bei dieser terroristischen Gefahrenabwehr stehen lassen. Es ist nach wie vor nur so: sie müssen irgendwie ein Benehmen herstellen. Sie können beide agieren, das betroffene Bundesland und der Bund, und es ist nicht klar, wer in diesem Fall dann sozusagen den Hut auf hat, wer die Ermittlungen, die es im strengen Sinn noch gar nicht sind – es findet im Vorfeld statt, es findet zur Gefahrenabwehr statt -, leitet und wer dann primär am Ball ist. Schlimmstenfalls stehen sie sich gegenseitig auf den Füßen oder gehen gar gegeneinander vor, weil sie sich nicht kennen und nichts voneinander wissen.

Kolkmann: Nun haben wir ja auch noch die Problematik des Zeugnisverweigerungsrechtes. Da wurde ja für einige Berufsgruppen, zum Beispiel für die Abgeordneten, die Einschränkung zurückgenommen, aber für andere besteht sie weiter, zum Beispiel für Ärzte und Journalisten. Haben wir da jetzt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?

Wieland: Sicherlich. Die haben wir nun schon zum zweiten Mal. Wir hatten sie eingeführt bei der Telekommunikationsüberwachung, also bei dem Abhören von Telefon und sonstiger Kommunikation im Rahmen des Strafverfahrens, und nun bekommen wir das gleiche im Rahmen des Polizeirechts. Auch hier muss man wieder sagen, es passiert deutlich vorher, es passiert auf wage Vermutungen hin und, was eben ganz kritisch ist, Journalisten werden auskunftspflichtig. Das sind sie zum Beispiel nach der Strafprozessordnung nie. Da können Sie sagen, ich sage gar nichts. Hier wird gesagt, in bestimmten Gefahrensituationen müssen Sie Angaben machen. Und das gesamte geheimdienstliche Repertoire kann auch für Sie, kann aber auch für Anwälte, die nicht Strafverteidiger sind, oder für Ärzte, ein ähnlich sensibler Bereich, angewendet werden. Das heißt, die Berufsgeheimnisträger sind dann in diesem Bereich gar keine Berufsgeheimnisträger mehr. Das ist ein unglaubliches Vorgehen und nicht umsonst sind ja die Berufsverbände, sind insbesondere auch die Journalisten jeglicher Couleur darüber äußerst empört.

Kolkmann: Einige Chefredakteure haben dies als Anschlag auf die Pressefreiheit bezeichnet. Halten Sie das BKA-Gesetz in dieser Hinsicht für verfassungswidrig und glauben Sie, dass Sie vor dem Bundesverfassungsgericht mit Ihren Klagen Erfolg haben werden?

Wieland: Ich denke ja. Es sind ganz viele Giftzähne dabei. Dies ist einer. Es sind andere Maßnahmen darin, über die in jüngster Zeit gar nicht mehr diskutiert wurde, wie der Videoangriff auf die Wohnung, dass ich damit rechnen muss, dass man mich filmt, egal was ich mache. Hier gibt es noch diese Eilmöglichkeit, es eben ohne Richter anzuordnen. Das heißt, es ist ein Instrumentarium wie bei einem Nachrichtendienst. Das ist eben auch unsere zentrale Kritik. Wir bekommen ein deutsches FBI, das zugleich sein eigener Geheimdienst ist, und bekommen nichts an Kontrolle, wie wir es bei unseren Geheimdiensten haben. Da kann man ja darüber streiten, funktioniert diese Kontrolle, aber wir haben immerhin die Gremien und die Kontrollmechanismen. Beim BKA haben wir das nicht. Wir haben auch das Abkoppeln vom Generalbundesanwalt, der Generalbundesanwältin. Nach klassischem Muster eben im Rahmen der Strafverfolgung waren die immer sachleitend, federführend, hatten den Hut auf. Nunmehr agiert das Bundeskriminalamt in eigener Regie und es wird agieren rund um die Uhr, jeden Tag, denn die Terrorgefahr haben wir nun leider alltäglich. Das heißt, es wird eine sehr mächtige, sehr unkontrollierte, sehr tief in die Bürgerrechte eingreifende Behörde geschaffen, und das ist mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren. Da werden wir ganz grundsätzlich das alles zur Disposition stellen.

Kolkmann: Werden mit dem Terrorargument hier Freiheitsrechte eingeschränkt nicht nur mittels der erweiterten Befugnisse des BKA?

Wieland: Ja. Das ist ein rasanter Prozess. Kaum ist die eine Maßnahme beschlossen, kommt die nächste. Wir erinnern uns, dass die Klage noch anhängig ist wegen der Vorratsdatenspeicherung mit einer ähnlichen Begründung, dass die Telefongesellschaften seit 01. Januar sechs Monate lang alle Verbindungsdaten speichern müssen, auch E-Mail-Verkehr, auch fehlgeschlagene Verbindungen. Wir erleben, dass in ganz vielen Bereichen jetzt versucht wird, auch das Beobachten des Bürgers, das Auskundschaften zu zentralisieren, große Abhöreinrichtungen geschaffen werden sollen von Polizei, von Nachrichtendiensten gleichzeitig nach angloamerikanischem Vorbild. Wir haben es erlebt und mussten es erleben, dass man eine Anti-Terror-Datei geschaffen hat, wo eben auch Polizei und Geheimdienste ihre Daten zusammenwerfen und im dringenden Fall im Eilfall darauf zugreifen können, jeweils vollständig und ungeniert. Das heißt, Stück für Stück und Schritt für Schritt begeben wir uns auf den Weg in den Überwachungsstaat, was ja auch sehr viele gerade junge Leute dazu gebracht hat, wieder auf die Straße zu gehen und zu sagen, meine Daten gehören mir, ihre Privatheit sozusagen zurückzufordern.

Kolkmann: Vielen Dank. – Wolfgang Wieland, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion war das im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Danke schön dafür.

Wieland: Bitte schön.


Das Gespräch mit Wolfgang Wieland können Sie bis zum 17. April 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio