Wiederholung als Markenzeichen

Von Anette Schneider · 06.08.2008
Andy Warhol machte in den 1960er Jahren banalste Alltagsgegenstände kunstwürdig: Mit seiner Serie von Campbells Suppendosen oder Marilyn Monroe wurde er weltberühmt. Heute hängen seine Werke in allen wichtigen Museen. Am 6. August 1928 wurde der Künstler geboren.
Neun blaue Marilyns.
Achtzehn mehrfarbige Marilyns.
Fünfundvierzig goldene Marilyns.


Mit seinen bunten Siebdruck-Serien von Marilyn Monroe, Elvis Presley, Mao oder Liz Taylor gilt Andy Warhol als Hauptvertreter der Pop-Art. Mit allseits bekannten Themen und hohen Auflagen ging er an gegen vorherrschende bürgerlich-elitäre Kunstvorstellungen.


32 Campbells Suppendosen.
32 Campbells Suppendosen
32 Campbells Suppendosen.
32 Campbells Suppendosen


Andy Warhol machte die Wiederholung banaler Dinge zu seinem Motiv. Quantität zu seinem Markenzeichen. Kunst zur Fließbandware. Viele hielten ihn für revolutionär.

"No, I don't think that I am a revolutionar...
Ich denke nicht, dass ich ein revolutionärer Künstler bin.''"

Am 6. August 1928 wurde Andy Warhol in Pittsburgh, USA, geboren. Seine Eltern waren arme slowakische Einwanderer. Ihr Sohn stieg auf zum Multimillionär.

Er studierte Werbegrafik, ging 1950 nach New York und erlebte dort den Beginn der modernen Konsumgesellschaft mit ihren Reklamekampagnen, mit Massenmedien, die das Leben der Schönen und Reichen vermarkteten. Warhol war fasziniert von dieser Welt - und gehörte schon bald zu den erfolgreichsten Werbegrafikern der Stadt. Doch er wollte mehr. Er wollte Künstler werden. Nur keiner von den gerade angesagten Abstrakten...

Coca-Cola-Flaschen.
Coca-Cola-Flaschen.


"Im August '62 hab ich angefangen, Siebdrucke zu machen. Das Gummistempelverfahren, das ich angewendet hatte, um Motive zu wiederholen, schien mit einemmal zu selbstgemacht; ich wollte etwas Stärkeres, das mehr nach Fließband aussah."

Schrieb Warhol 1975. Sein Motto lautete:

Dreißig sind besser als eins!

Wenn in der neuen Konsum- und Mediengesellschaft alles zur Massenware wird - weshalb dann nicht auch Kunst? Und weshalb nicht in der Kunst eben diese Konsum- und Medienwelt vorführen?

Hot-Dogs.
Autounfälle.
Die 13 meistgesuchten Männer der USA.


Die Vertreter des bürgerlichen Kunstmarkts waren schockiert. Doch Warhol vermarktete seine Idee wie ein Unternehmer: Er kaufte "the factory” - eine alte Hutfabrik - in der zahlreiche Mitarbeiter die Motive, die er aus Zeitschriften abfotografierte, per Siebdruck fließbandmäßig auf Leinwand übertrugen.
Seine Mitarbeiterin Isabelle du Frene erinnert sich:

"Für manche war Andy der netteste Mensch, den sie kannten. Und er konnte sehr süß sein. Für andere war er der niederträchtigste Hundesohn. Der Teufel."

1966 war die Factory Mittelpunkt der New Yorker Kulturschickeria geworden. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen: Tagsüber wurde gearbeitet, nachts gefeiert. Warhol, von der Siebdruckarbeit gelangweilt, produzierte nun die Musikgruppe "Velvet Underground” - und experimentierte:

"Da ich nicht mehr an Malerei glaube, dachte ich, es wäre ganz nett, Musik, Kunst und Film miteinander zu verbinden. Wir arbeiten noch daran."

Um reich und berühmt zu werden - und es zu bleiben - kreierte der menschenscheue und wortkarge, aber extrem geschäftstüchtige Künstler auch sich selbst als Produkt: Er trat nur noch mit weißblonder Perücke und dunkler Sonnenbrille auf, gab sich eitel, schamlos, voyeuristisch und obszön. Politik war ihm egal. Selbst zum Vietnamkrieg bezog er keine Stellung.

Wer alles über Andy Warhol wissen will, braucht nur die Oberfläche anzusehen: die meiner Bilder und Filme und von mir, und das bin ich. Da ist nichts dahinter.

Als im Juni 1968 eine Bekannte ein Attentat auf ihn verübte, vermarktete Warhol auch dies: Er ließ die Narben fotografieren und malen - die Preise für seine Arbeiten schossen in die Höhe. Wenig später kommentierte die New York Times:

Sein Talent ist in erster Linie ein Talent des Zurschaustellens.

In den 70er Jahren zog sich Warhol zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück.

"Stimmt, ich möchte mich nicht mehr so engagieren. Ich möchte eine gewisse Distanz bewahren."

Längst war die Factory ein normales Büro geworden, in der zahlreiche Mitarbeiter dafür sorgten, dass seine Pop-Kunst im Geschäft blieb, während sich Warhol darauf beschränkte, für viel Geld ausgewählte Prominenz zu fotografieren.

Als er 1987 nach einer Gallenblasenoperation überraschend starb, zeigte sich: Der Unternehmer in eigener Sache hatte dafür gesorgt, dass er nicht vergessen wird. Die Warhol-Stiftung vermarktet seitdem seine Motive auf T-Shirts, Postern und Geschenkpapier. Seine Originale sind dagegen nicht mehr für jeden erschwinglich: Im vergangenen Jahr wechselte bei Christies der 7-fache Siebdruck eines Autounfalls den Besitzer - für 64 Millionen Dollar.