Wieder nichts Fertiges

Von Margarete Limberg · 03.06.2005
Die neue Rechtschreibung soll nach dem Willen der Kultusministerkonferenz bis auf einige Ausnahmen am 1. August verbindlich in Kraft treten. Das Durcheinander wird durch diesen Beschluss nicht beseitigt. Der "Rat für deutsche Rechtschreibung" schlug indessen Änderungen im Bereich Getrennt- und Zusammenschreibung vor.
Soviel ist immerhin klar: Stängel wird mit Ä statt mit E geschrieben, muss mit Doppel-S, und nummerieren hat künftig zwei M und Schifffahrt drei F. Das alles soll ab 1.August amtlich und verbindlich sein, zumindest für Schulen und Behörden. Aber damit ist die unendliche Geschichte der Rechtschreibreform noch nicht zu Ende.

Sie bleibt ein Ärgernis, sie war es von Anfang an. Verantwortlich dafür sind die Reformeiferer, die sich gegen alle Einwände taub stellten, ebenso wie die Reformgegner, die, begleitet von einem publizistischen Trommelfeuer ohnegleichen, den Untergang des Abendlandes heraufbeschworen und von Schlechtschreibreform tönten. Schuld sind ebenso die Politiker, die auch berechtigte Kritik zunächst stur ignorierten und die nun in Gestalt der Kultusministerkonferenz eine Teilreform in Kraft gesetzt haben.

Das Durcheinander wird durch diesen Beschluss nicht beseitigt. Nur die unstrittigen Teile des neuen Regelwerks sollen ab 1.August allein- gültig und verbindlich sein. Wo noch Änderungen durch den Rat für Rechtschreibung zu erwarten sind, sollen die Lehrer Toleranz üben, das heißt, neben der neuen auch die alte Schreibweise hinnehmen, ohne diese mit dem Rotstift zu ahnden. Das klingt nicht schlecht.

Toleranz ist immer gut. Aber in diesem Fall belastet sie die Lehrer zusätzlich, die erst nachschlagen müssen, ob eine neue Regelung verbindlich ist oder nicht. Ein Ärgernis ist dies auch für die Schuler, die erneut verunsichert werden und für die Eltern, die mit belastet werden, wenn ihre Kinder mit den neuen oder altneuen Regeln nicht klar kommen und nicht wissen, was noch auf sie zukommt.

Man fragt sich, warum die Kultusministerkonferenz das endgültige Inkrafttreten der Reform nicht insgesamt verschoben hat, als klar wurde, dass der Rat für Rechtschreibung seine Arbeit nicht rechtzeitig vor dem Stichtat beenden würde. Schließlich hat sie ihn selbst eingesetzt mit dem Auftrag, einen Ausweg aus dem Desaster zu weisen, zu dem die Reform zu werden drohte. Er sollte Ungereimtheiten, Absurdes und Sinnentstellendes vom Akzeptablen scheiden und Änderungsvorschläge machen. Das hat er bisher allein bei den neuen Regeln für das Getrennt- und Zusammenschreiben getan. Nun sollen wieder weitgehend die alten Bestimmungen gelten oder neben den neuen Regeln anwendbar sein. Der Sprachgebrauch soll die Richtschnur sein.

Auseinandersetzen soll also wieder zusammengeschrieben werden, wenn es im Sinne von streiten oder debattieren gebraucht wird, und getrennt nur, wenn damit eine räumliche Trennung gemeint ist. Im Zweifel sollen künftig beide Möglichkeiten erlaubt sein. Damit ist eine entscheidende Hürde auf dem Weg zur Reform der Reform genommen.

Der Rat, anfangs von den Gegnern des neuen Regelwerks mit größtem Misstrauen betrachtet, hat es in den letzten Monaten geschafft, die Diskussionen wieder in etwas ruhigere Bahnen zu lenken. Er hat den Verdacht, lediglich Erfüllungsgehilfe der Kultusminister zu sein, widerlegt, und er hat sich zusammengerauft. Aber seine Arbeit ist noch nicht erledigt. Die Vorschriften zur Silbentrennung, Zeichensetzung, Groß- und Kleinschreibung müssen noch geprüft und gegebenenfalls ebenfalls geändert werden.

Die Auseinandersetzungen über dieses Reformwerk gehen also weiter, aber hoffentlich nicht mehr mit der polemischen Schärfe und den hysterischen Wallungen wie im letzten Jahr. Dem Rat für Rechtschreibung gebührt das Verdienst, dass er selbst die Rechthaberei und Verbohrtheit, mit der das Für und Wider der Reform lange Zeit diskutiert wurde, offenbar überwunden hat. Das wenigstens kann man zur Nachahmung in diesem leidigen Streit empfehlen.
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