Wie macht die Kuh?

Von Thomas Gith · 10.09.2009
Das Berliner Tierstimmenarchiv sammelt die Laute von Säugetieren, Reptilien, Vögeln, Insekten und sogar Fischen. Rund 110.000 Tondokumente von mehr als 1800 Arten sind schon hinterlegt. Die Sammlung, Teil des Museums für Naturkunde, gehört damit zu den weltweit größten ihrer Art doch sie ist vom Verfall bedroht.
Unter der kuppelartig gewölbten Decke eines hohen Raumes stehen sieben Rollregale: Vollgestellt mit Magnettonbändern und penibel beschriftet sind sie der historische Schatz des Berliner Tierstimmenarchivs. 1951 wurde die erste dieser Tierstimme von dem Verhaltensforscher Günter Tembrock aufgenommen. Es war der Laut eines Waldkauzes, erzählt Archivleiter Karl-Heinz Frommolt.

"Ja, die Aufnahme läuft unter der Bezeichnung V3, also ziemlich weit oben im Regal. Also für die Höhe sollte ich eigentlich einen Hocker nehmen", "

sagt der Archivleiter, steigt auf die Regalbretter und greift nach oben.

" "So, hier haben wir jetzt das Originalband."

Mittlerweile ist der Waldkauzschrei aber auch digitalisiert - das Rauschen des Tonbandes allerdings bleibt. Und auch sie finden sich im Archiv - Aufgenommen in Russland und auf Magnetband archiviert: Wölfe beim gemeinsamen Heulen. Die einmalige Sammlung, die in fast 60 Jahren entstanden ist, mutet fast museal an: Reihenweise stehen hier vergilbte und handbeschriftete Papphüllen, in denen sich alte Magnettonbänder befinden. Eine Technik, die so schon lange nicht mehr genutzt wird - und ein Archivbestand, der bedroht ist, sagt Karl-Heinz Frommolt:

"Zur Zeit haben wir die Situation, dass es wirklich ein Wettlauf gegen die Zeit ist, die Tondokumente überhaupt noch zu erhalten, in absehbarer Zeit werden wir keine Technik mehr haben, um diese analogen Datenträger wiedergeben zu können. Und was wir jetzt in diesem kleinen Zeitfenster nicht schaffen zu digitalisieren, wird wahrscheinlich unwiderruflich verloren sein."

Denn die Bandmaschinen werden nicht mehr hergestellt - und auch Ersatzteile sind schwer oder gar nicht zu erhalten. Für die Forschung wäre ein Verlust der Aufnahmen fatal - denn für sie sind die Tierstimmen unentbehrlich. Verhaltensbiologen nutzen sie, um die Bedeutung der Tierlaute zu entschlüsseln. Doch auch Informatiker greifen auf die Aufnahmen zurück: Derzeit wird ein Computerprogramm entwickelt, das Tierstimmen automatisch erkennt. Die Zusammenarbeit von Archiv und Informatik ist dabei unentbehrlich, sagt Karl-Heinz Frommolt.

"Wenn man jetzt so eine akustische Mustererkennung machen möchte, dann braucht man ja erstmal das Vergleichsmaterial. Das heißt, man muss erstmal wissen, wie eine bestimmte Art ruft beziehungsweise singt. Und dieses Vergleichsmaterial haben wir hier bei uns im Tierstimmenarchiv. Und das war ja auch der Ausgangspunkt der Zusammenarbeit mit den Informatikern von der Universität Bonn, dass wir sagen mussten, die Bonner haben das Know-how, wie man Algorithmen entwickeln kann, und wir haben das notwendige Material, was die Informatiker brauchen, um diese Algorithmen zu testen."

So richtig funktioniert das Programm bisher allerdings nur für den Rohrschwirl. Die Doktorandin Martina Koch nimmt seinen Gesang elektronisch auf, kartiert und archiviert ihn - die Rohrschwirltöne sind natürlich bereits vollständig digitalisiert. Für einen Teil der historischen Aufnahmen steht diese Arbeit noch aus. Das Tierstimmenarchiv verfügt daher in einem gesonderten Raum über ein eigenes Studio.

"Wir befinden uns jetzt in unserem Tonstudio. Das ist also einer der Arbeitsplätze, wo wir dann auch die analogen Bänder digitalisieren. Sie sehen hier auf jeden Fall alte Bandmaschinen, mit denen die Bänder wiedergegeben werden. Daneben haben wir natürlich auch Kassettenrekorder, dann finden sie hier einen DAT-Rekorder, wir können also praktisch fast alle Medien hier einlesen und dann auf Festplatte bringen."

Rund 90 Prozent der historischen Aufnahmen sind bereits digitalisiert und auf Festplatte gespeichert. Eine mühsame Fleißarbeit, die in den Händen von Techniker Andreas Gnensch liegt.

"Also wir digitalisieren jetzt das Band, spielen das in den Rechner ein", "

sagt Andreas Gnensch, legt ein Magnetband auf die Maschine und drückt auf den Startknopf.

" "Das ist eine Nachtigall, die ist aufgenommen worden von Professor Tembrock, in Lübars. Dann wird eine Datei gemacht, die dann den lateinischen Namen bekommt, und die Bandnummer, Aufnahmenummer, und dann wird die archiviert, die Aufnahme."

Immer wieder schicken Sammler alte Magnetbänder an das Archiv. Und so lange die Bandmaschinen ihren Dienst nicht versagen, werden auch die neu zugesendeten Aufnahmen fleißig digitalisiert und katalogisiert - damit Wissenschaft oder auch einfach nur Liebhaber von Tierstimmen noch lange von den Aufnahmen profitieren können.