Wie im Film

Von Christian Geuenich · 25.12.2009
"Soul Kitchen", der neue Film von Erfolgsregisseur Fatih Akin, ist angelaufen. Im Zentrum des kulinarischen Komödie steht der Tavernen-Besitzer Zinos Kazantsakis, der vom Pech verfolgt wird. Gespielt wird dieser Wirt vom 35-jährigen Schauspieler Adam Bousdoukos, der lange Jahre selbst eine Taverne geführt hat und Co-Autor des Drehbuchs ist.
"Ich habe angefangen als Schauspieler, aber habe parallel immer in Bars gearbeitet, in Clubs und Cafés, um Geld zu verdienen, der Klassiker sozusagen. Aber neben der Schauspielerei habe ich auch einen Traum gehabt von einem eigenen Laden. Ich meine, wer hat das eigentlich nicht? Jeder hat mal Bock, eine Bar aufzumachen."

Realität oder Film, Film oder Realität? Bei Adam Bousdoukos verschmilzt beides. Er erinnert stark an sein filmisches Alter Ego, den chaotischen, aber liebenswürdigen griechischen Besitzer des heruntergekommenen Hamburger Lokals "Soul Kitchen". Der Schauspieler hatte bis vor kurzem selbst eine Taverne, die er im Gespräch immer nur "Den Laden" nennt. Er und das "Sotiris" in Hamburg-Ottensen dienten als Vorlage für Fatih Akins ersten Entwurf zu "Soul Kitchen". Anfang des Jahres hat der Schauspieler seinen 80 Quadratmeter großen Traum nach zehn Jahren verkauft. Die Miete war zu hoch und der Spagat zwischen Schauspieler und Tavernen-Besitzer extrem anstrengend.

"Ich habe da alles erlebt, was man erleben kann, mal Geld verdient, mal auch kein Geld verdient, Partys gemacht, Essen gekocht und Essen verkauft. Die Wahrheit war, irgendwann war das zuviel, weil als Chef musst du dich natürlich um alles kümmern."

Der Schauspieler und Co-Autor des Drehbuchs ist mit seinen 1,74 Metern nicht besonders groß und hat einen leichten Bauchansatz. Trotzdem ist er charismatisch, gutaussehend und ein echter Frauentyp. Er trägt eine dunkelgraue weite Hose, ein schwarzes Sweatshirt und Sneakers. Als er die schwarze Wollmütze absetzt, wirkt er mit seinen schulterlangen gelockten Haaren, den breiten Kotletten und den braunen warmherzigen Augen wie ein griechischer Jesus in Street Wear. Der schnoddrige Hamburger Dialekt scheint dem Film entsprungen zu sein oder umgekehrt.

Zinos: "Mir schmeckt mein Essen auch nicht, aber den Leuten schmeckts."
Shayn: "Die Leute wissen nicht, was schmeckt. Die Leute, die haben Löcher im Bauch und diese Löcher stopfen sie mit Dreck."
Zinos: "So ist das System."
Shayn: "Bist du Opportunist?"
Zinos: "Nein, aber wie soll ich das bezahlen. Das hier ist kein Feinschmeckertempel, das hier ist, was es ist."

In "Soul Kitchen" spielt Adam Bousdoukos den Besitzer eines Lokals im Hamburger Problemviertel Wilhelmsburg. Es läuft nicht gut für ihn. Seine Freundin zieht nach Shanghai, sein Bruder braucht als Gefängnis-Freigänger einen Alibi-Job in seinem Lokal, und das Gesundheitsamt steht genauso unangemeldet vor der Tür wie das Finanzamt. Als er dann noch einen Bandscheibenvorfall erleidet und daraufhin den exzentrischen Spitzenkoch Shayn engagiert, bleiben auch noch die wenigen Stammgäste aus. Ein amüsantes Chaos beginnt, und erneut verschwimmen Realität und Film, Film und Realität.

Auch Adam Bousdoukos wollte in seinem eigenen Laden einmal die Speisekarte umstellen, weg vom einfachen Klischee-Souflaki-Imbiss-Essen hin zur authentischen griechischen Küche seiner Mutter.

"Dann habe ich sie so kochen lassen zu Hause und habe daraus kleine Vorspeisen gemacht, was weiß ich am Tag so zehn verschiedene Kleinigkeiten, und die Leute konnten damit nichts anfangen. Die wollten halt ihren Teller, wo alles drauf ist und Pommes, Reis, Zaziki und Salat, alles auf einen Teller patschen, und das mochte ich irgendwie nicht so. Ich wollte, dass man viele kleine Sachen tapasmäßig auf dem Tisch hat, und jeder probiert mal von jedem."


Adam Bousdoukos ist 1974 in Hamburg geboren und mit zwei Brüdern als jüngster Sohn griechischer Gastarbeiter aufgewachsen. In der Schule ist er der Klassenclown, genauso wie Fatih Akin in der Parallelklasse. Die beiden Jungen aus Altona freunden sich an und drehen in der Video-AG zusammen ihren ersten Film.

"Nachdem wir diesen Film gedreht hatten, haben wir noch eine gestellte Talkrunde gemacht. Er hat einen schwulen Regisseur gespielt und ich einen italienischen Schauspieler, die über ihren Film reden. Das ist jetzt, wenn ich darüber nachdenke, ganz schön abgefahren und skurril, dass sich das so entwickelt hat."

Nach der 11. Klasse bricht Adam Bousdoukos die Schule ab. Nach zwei Jahren schmeißt er die Ausbildung zum Krankengymnasten, nach einem weiteren Jahr sein Studium der Sozialpädagogik. Mit Anfang 20 verlässt er Deutschland.

"Ich will erst mal alleine sein, ich will rausfinden, wer ich bin, was ich bin und was ich will, weißt du. Dann bin ich nach Griechenland gefahren, nach Athen, und habe gleich gemerkt, dass ich ganz schön alleine war. Und dann habe ich eine Frau kennengelernt, und die Frau hat mich dann ein bisschen in diese Welt eingeführt."

Er verliebt sich unsterblich und plant mit seiner Angebeten ein Leben auf einer griechischen Insel mit eigenem Haus, Esel und Ziegen. Nach drei Monaten kehrt er nach Hamburg zurück und verspricht ihr, als Schauspieler das nötige Geld dafür zu verdienen. Seine damalige große Liebe nennt ihn einen Träumer und trennt sich von ihm.

7"Und dann bin ich zurückgekommen und habe gesagt, okay Mann, alles klar, jetzt werde ich es ihr beweisen. Sie war im Grunde genommen ein Motor, dass ich dann so ein paar Gänge zugelegt habe. Das war ein Traum von mir, und du wirst das sehen, ich werde diesen Film drehen."

Sein Traum geht in Erfüllung. Mit 21 spielte er eine Hauptrolle in Fatih Akins Regiedebüt "Kurz und schmerzlos", einem Gangsterdrama im Migrantenmilieu. Seither hat Bousdoukos in nahezu jedem Akin-Film mitgespielt, bei "Im Juli" ist er auch auf dem Soundtrack zu hören.

Seine aktuelle Freundin hat seinen Laden geschmissen, während er "Soul Kitchen" gedreht hat. Sie gibt ihm die nötige Bodenhaftung, egal, was er in Zukunft machen wird.

"Ich mache jetzt auf jeden Fall Filme weiter, also die nächsten zehn Jahre auf jeden Fall erst mal. Und ich überlege, ob ich einen Laden noch mal aufmache oder nicht. Immer wenn ich einen leeren Raum sehe, wo ich denke, ey, das könnte was sein, dann kribbelt es natürlich immer in den Fingern, aber ich weiß, okay überleg es dir ganz genau. Keine Ahnung, manchmal sehe ich mich auch in Griechenland. Ich fahr da jetzt öfters hin, versuche mein Leben zu genießen."
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