Wie die Manns Tschechen wurden

"Prag empfing uns wie Verwandte"

Die Brüder Thomas (r.) und Heinrich Mann in München, 1930.
Die Brüder Thomas (r.) und Heinrich Mann im Jahr 1930. © Imago Stock & People
Von Peter Lange · 16.11.2016
Vor rund 80 Jahren lebten Thomas und Heinrich Mann bereits im Exil in der Schweiz und Frankreich. Um überhaupt den Pass eines Landes zu erhalten, half ihnen damals ein tschechischer Freund. So wurden die Mann-Brüder zu Tschechen. Eine kaum erzählte Geschichte.

Deutschlandradio-Korrespondent Peter Lange hat den deutsch-tschechischen Journalistenpreis erhalten. Hier das ausgezeichnete Stück zum Nachhören!

Im Sommer 1936 haben Thomas und Heinrich Mann ein Problem. Thomas Mann, im Exil in der Schweiz, hat keinen gültigen deutschen Pass mehr. Und sobald er sich offen als Nazi-Gegner zu erkennen gibt, muss er mit der Ausbürgerung rechnen. Bei Heinrich Mann, im Exil in Nizza, ist es umgekehrt. Ausgebürgert ist er schon, und demnächst läuft auch sein Pass ab.

Ein Textilfabrikant als Helfer in der Not

In dieser Situation kommt ihnen der Textilfabrikant Rudolf Fleischmann aus dem tschechischen Proseč zu Hilfe. Er sorgt dafür, dass der Stadtrat von Proseč den Manns das Heimatrecht zuerkennt, womit sie tschechische Pässe bekommen können. Nach der Okkupation der sogenannten Rest-Tschechei durch die Nazis geraten die Helfer der Manns selbst in Gefahr. Rudolf Fleischmann und seine Familie können gerade noch rechtzeitig nach Großbritannien emigrieren.
Es ist eine kaum erzählte Geschichte, auch nicht in Proseč. Dank ihres engagierten jungen Bürgermeisters Jan Machacek besinnt sich die Kleinstadt an der Grenze zu Mähren aber seit ein paar Jahren auf diesen Teil ihrer Geschichte, den sie nun wahrlich nicht zu verstecken braucht.

"Der Umweg würde zu Hitler führen"

Über Rudolf Fleischmann, den Unterstützer der Manns, sagt der Bürgermeister von Proseč in unserem "Zeitfragen"-Feature:
"Er war Buchhalter in der Fabrik seines Schwiegervaters Kosiner. Vielleicht hat er sich auch als Fabrikant präsentiert und hatte auch Aktien, einen Anteil an der Firma, als Schwiegersohn. Er war ein großer Bewunderer des Werks von Thomas Mann."
Das Feature von Peter Lange geht den Spuren der Manns in Tschechien nach. Dabei ist der Deutschlandradio-Korrespondent für Tschechien auch auf bemerkenswerte Zitate der Mann-Brüder aus der Zeit gestoßen. So schrieb Heinrich Mann im Juli 1936 an seinen Bruder:
"Indes geht es mit Österreich nunmehr zu Ende. Lässt Du Dich dort einbürgern? Der Umweg würde zu Hitler führen. Da lob’ ich mir doch meine Tschechoslowakei, den russischen Mutterflughafen. Der gute Fleischmann bewirbt sich um Dich, es wäre die Krone seines Lebens."

Peter Lange
Deutschlandradio-Korrespondent in Prag
"Ein bayrischer Braumeister namens Josef Groll war es, der 1842 den Bürgern von Pilsen gezeigt hat, wie man ein gutes Bier braut. - Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags von 1919 besitzt Tschechien noch immer ein eigenes Hafenbecken in Hamburg. – Heinrich und Thomas Mann waren, nachdem sie das NS-Regime ausgebürgert hatte, Staatsbürger der Tschechoslowakei.
Die deutsche und die tschechische Geschichte sind seit über tausend Jahren und bis in die Gegenwart hinein eng miteinander verwoben – politisch und wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich. In den Katastrophen des 20. Jahrhunderts ist dieser Verbund auseinandergerissen worden. Nun wächst langsam wieder zusammen, was einmal zusammengehörte. Das begleiten zu dürfen, zu beobachten, zu erzählen und zu analysieren, ist eine wunderbare Aufgabe und ein Privileg."
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Peter Lange© ©Deutschlandradio

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