Westerwelle hält Tornado-Einsatz für notwendig

Moderation: Jörg Degenhardt · 09.03.2007
Guido Westerwelle hat den Einsatz deutscher Tornados in Afghanistan als notwendig für den Schutz von Soldaten und Zivilbevölkerung bezeichnet. Eine Entsendung sei ernst und risikoreich, aber entscheidend für das Gelingen des Demokratisierungsprozesses in Afghanistan, sagte der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende.
Jörg Degenhardt: Es wird ernst. Der Bundestag entscheidet heute über den Einsatz von Aufklärungsflugzeugen in Afghanistan. Die sechs Tornados sollen für die von der NATO geführten ISAF-Truppen die Kämpfer der Taliban und von El Kaida aufspüren. Während die Koalitionsfraktionen eine weitgehende Zustimmung signalisierten, will die Linksfraktion die Mission geschlossen ablehnen. Die Grünen sind unentschieden und die Liberalen werden wohl mehrheitlich zustimmen. Jedenfalls hat ihr Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle dafür geworben. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen Herr Westerwelle.

Guido Westerwelle: Schönen guten Morgen Herr Degenhardt.

Degenhardt: Welches Argument ist für Sie das entscheidende, um den Einsatz der Aufklärungsflieger zu rechtfertigen?

Westerwelle: Ganz am Schluss ist vor allen Dingen auch entscheidend: ohne Aufklärungserkenntnisse vergrößern wir auch die Gefahr für unsere eigenen Bundeswehrangehörigen und für die Zivilbevölkerung.

Degenhardt: Gestern wurde ein Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe im eher als ruhig geltenden Norden Afghanistans erschossen. Wie risikoreich ist denn der Einsatz der deutschen Piloten im Süden, in dem es ja seit längerer Zeit heftige Kämpfe mit den Taliban gibt?

Westerwelle: Zunächst einmal gilt natürlich unser aller Mitgefühl den Angehörigen dieses Ermordeten und wir sind natürlich alle traurig darüber, dass jemand der beim zivilen Aufbau mitgearbeitet hat dann auch ermordet wurde und ums Leben kommt. Auf der anderen Seite zeigt dies natürlich: der Einsatz auch unserer deutschen Soldaten und unserer zivilen Aufbauhelfer im Norden von Afghanistan ist eben keineswegs der Spaziergang, für den er gelegentlich gehalten wird, sondern das ist ein risikoreicher, gefährlicher Einsatz, der hier für unser Vaterland, für Deutschland und auch für den Frieden geleistet wird. dass der Einsatz im Süden ebenfalls gefährlich ist, das darf nicht verschwiegen werden. Deswegen wissen wir auch, wenn wir heute diesen Aufklärungseinsatz im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit beschließen werden, das ist eine ernste Entscheidung, eine risikoreiche Entscheidung, aber eine Entscheidung, die notwendig ist, um auch unsere Soldaten zu schützen, die Zivilbevölkerung zu schützen und vor allem natürlich auch um einen Beitrag dafür zu leisten, dass es keine Rolle rückwärts gibt in die grausame Zeit der Taliban.

Degenhardt: Die Bundesregierung schließt einen Kampfeinsatz der Tornados, die mit Luft-Luft-Raketen und Bordkanonen ausgestattet werden können, aus. Was ist aber im Notfall? Würden die Piloten dann auch für NATO-Partner Angriffe fliegen? Die Frage ist doch nicht geklärt oder?

Westerwelle: Die Tornado-Flugzeuge sind Aufklärungsflugzeuge und sie sollen auch Aufklärungserkenntnisse dann jeweils an uns, an die Bündnispartner weitergeben. Das ist vor allen Dingen auch deshalb notwendig, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass in diesem Frühjahr die Taliban eine weitere Frühjahrsoffensive starten, und dagegen müssen natürlich auch wir und unsere Verbündeten gewappnet sein. Wir wollen ja nicht vergessen: hier wird Afghanistan, das durch die Taliban ein terroristischer Staat gewesen ist, zurückgeführt in die zivile friedliche Völkergemeinschaft. Dieses Projekt, dieses große Projekt muss gelingen. Viele Menschen sind wieder frei. Sie werden nicht mehr gefoltert, unterdrückt und man darf auch nicht vergessen, dass sehr viele Frauen und Mädchen endlich wieder einigermaßen frei leben können. Sie können die Schule wieder besuchen, sie können wieder arbeiten. All das war vorher nicht möglich durch die Unterdrückung und deswegen halte ich es unverändert auch für richtig, dass die Vereinten Nationen seinerzeit auch diesem Afghanistan-Einsatz grünes Licht gegeben haben.

Degenhardt: Aber gerade gestern, am internationalen Frauentag, habe ich von Vertretern aus Afghanistan gehört, dass man dort in Fragen der Gleichberechtigung zu früheren Jahren viel weiter war als in letzter Zeit. Die Frage ist: warum ist es bisher nicht gelungen, Afghanistan militärisch zu stabilisieren? Warum sind die Taliban immer noch oder schon wieder da?

Westerwelle: Erst eine Bemerkung noch zur Gleichberechtigung. Niemand behauptet ja, dass wir in Afghanistan schon in dem Stadium wären, das wir uns wünschen, denn wir alle haben natürlich auch die negativen Entwicklungen im Kopf dabei. Wir wissen was den Drogenanbau angeht. Wir wissen auch um das große Problem der Korruption. Das soll ja alles nicht verschwiegen werden. Aber in der Abwägung ist es richtig, diesen Afghanistan-Einsatz fortzuführen. Wir wollen auch bitte nicht vergessen, dass während der Zeit der Taliban Frauen und Mädchen nicht zur Schule gehen konnten, nicht arbeiten durften und dass jetzt mehr als ein Viertel der Abgeordneten des afghanischen Nationalparlaments Frauen sind. Das heißt also diejenigen, die auch kritisch diesen Einsatz betrachten und bewerten – das ist ihr gutes Recht -, wollen bitte nicht die Fortschritte vergessen und ignorieren.

Degenhardt: Wir reden jetzt wie gesagt über eine Hand voll Tornados. Braucht es nicht stärkere militärische Bemühungen der NATO und damit auch der Deutschen, um die Lage endgültig in den Griff zu kriegen, denn momentan sind die Taliban wie gesagt wieder am Erstarken?

Westerwelle: Ob sie am Erstarken sind, das warten wir ab. In jedem Fall dürfen wir den Kampf gegen diese Terroristen nicht aufgeben. Das ist auch eine Frage unserer europäischen Sicherheit. In dem Augenblick, wo Afghanistan den Taliban wieder überantwortet würde, müssen wir davon ausgehen, dass auch dort wieder Rückzugsräume für den internationalen Terrorismus geschaffen werden mit El Kaida, mit anderen Organisationen, wie das bisher ja schon der Fall gewesen ist. Deswegen ist es auch richtig, dass dieser Einsatz in Afghanistan zum Erfolg geführt wird, für Frieden und für Freiheit. Das heißt, dass wir auch unsere Beiträge leisten müssen. Wenn die Bündnispartner sagen, wir brauchen diese Aufklärungskapazität, ihr seid in der Lage, uns die Aufklärungsergebnisse zu bringen, damit wir auch besser unsere eigenen Leute schützen können, sollten wir dieses tun. Wir sind ja mit knapp 3000 Soldaten im Norden in Afghanistan bereits wirklich fleißig und auch sehr risikoreich dabei. Das wissen wir alle. Das ist ein sehr schwieriger Einsatz. Es geht aber auch um den Schutz unserer Soldaten. Wir haben diese Tornado-Flugzeuge. Das sind ja keine Angriffsflugzeuge, sondern Aufklärungsflugzeuge, auch von der technischen Ausstattung her. Diese Ergebnisse die wollen wir haben. Man stelle sich vor: einer unserer Soldaten oder auch einer unserer Verbündeten oder auch ein ziviles Dorf würde deshalb von terroristischen Angreifern zerstört oder auch vielleicht ums Leben gebracht, weil wir Deutsche uns weigerten, Aufklärungserkenntnisse, die wir erreichen können, nicht zu erzielen.

Degenhardt: Zum Schluss und weil ich den Chef der größten Oppositionspartei in Deutschland am Telefon habe noch eine Frage zu einem anderen Thema, zum Klimagipfel in Brüssel. Der könnte ja zu einer Erfolgsgeschichte werden, wie es sie so auf europäischer Ebene noch nicht gegeben hat. Oder sehen Sie das anders?

Westerwelle: Ich hoffe sehr, dass wir Deutsche mit der EU-Ratspräsidentschaft großen Erfolg haben. Ich wünsche auch der Bundeskanzlerin bei ihrer Präsidentschaft in Europa sehr viel Erfolg, gerade auch was deutsches nationales Interesse angeht und natürlich auch was den Klimaschutz weltweit angeht. Es ist richtig, dass wir uns in Europa ehrgeizige Klimaschutzziele setzen, ausdrücklich auch in der Energiepolitik. Es ist aber falsch, Energiepolitik ideologisch zu machen. Richtiger wäre es, auf einen Energiemix zu setzen. Deswegen ist es richtig, wenn auch andere Länder Deutschland vorhalten, wir brauchen beides: regenerative Energien, aber auch die Spitzenkerntechnologie, weil die eben kohlendioxidfrei Energie erzeugt.

Degenhardt: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war der Partei- und Fraktionschef der Liberalen Guido Westerwelle. Vielen Dank für das Gespräch.

Westerwelle: Auf Wiederhören!