Werbetexter der Geschichte

17.05.2013
Ein viertelstündiger Werbespot beendet 15 Jahre Diktatur: Das ist – arg verkürzt – der Kern des Endes des Pinochet-Regimes in Chile. Skármetas Roman dreht sich um die Entstehung dieses Wunders, das er glaubhaft und in klarer Sprache erzählt.
Romane mit historischem Hintergrund haben oft den Nachteil, dass man von Beginn an weiß, wie es ausgeht. Antonio Skármeta lässt seine Geschichte 1988, im Jahr der Volksabstimmung in Chile spielen: Nach 15 Jahren Diktatur lässt das Regime unter General Augusto Pinochet unter dem Druck des wirtschaftlichen Einbruchs das Volk über eine Fortführung der Militärherrschaft abstimmen, die das Land seit dem Putsch von 1973 niederhält. Das Ergebnis ist bekannt: 56 Prozent der Chilenen votierten mit "Nein".

Um dieses "Nein" kreist der Roman Skármetas: Hauptfigur ist Nico Santos, Sohn eines Philosophieprofessors an seiner Schule. Nico ist liiert mit Patricia Bettini, deren Vater erfolgreicher Werbetexter war, der aber, seit das Regime an der Macht ist, als Oppositioneller kaum mehr Aufträge erhält.

Nun steht er vor der Herausforderung seines Lebens: Da das Regime der Opposition eine Viertelstunde Wahlwerbung im Fernsehen einräumt, soll Bettini die "Nein"-Kampagne leiten. Doch so gute Ideen ihm sonst kommen, in diesem Fall sieht sich Bettini einer unlösbaren Aufgabe gegenüber: Das Regime hatte jahrelang mit seinen Botschaften die Gehirne der Chilenen verklebt, diese sind im Lauf der Zeit abgestumpft und illusionslos geworden. Die Opposition ist ein fragiles Bündnis aus 16 höchst unterschiedlichen Parteien, die nur eines eint: Die Diktatur Pinochets zu beenden.

Bettini quält sich lange, die richtige Strategie für seinen Wahlkampfspot zu finden. Bis zur Hälfte des Buches ist er sich weder über Sujet noch Umsetzung klar. Widerwillig und keineswegs überzeugt setzt er schließlich Ideen seiner Tochter und des künftigen Schwiegersohns um: Eine Positiv-Kampagne mit dem Regenbogen als Zeichen der Vielfalt, der Donauwalzer mit "No, no"-Text. Und das Wunder passiert: Das Land erwacht nach der Fernsehausstrahlung aus seiner Starre, die Chilenen summen den No-Walzer, scheinen neue Energien gewonnen zu haben.

Es liest sich wie ein modernes Märchen, dass 15 Minuten Fernsehspot eine Diktatur zu Fall bringen können. Doch Skármeta gelingt es, das plausibel zu erzählen. Dabei zieht er wie einen Vorhang mit Ausstrahlung des Spots das Grau, die Depression und latente Angst zur Seite, lässt Farben in sein Buch dringen und spürbar werden, was es den Menschen bedeutet, die Freiheit zu erlangen. Eine Freiheit, die sich symbolisch in Nico und seiner Freundin Patricia manifestiert.

Der Autor schreibt in einer klaren, einfachen Sprache. Das Adjektiv ist die von ihm am Sparsamsten eingesetzte Wortart, doch sie fehlt nicht. Auch so kann Skármeta die Atmosphäre vermitteln. Wenn er die Szenen beschreibt, in denen Nicos Vater aus der Klasse weg verhaftet wird, wenn vor dem Haus Autos ohne Nummernschilder warten oder man beim Telefonat vorsichtig ist, wird spürbar, wie bedrückend der Alltag in einem Land ist, das seit anderthalb Jahrzehnten mit plötzlichen Verhaftungen, Verschwinden von Personen, Folter und politischem Mord leben muss.

Der Aufbau von "Die Tage des Regenbogens" folgt zwei Erzählsträngen, die sich ergänzen und überlagern. In den kurzen Kapiteln folgt die Handlung zum einen dem Schicksal des Werbetexters Bettini, zum anderen dem Ich-Erzähler Nico. Immer aber bleibt es ein einziger Roman in konstantem Fluss, der sich leicht in einem Zug fertig lesen lässt. Skármeta ist mit diesem Buch unterhaltsame wie anspruchsvolle Lektüre gelungen, die zudem den Blick auf ein Land in einer düsteren Epoche wirft, die unserem Gedächtnis schon zu entschwinden droht.

Besprochen von Stefan May

Antonio Skármeta: "Die Tage des Regenbogens"
Aus dem chilenischen Spanisch von Stefanie Gerhold
Graf Verlag, München 2013
256 Seiten, 18 Euro
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