Wenn's mal klemmt - geh zu WAGO …

Von Isabella Kolar · 06.05.2009
Ich hatte mich akribisch vorbereitet: alle Arbeitsämter durchtelefoniert (auch die Hotlines mit den Endlosschleifen) bis ich auf dem 11. Längengrad in Sondershausen in Thüringen angekommen war und die gesamte Arbeitslosenstatistik aus dem Kyffhäuserkreis durchgeackert, in dem Sondershausen liegt.
Unsere Sendung am 6. Mai sollte aus der dortigen Agentur für Arbeit kommen. Hohe Arbeitslosigkeit kennzeichnet diese Region seit Jahren, die höchste in ganz Thüringen, im März lag die Arbeitslosenquote bei 19,3 Prozent. Freudig und pünktlich stürme ich in das Büro von Geschäftstellenleiter Wolfgang Kucher. Er lächelt gequält: "Schlechte Nachrichten", sagt er. Der Arbeitslose, der bereit war, mit uns live zu reden, hat mittlerweile Arbeit gefunden. Schön für ihn, schlecht für uns.

Zwei Stunden bearbeite ich Herrn Kucher und eine seiner Beraterinnen, andere Arbeitslose anzusprechen. Sie sehen keine Chance, bis zum 6. Mai jemanden zu finden: Wer arbeitslos ist, will nicht unbedingt im Radio auftreten und seine Geschichte erzählen. Frustriert verlasse ich das Arbeitsamt, ich habe nur noch wenige Stunden, um ein Thema in Sondershausen zu finden, ein verschlafenes Örtchen mit 33.000 Einwohnern. Der Himmel ist blau, die Straßen sind leer.

Ich telefoniere mit einem Bergwerk: Bergbau hat hier Tradition, doch der Gesprächspartner desillusioniert mich gleich: 700 Meter muss man in die Tiefe fahren, zu tief für unsere Technik. Dann noch ein Unternehmen, das Kunststoffröhren herstellt. Aber es ist so weit von Sondershausen entfernt, dass es nicht mehr auf dem 11. Längengrad liegt. Auf dem Weg hatte ich mir die Nummer einer Praxis für Ergotherapie notiert: leider nur der Anrufbeantworter. Mittlerweile ist es 15 Uhr, mein Magen knurrt, der Himmel ist immer noch unverschämt blau, die Sonne lacht (mich aus), die Straßen sind immer noch leer.

Ich blicke um mich: ein langweiliger Platz, ein paar Tante-Emma-Läden, ein Gyros-Stand, die totale Ruhe, Sondershausen ist gegen mich, woher sollte hier der Meridian 11 kommen? Ich blättere ein letztes Mal in meinen Unterlagen, da ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont: WAGO sein Name. Der Hoffnungsschimmer wird zur Rettung in Not: eine halbe Stunde später stehe ich vor den riesigen Produktionshallen des größten Arbeitgebers der Kyffhäuserregion. WAGO stellt Klemmen her und hat damit weltweit die Elektrotechnik revolutioniert. Und einen aktuellen Aufhänger gibt es auch: Seit dem 1. März hat das Unternehmen wegen der Wirtschaftkrise Kurzarbeit.

Der Chef von WAGO gibt mir telefonisch von der Hannover-Messe das Okay zur Besichtigung. Produktionsleiter Hampl erklärt mir technischer Niete erst einmal geduldig, was so eine Klemme ist und was sie kann und warum diese kleinen Plastikteile mit den vielen Löchern und Drähten, durch die der Strom fließt, dafür sorgen, dass ich mit meinem ICE nachher wieder nach Hause, nach Berlin fahren kann. Er führt mich durch die Produktionshallen und innerhalb von einer Stunde ist die Geschichte rund: Wir begleiten die Produktion einer Klemme vom bloßen Draht bis zum Abtransport in der Kiste.

Es lebe die Klemme von WAGO, die mich aus der Arbeitsamt-Klemme gerettet hat! Sie hat nicht nur die Elektrotechnik, sie hat auch das Radio revolutioniert!

Oh, pardon, schon klar: im Deutschlandradio gibt es keine Werbung. Nur wenn's klemmt …