Wenn Roboter Krieg führen

04.04.2013
Zwar seine Roboterkriege (noch) Fiktion, doch wer ermessen will, was in der gerade erst einsetzenden öffentlichen Debatte über Drohnen auf dem Spiel steht, findet derzeit kaum einen spannenderen Beitrag als dieses Buch des amerikanischen Erfolgsautors Daniel Suarez.
Sie heißen Reaper oder Predator und sind die neue Lieblingswaffe der Militärs. Aus der Luft überwachen sie unübersichtliches Gelände und ganze Stadtviertel, sie töten zielgenau und gefahrlos für den Angreifer: unbemannte Drohnen. Über die Ethik dieser neuen Waffengattung wird derzeit heftig diskutiert. Noch werden die Flugroboter von Soldaten auf der Heimatbasis ferngelenkt. Was aber wäre, wenn ausgeklügelte Algorithmen irgendwann die Menschen ersetzen und die Drohnen sich selber steuern? Und nicht mehr als Einzelwaffe sondern als Schwarm mit kollektiver Intelligenz zum Einsatz kommen? Dieses beängstigende Szenario entwickelt der amerikanische Bestseller-Autor Daniel Suarez in seinem neuen Thriller "Kill Decision".

Die Ausgangslage: Mysteriöse Terroranschläge erschüttern die USA. Ein geheimes Spezialkommando des US-Militärs unter Führung des Elitesoldaten "Odin” soll die Urheber der Attacken ausfindig machen und stößt dabei auf einen furchterregenden Gegner: autonome Drohnen, die im Schwarmverbund zu Tausenden angreifen. Zu Odins Truppe stößt die Biologin Linda McKinney, deren Computermodelle des Schwarmverhaltens kriegerischer Weberameisen sich die unerkannt bleibenden Drohnenentwicker zunutze gemacht haben.

Mit chemischen Sensoren erkennen die Drohnen nicht nur die Geruchssignatur von Menschen, sondern koordinieren sich untereinander über Duftstoffe wie die Ameisen mit ihren Pheromonen. Einmal losgelassen, wird solch ein Roboterschwarm aus einfachen elektronischen Bauteilen zur perfekten anonymen Waffe.

"Kill Decision" ruft die sattsam bekannten Genre-Standards auf: böse Mächte aus dem Innern des militärisch-industriellen Komplexes. Bis an die Zähne mit den allerneuesten Gadgets bewaffnete Helden, die Tom Cruise in Mission Impossible alt aussehen lassen. Überraschende bis abstruse Plotwendungen, actionreiche Kampfszenen mit ebenso hohem Unterhaltungs- wie Explosionsfaktor sowie die unvermeidliche, wenn auch angenehm knapp abgehandelte Love Story.

Interessant macht das Buch jedoch nicht allein die zugrundeliegende Prämisse: Zwar wirft Suarez die moralische Frage nach den Konsequenzen der Automatisierung des Krieges und der Übertragung der titelgebenden Tötungsentscheidung an Maschinen auf. Sein Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Erkundung des technisch Machbaren.

So ist sein faktengesättigter Thriller auch ein Crash-Kurs in aktuellen Computertechnologien: Videoüberwachung, Mustererkennung und KI, Datenklau und Industriespionage werden ebenso informiert abgehandelt wie Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken. Dazu kommen Erkenntnisse über die Machenschaften von Waffenlobbyisten, die soziale Organisation von Insekten, die Intelligenz von Raben oder die arabische Heavy-Metal-Szene. Mit hoher Detaildichte extrapoliert der ehemalige IT-Spezialist Suarez aus bereits heute verfügbaren Technologien eine düstere Welt von morgen. Zwar sind seine Roboterkriege (noch) Fiktion, doch wer ermessen will, was in der gerade erst einsetzenden öffentlichen Debatte über Drohnen auf dem Spiel steht, findet derzeit kaum einen spannenderen Beitrag als dieses Buch.

Besprochen von Philipp Albers

Daniel Suarez: Kill Decision
Thriller
Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013
495 Seiten, 12,99 Euro