Wenn Kriegsschiffe Hundenamen bekommen

10.09.2007
Ein britischer Offizier im Ersten Weltkrieg: Sein Auftrag lautet, die deutsche Flotte in Ostafrika zu besiegen. Doch bis es zum Angriff kommt, vertreibt sich der Brite die Zeit damit, seine Schiffe "Mimi", "Toutou" und "Fifi" zu taufen. Währenddessen diskutieren die Deutschen mit den Massai über Karl Marx.
Zehn Bücher hat er schon geschrieben, der 1961 in Frankreich geborene und heute in der Schweiz lebende Schriftsteller Alex Capus. Schon bei seinem Debütroman 1997 "Munzinger Pascha" waren die Kritiker begeistert. Mittlerweile ist Alex Capus nicht nur zum Liebling der Kritiker sondern auch zum Liebling der Leser avanciert.

Capus' neuer, fünfter Roman "Eine Frage der Zeit" entführt den Leser - wie auch schon sein erster Roman - nach Afrika. Der historisch authentische Tatsachenroman beginnt allerdings in Deutschland, im Emsland auf der Papenburger Meyer-Werft, wo heute die großen Kreuzfahrtschiffe vom Stapel laufen. Dort wird am 20. November 1913 ein Dampfer auf den Namen "Graf Goetzen" getauft, bestimmt für die deutsche Kolonie in Ostafrika, Zielort Tanganikasee.

Der fertige Dampfer wird zerlegt, in Kisten verpackt und mit Schiff und Bahn dorthin transportiert. Mit auf dieser Reise sind drei Papenburger Werftarbeiter: brave, rechtschaffene Sozialdemokraten, die das Schiff am Tanganikasee wieder zusammen bauen sollen. Dann aber bricht der Erste Weltkrieg aus. Der kleine Dampfer "Goetzen" wird zum Kriegsschiff, und die drei Werftarbeiter werden in die absurden militärischen Auseinandersetzungen auf dem Tanganikasee verwickelt.

Denn dort erscheint eine andere Hauptfigur des Romans, ein britischer Offizier mit zwei kleinen bewaffneten Ausflugsbooten. Diese hat er 2500 Kilometer durch den Dschungel transportiert, um die Deutschen zu schlagen. Dieser Teil der Geschichte diente schon einmal als Vorlage für einen anderen Roman bzw. für den Film "African Queen" mit Humphrey Bogart.

Bevor es aber zum Showdown kommt, richten die Deutschen erstmal einen Biergarten am Ufer des Tanganikasees ein. Die drei Werftarbeiter beginnen, die Afrikaner mit Karl Marx zu agitieren, werden aber speziell von den Massai in hochintellektuelle philosophische Diskussionen verwickelt. Denn die Massai sprechen als Bürger der deutschen Kolonie deutsch - allerdings mit schwäbischem oder kölschem Dialekt, je nach dem, welchen Lehrer sie hatten.

Die ganze Situation entwickelt sich zur Farce: Der britische Offizier auf der anderen Seite des Sees tauft seine Kriegsschiffe auf die Hundenamen Mimi, Toutou und Fifi, während die betroffenen Menschen selbst weiterhin versuchen, in Würde zu überleben. Dies ist das zentrale Hauptthema in Capus´ schriftstellerischer Arbeit.

"Eine Frage der Zeit" ist ein herrlich schrulliger, spannend erzählter und klar komponierter Roman zwischen Gorkis "Sommergäste" und Mark Twain - ein hervorragend beobachtender Roman mit liebevoll portraitierten Charakteren und mit jenem für Capus so typischen feinsinnigen Humor sowie jener stillen Liebe für Skuriles.

"Eine Frage der Zeit" wird mit Sicherheit wieder ein Bestseller. Capus geht unbeirrbar seinen Weg, aus historischen und politischen Topoi große humanistische Grundfragen abzuleiten, ohne jemals zu moralisieren. "Eine Frage der Zeit" ist filigrane Literatur und dabei höchst unterhaltsam mit einem enormen Sog: Ein Buch zum Träumen, zum Schmunzeln, zum Nachdenken, das einem im Gedächtnis bleibt. Oder nennen wir es eine sehr schweizerische Hommage an T.C. Boyles Roman "Wassermusik".

Rezensiert von Lutz Bunk

Alex Capus: "Eine Frage der Zeit"
Knaus Verlag, München 2007
304 Seiten, 19,95 Euro