Wenn die Sonne verglüht

Dietrich Lemke im Gespräch mit Katrin Heise · 19.12.2012
Wenn Apokalyptiker Panikmache betreiben, hilft die Astronomie: Die Welt geht nicht am 21.12.12 unter, wie manche Auguren prophezeien, sondern erst in einigen Milliarden Jahren. Dann wird die Sonne sich zunächst aufblähen und die Erde unbewohnbar machen, sagt der Astrophysiker Dietrich Lemke.
Katrin Heise: Am 21. Dezember wird allen Prophezeiungen zum Trotz die Welt nicht untergehen. Auch alle anderen früheren und künftigen Prophezeiungen dieser Art haben eines gemein: Sie treffen nicht ein. Die einzige Vorhersage, die mit hundertprozentiger Sicherheit eintreffen wird, ist die Voraussage der Astronomen über das physikalische Ende der Erde – und zwar, wenn die Sonne endgültig ausgebrannt ist. Nach früheren Berechnungen sollte dies in etwa vier Milliarden Jahren sein, nach etwas neueren Berechnungen könnte es aber schon in weniger als einer Milliarde Jahre sein, dass die Erde unbewohnbar wird. Oder wird ein anderes kosmisches Ereignis vielleicht das Leben auf der Erde unmöglich machen? Professor Dietrich Lemke vom Max-Planck-Institut für Astronomie kann uns in diesen Fragen weiterhelfen. Ich grüße Sie, Herr Lemke, schönen guten Tag!

Dietrich Lemke: Ja, guten Tag!

Heise: Herr Lemke, Erde und Sonne stehen im Moment ja in einem für die Erde sehr guten Verhältnis, das wird sich offenbar ändern in weit entfernten Zeiten. Was geschieht mit der Sonne, warum sprechen wir von einem Ausbrennen der Sonne?

Lemke: Ja, das Schicksal der Erde – und das interessiert uns ja mehr als das der Sonne, das ist aber untrennbar mit dem der Sonne verbunden. Wenn wir einen kurzen Blick darauf werfen, wie wir entstanden sind, das ist vor etwa viereinhalb Milliarden Jahren, da hat sich eine große interstellare Wolke aus Staub und Gas zusammengeballt, im Zentrum dieser Wolke entstand ein heißer Stern, unsere Sonne, und weit draußen in einer Staubscheibe entstanden einige Planeten. Einer davon die Erde, in einem glücklichen Abstand, ein felsiger Planet – glücklicher Abstand, damit ist gemeint, wir sind 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Die Strahlung ist gerade so intensiv, dass auf der Erde flüssiges Wasser erhalten bleibt. Und dieser Planet Erde ist zum Glück auch so groß, dass er eine Atmosphäre, die für das Leben notwendig ist, an sich binden kann. Unsere Nachbarplaneten könnten das alle schon nicht.

Wenn wir jetzt also das weitere Schicksal der Erde vergleichen, die von der Sonne lebt und mit ihr entstanden ist, dann müssen wir uns das Schicksal der Sonne anschauen. Wir wissen, dass die Sonne ihre Energie, ihre gewaltige Energie durch Kernverschmelzung von Wasserstoff zu Helium gewinnt, in einem lang anhaltenden Prozess. In jeder Sekunde verbrennen auf der Sonne etwa 560 Millionen Tonnen Wasserstoff zu Helium. Heraus kommen vier Millionen Tonnen weniger Wasserstoff, also 0,8 Prozent weniger Masse ist dann in Helium vorhanden. jetzt wissen wir, wie schwer die Sonne ist, aus himmelsmechanischen Überlegungen, und können danach ausrechnen, wie lange der Kernbrennstoff noch reichen wird, und das sind etwa sieben Milliarden Jahre.

Heise: Und wenn dieser Kernbrennstoff nicht mehr ausreicht, dann ist die Sonne ausgebrannt. Wie reagiert sie da vorher, nachher, und was hat das für die Erde für Folgen? Ich meine, dann wird es kalt hier, aber vorher wird es ja erst mal heiß.

Lemke: Ja, also wir wollen mal nicht gleich auf das Ende in sieben Milliarden Jahren gucken, wenn die Sonne zu einer kleinen Sternenleiche, einem weißen Zwerg, verkommt, sondern uns die Jahre vorher anschauen.

Also bei diesem Prozess, der ganz im Inneren stattfindet, nämlich dass Wasserstoff zu Helium verschmilzt, bildet sich immer mehr Asche im Zentrum des Helium. Da reicht die Temperatur vorläufig nicht aus, um das Helium auch zu schwereren Elementen zu verschmelzen, deswegen frisst sich dieses Wasserstoffbrennen in einer Schale langsam nach außen, und das ist natürlich auf der Oberfläche sichtbar. Also in etwa sechs Milliarden Jahren wird die Sonne ihren Durchmesser verdoppelt haben bei etwa gleichbleibender Temperatur außen. Die Sonnenoberfläche hat so knapp 6.000 Grad.

Das heißt also, wenn sie größer wird, wird auch die Leuchtkraft größer, und wir kriegen entsprechend mehr Strahlung auf der Erde ab. Aber wir müssen schon noch auf einen Moment vorher gucken, sie muss noch gar nicht ihre Größe verdoppelt haben, in etwa einer Milliarde Jahre, wenn also die Leuchtkraft schon etwa zehn Prozent größer geworden ist, werden die Temperaturen auf der Erde um etwa 30 Grad ansteigen, und das ist schon ein enormer Wert, den heutige Menschen wahrscheinlich kaum überleben würden.

Aber dann, nach etwa sieben Milliarden Jahren oder kurz vorher, bläht sich die Sonne, weil eben der Wasserstoff in einer Schale nach außen brennt, im Inneren sammelt sich immer mehr schweres Helium an, das zündet dann auch unter dem gewaltigen Druck und verbrennt zu immer schwereren Elementen. Dabei bläht sich die Sonne auf, wird wieder kleiner, bläht sich auf, also ein schneller Wechsel, und nach diesen einigen Milliarden Jahren ist die Erde inzwischen so heiß geworden, dass die Ozeane zu verdampfen beginnen – das passiert etwa, wenn das Wasser 50 Grad hat, über Jahrmillionen verdampft alles Wasser auf der Erde, das steigt in die hohe Atmosphäre, die intensive Sonnen-Ultraviolett-Strahlung zersetzt dieses Wasser – H2O ist ja Wasser – in H und O, der Wasserstoff, also das H, geht komplett verloren, die Erde trocknet vollkommen aus, also nach einigen Milliarden Jahren haben wir eine leere Wüste.

Leben ist da nicht mehr möglich, also nach spätestens sechs Milliarden Jahren ist jedes Leben auf der Erde erloschen, da dazu also in jedem Falle Wasser notwendig ist, ohne Wasser ist kein Leben in der Form, wie wir es kennen, vorstellbar.

Heise: Und am Ende des ganzen Prozesses, also nach sieben oder acht Milliarden Jahren, würden Sie da sagen, da ist sowohl die Erde als auch die Sonne als auch das Sonnensystem untergegangen?

Lemke: Das kann man so sagen, ja. Die Sonne stößt, da sie ja immer kompakter wird in Inneren, und sich dabei so weit ausgedehnt hat, sie kann die äußeren Schichten nicht mehr halten. Die äußeren Schichten fliegen davon, die Sonne wird leichter. Am Ende bleibt von der Sonne nur ein sogenannter weißer Zwergstern, der keine Energie mehr gewinnen kann, übrig, der langsam über Jahrmilliarden ausglüht, vorher umkreist ihn die Erde noch, schließlich spiralt die Erde in die Sonne und verglüht wie eine Schneeflocke im offenen Feuer.

Heise: Aus dem Weltuntergang machen wir hier im "Radiofeuilleton" also einen Untergang des Sonnensystems, erklärt von Astrophysiker Dietrich Lemke. Herr Lemke, dieses Ausbrennen der Sonne, das ist berechenbar, aber in ferner Zukunft eben – wir sprechen von Milliarden von Jahren. Sind andere kosmische Ereignisse denkbar, die vor dieser Zeit das Leben auf der Erde vernichten würden?

Lemke: Ja, auf jeden Fall. Also die Sonne, die uns das Leben erhellt, mit der könnten wir noch einige hundert Millionen Jahre auf der Erde leben, also da ist überhaupt keine Gefahr gegeben. Aber es gibt andere Ereignisse, Sie haben es schon angesprochen, das sind Asteroideneinschläge, und da kennen wir aus der Vergangenheit ja eine ganze Menge – berühmt ist dieser Dinosaurier-Killer –, oder es können mittelgroße Asteroiden in der Atmosphäre explodieren, so wie das beim Tunguska-Meteoriten geschehen ist, zum Glück in einer unbesiedelten Gegend, sodass außer einigen Rentieren niemand zu Schaden gekommen ist, solche Ereignisse gibt es. Nun kann man auch fragen, wie häufig sind sie ...

Heise: Und wie wahrscheinlich sind sie?

Lemke: Ja, sie finden laufend statt. Wir haben ja diesen Asteroidengürtel mit Tausenden von Objekten. Einzelne kommen der Erde immer relativ nahe – mit relativ nahe meine ich einige Millionen Kilometer –, ab und zu kommt einer der Erde natürlich dann auch so nahe, dass er hier wirklich einschlagen kann.

Heise: Aber kann er denn tatsächlich zum Erduntergang, zum Untergang der Erde führen?

Lemke: Ist sehr unwahrscheinlich. Also der größte, den wir kennen, ist der, der die Dinosaurier zum Aussterben gebracht hat. Der Krater ist auf der Halbinsel Yukatan mit einem Durchmesser von, glaube ich, 180 Kilometern. Dieses Beispiel zeigt schon, dass wir nicht immer nur an Katastrophen denken bei einem solchen Einschlag, dieser große Meteorit, der hat ja die Erde für lange Zeit verfinstert, die Dinosaurier sind wahrscheinlich verhungert. Ihr Aussterben hat aber eine andere unscheinbare Art, nämlich die Säugetiere hervorgebracht, die sich viel besser anpassen konnten, und aus denen dann in den letzten Millionen Jahren auf der Erde die Menschen entstanden sind.

Heise: Ist es eigentlich denkbar, dass aus dieser unscheinbaren Art der Säugetiere und am Ende den Menschen, wenn es dem Erduntergang, den wir vorhin heraufbeschworen haben, entgegen geht, wäre es da aus heutiger Sicht physikalisch denkbar, dass sich die Erdbewohner vielleicht eine neue Heimat suchen würden?

Lemke: Ich glaube, das ist sehr unwahrscheinlich. Woran natürlich zunächst einmal gedacht wird, ist, dass man mit einem Raumschiff zu einem Planeten bei einem anderen Stern fliegt. Wir kennen ja inzwischen einige Hundert Planeten, die sind aber alle bisher unbewohnbar, das heißt, zu heiß, oder es gibt keine Atmosphäre. Und die ganz wenigen sind nur felsig, die wir kennen.

Aber wir werden sicher Erdähnliche finden, aber die sind furchtbar weit weg, also sagen wir mal, die Nachbarsterne, wo man vielleicht was finden könnte, wären 20, 30 Lichtjahre, das sind schon ganz nahe Sterne, da gibt es schon auch ein paar Hundert. Wenn wir dort hinfliegen wollten – Sie wissen, die Grenze ist die Lichtgeschwindigkeit, 300.000 Kilometer pro Sekunde, so schnell kann kein irdisches Flugzeug oder Rakete fliegen. Wir können uns vielleicht vorstellen, dass wir auf zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit kämen, 30.000 Kilometer, beherrschen tun wir mal gerade zehn Kilometer pro Sekunde mit unseren Raketen, aber selbst wenn es vielleicht denkbar ist, dann bräuchten wir Hunderte von Jahren, um dahin zu kommen, und um eine solche Rakete anzutreiben, müssten wir ein Vielfaches der gesamten Energieerzeugung der Erde auf einmal in eine solche Rakete reinstecken. Also das ganze ist technisch völlig unplausibel.

Heise: Herr Lemke, wenn man wie Sie sich mit der Astronomie und diesen gigantischen Prozessen im Weltraum beschäftigt, ändert das eigentlich das eigene Verhältnis zur Welt, die eigene Weltsicht?

Lemke: Ja, in mancherlei Hinsicht natürlich. Wenn ich weiß, wir leben in einem Kosmos, in dem es Milliarden von Sternsystemen, Milchstraßen gibt, wir leben auf einer einzigen davon, von diesen Milliarden, und wir leben auf einem Stern von Hundert Milliarden Sternen in unserer Milchstraße, weit draußen am Rand, dann wird man doch ganz bescheiden, und wenn wir an unsere Lebensspanne denken – das Weltall ist jetzt 13 Milliarden Jahre alt, das Sonnensystem viereinhalb Milliarden Jahre alt, wir leben, sagen wir mal optimistisch, 100 Jahre –, das ist ein winziger Augenblick in der Weltgeschichte, die noch viele Milliarden Jahre andauern wird.

Dann ist man natürlich letztlich klein und bescheiden, und die ganzen, sage ich mal, Aufgeregtheiten des Tages, die man immer hört und liest, werden doch verdammt unbedeutend.

Heise: Professor Dietrich Lemke vom Max-Planck-Institut für Astronomie – der Weltuntergang sozusagen aus Sicht der Astronomie. Herr Lemke, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch!

Lemke: Ja, bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Programmhinweis:
Apokalypse Now - Der Maya-Kalender und die Lust am Untergang
Reihe im Radiofeuilleton

Passend zum erwarteten Weltuntergang senden wir am 21.12.12 ein Konzert zum Ende der Zeit, ab 22.30 Uhr.
Mehr zum Thema