Wenn das Gold nicht mehr glänzt

Von Claus Stäcker · 10.11.2011
Jahrelang wurden Südafrikas Goldadern rücksichtslos ausgebeutet, sie haben Milliardäre produziert und dem Land einen beispiellosen Aufstieg beschert. Nun sinkt die Förderung Jahr für Jahr, und das einst reichste Goldriff der Welt spuckt statt Reichtum nur noch vergiftetes Wasser aus.
Vom Riesenrad in Gold Reef City hat man den besten Blick auf Johannesburg, Egoli, die Stadt des Goldes. In Gold Reef City kann man auch einfahren in die Geschichte des Goldes, ins einzige Schaubergwerk Südafrikas.

30.000 Menschen haben hier mal unter Tage gearbeitet, erklärt der Führer und in 70 Jahren 1,4 Millionen Kilogramm Gold herausgeholt. Die Crown Mine war die reichste Goldader, ihre Schächte die tiefsten der Welt - 3,5 Kilometer.

Heute kann man nur noch 225 Meter tief hinunter. Denn saures Grubenwasser steigt immer höher, bedroht das Besucherbergwerk und bald vielleicht auch den gesamten Vergnügungspark rund herum. Das Desaster rückt näher - im Westen Johannesburgs ist das Wasser schon an der Oberfläche.

Zwei rostige Stahlrohre ragen aus der Erde heraus und speien zwei kräftige, stinkende Schlammstrahlen aus, dunkelgrün der eine, orange-gelb der andere. Über einen handgeschaufelten Graben nimmt das hochsaure, radioaktive und mit Schwermetallen aller Art versetzte Wasser noch mal einen kleinen Umweg von 50 Metern, dann rinnt es ungefiltert in das Staubecken, das in spektakulärsten Gelb- und Rottönen schimmert.

"Dort fallen die Schwermetalle aus", erklärt die Zivilrechtlerin und Umweltaktivistin Mariette Lieffering, ein wunderbares Bild, wunderschön in seiner Hässlichkeit.

Lieffering führt Bergbaustudenten der Witwatersrand Universität Johannesburg in ein wahres Alptraumland: Für die Exkursion zum kleinsten der drei Johannesburger Goldminenbecken am Westrand hat sie biologisch tote Stauseen, einstürzende Altenheime und ungesicherte staatliche Wohnprojekte ausgesucht.

"Hier", sagt sie an einem Golfplatz, dessen Betreiber gerade pleite gegangen ist, "war mal ein beliebter Tanzsaal, im Stausee gab es Karpfen, am Ufer standen Bungalows, es sollten Luxuswohnungen entstehen, und nun ist das Gewässer biologisch völlig tot."

Johannesburg schwappt über, zumindest im Westen. Wo vor 120 Jahren die reichste Goldader der Welt entdeckt wurde, sind über die Jahrzehnte Unmengen von Wasser aus dem Dolomitgestein abgepumpt worden, um immer tiefer in die Gold- und Uranschichten vorzudringen. Wird die Grube stillgelegt, laufen die nun mit Sauerstoff gefüllten Schächte wieder voll und lösen eine Kette chemischer Reaktionen aus. Saures Grubenabwasser - Acid Mining Drainage - drückt immer weiter nach oben. Mariette Lieffering.

"Der gesamte Witwatersrand - das einst goldreichste Becken der Welt und das wirtschaftliche Zentrum Südafrikas - ist hoch gefährdet. Studien haben das Acid Mining Drainage als größte Umweltgefahr neben dem Klimawandel ausgemacht. Wir rechnen damit, dass die Bergbaufolgen unsere größte Umwelt- und Wasserbelastung für die nächsten Jahrhunderte sind."

Am Westrand sind die Staukapazitäten bereits erschöpft, der Giftcocktail schwappt an zwei Stellen über, genau wie es Wasserexperten wie Professor Anthony Turton vorausgesagt hatten. Nur die Menge haben sie unterschätzt, 30 Millionen Liter Abwasser jeden Tag, aluminium-, eisen, mangan- oder auch uranhaltig - manchmal 10.000fach über jedem Grenzwert. In der Regenzeit werden es vielleicht 60 oder 90 Millionen Liter - mit unabsehbaren Folgen:

"Dauerhafter Kontakt mit den Abwässern in der Schwangerschaft schädigt das Nervensystem und führt zu geistigen Behinderungen, es kann Hautkrankheiten auslösen und Krebs. Es wird den Boden mit Radioaktivität und Schwermetallen verseuchen, und ganze Wasserbiotope zerstören."

Während der Westrand schon überläuft, steigt auch im Zentral- und Ostbecken täglich die Gefahr. Der Pegel klettert zurzeit um etwa 1,60 Meter pro Tag, warnt Professor Turton.

"Wenn nichts passiert, läuft im Januar 2012 das nächste Becken über, in der Nähe von Boksburg. Das betrifft dann Zentraljohannesburg - und wir erwarten mindestens die doppelte wenn nicht vierfache Menge an verseuchtem Wasser."

Nicht nur das Trinkwasser für elf Millionen Menschen ist gefährdet, sondern auch die von Johannesburg gespeisten Flusssysteme von Vaal, Limpopo und Orange River und mit ihnen die Landwirtschaft einer ganzen Region. Die hochkorrosiven Elemente gefährden zudem auch die Gebäudesicherheit. Sie könnten die Wolkenkratzer von Johannesburg, darunter Afrikas höchstes Gebäude, den Carlton Tower, von unten anfressen.

"Es ist eine langsame Katastrophe, unser hausgemachtes Tschernobyl. Noch können wir etwas tun, aber bald schlägt das Fenster zu. Die Zeit rennt uns davon."

Kein Wunder, dass die Krise Schlagzeilen macht und auch das Fernsehen die farbenfrohen Katastrophenbilder verbreitet. Unruhe macht sich breit. Der Druck der Öffentlichkeit wird größer.

Die Regierung steht im Fokus: Besonders heikel wurde es für sie im Fall der Aurora-Mine im Südosten Johannesburgs. Sie galt als nahezu unantastbar, denn sie ist mit zwei mächtigen südafrikanischen Namen verbunden: Zuma und Mandela. Mandelas unerfahrener Unternehmerenkel Zondwa Mandela und der schon berüchtigte Präsidentenneffe Khulubuse Zuma hofften wohl auf das schnelle Geld, als sie die Goldmine Grootvlei übernahmen. Inzwischen sind sie pleite - und Horacio Mimbiri arbeitslos.

"In Schacht 3 arbeiten höchstens noch 27 Leute, von einst 5000. Über ein Jahr lang haben wir keinen regulären Lohn mehr bekommen, manchmal noch fünf oder zehn Prozent. Ich habe vier Kinder und kann die Schulgebühren nicht mehr bezahlen. Per SMS wurde mir mitgeteilt, dass mein Sohn die Schule verlassen muss, weil ich die 1500 Rand Schulgeld, 150 Euro, nicht aufbringen konnte."

Aurora wird zwangsverwaltet und die Pumpen, für die der Mosambikaner Horacio 28 Jahre lang verantwortlich war, verhindern nur noch notdürftig die Überschwemmung.

"Das Wasser steigt und steigt, und die Pumpen sind eine nach der anderen ausgefallen. 12, 10, 4, dann 3. Zuletzt holten sie die ganze Pumpstation aus 800 Meter Tiefe hoch, weil sie jeden Tag überflutet werden konnte. Deshalb wird hier im Moment kaum noch Wasser abgepumpt."

Jedes frühe Sommergewitter lässt den Pegel schneller steigen. Nicht nur die Goldreserven werden überflutet, das saure, schwermetallverseuchte Grubenwasser bahnt sich unterirdisch auch seinen Weg ins Herz der Acht-Millionen-Metropole Johannesburg. Ex-Vorarbeiter Elias Kekana hat keine Illusionen mehr:

"Wenn sie die Pumpkapazität nicht deutlich erhöhen, wird die Mine vollständig kollabieren und das Wasser auslaufen - der gesamte Osten Johannesburgs wird Probleme kriegen."

Lange wiegelte die Regierung ab, bis auch sie endlich aufwachte. Bei einer Parlamentsanhörung wurden den Mandelas und Zumas plötzlich schwere Vorhaltungen gemacht und die Möglichkeit von Schadenersatz angesprochen. Aber einem nackten Mann kann man schlecht in die Tasche greifen und insolvenztechnisch sind die Umweltsünder Zuma und Mandela ziemlich nackte Männer.

Und während das Giftwasser läuft und läuft, in die Notbecken im Westen, in die freie Landschaft und ins beliebte Schaubergwerk im alten Gold Reef City versucht die Regierung nun endlich die Initiative zu übernehmen. Mit burischer Gelassenheit und Gottvertrauen reagiert der zuständige Experte im Ministerium, Marius Keet.

"Der Staat hat die Botschaft verstanden. Es ist wichtig festzuhalten, dass er bereits eingeschritten ist. Es war die schnellste Ministerzusammenkunft, die ich je erlebt habe. Zwischen dem ersten Treffen der Fachminister und dem ersten Maßnahmenpaket lagen gerade mal zwei Monate. Die Regierung hat die Kontrolle übernommen - aber natürlich können sich die langfristigen Maßnahmen sehr lange hinziehen."

Im aktuellen Haushaltsplan hat der Finanzminister nun 208 Millionen Rand für den Kampf gegen das Grubenwasser freigegeben, nicht mal 20 Millionen Euro. Die Minen-Consulting-Firma TCTA errechnete für die dringendsten Bekämpfungsmaßnahmen fast den fünffachen Bedarf. Und danach rund 36 Millionen Euro jährlich - Renaturierungsversuche noch nicht mal mitgerechnet. Zu wenig, zu spät? Völlig unzureichend, lamentieren Umweltgruppen, wie Mariette Liefferings von der Föderation für eine nachhaltige Umwelt. Aber die Regierung will nicht länger der Beelzebub sein.

"Wichtig ist doch, dass wir jetzt einen pro-aktiven Ansatz haben: Ich bin es leid, mich immer nur gegen Angriffe zur Wehr setzen zu müssen. Wir sollten jetzt einsehen, dass ein Plan auf dem Tisch liegt - auch wenn er noch nicht endgültig ist. Wir können uns nicht immer nur drüber unterhalten, was die Minen früher alles angerichtet haben. Vorbei ist vorbei. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt pro-aktiv sind und zusehen, dass im Westbecken kein Wasser mehr aussickert."

Das klingt nach Entschlossenheit, denn dringend muss der tödliche Kreislauf gestoppt, das Wasser abgepumpt, gesammelt und aktiv behandelt werden - und nicht nur mit Tonnen von Kalk sporadisch neutralisiert wie hier bei Rand Uranium, eines der wenigen Unternehmen, die sich überhaupt zu dem Problem bekennen.

Rund 6000 alte Schächte sind heute ohne Eigentümer, manche zu Apartheidzeiten von der weißen Regierung offiziell entpflichtet worden. Die neue Regierung ist seit mindestens 14 Jahren gewarnt. Noch immer hat sie keinen Langzeitplan, wie sie die Katastrophe verhindern und Bergbau, Altlasten, Wasserversorgung und Lebensmittelsicherheit in Einklang bringen will.

Wie ein Heilsplan wird der Bau einer Pump- und Aufbereitungsanlage für etwas mehr als 20 Millionen Euro verkündet. Aber ihre Technologie gilt als primitiv, ihr Aufbereitungsverfahren wird im Kohlebergbau nur als Vorstufe verwendet. Doch ihr Wasser soll als Trinkwasser verkauft werden. Professor Turton warnt:

"Elf Millionen Verbraucher werden gezwungen sein, dieses Wasser zu kaufen, das nur rudimentär behandelt ist. Und rudimentär heißt: sie nehmen buchstäblich eine Säure, mischen es mit Kalkstein, um es basisch zu machen, behandeln es dann noch mit einem Bariumkarbonat und sondern den Schlamm aus, der dann wieder einfach nur irgendwo angehäuft wird, aber aus den Bilanzen verschwindet."

Für solche Angriffe und seine kompromisslose Analyse ist Turton von der Bergbaulobby angefeindet, beim halbstaatlichen Forschungsinstitut CSIR gefeuert worden. Sogar Morddrohungen hat er bekommen. Und während das CSIR nun dem Task Team der Regierung Tipps geben soll, arbeitet er unabhängig weiter. Er schlägt neben einer verbesserten aktiven Aufbereitung alternative Methoden vor, wie bei der Sanierung der Wismut-Altlasten in Deutschland.

"Dort hat man passive Methoden entwickelt, und Feuchtgebiete benutzt. Es gibt eine spezielle Algenart, die auch Radioaktivität entziehen kann. Soweit ich weiß, kann noch kein Wissenschaftler richtig erklären, wie genau das passiert. Aber die Beobachtung zeigt, die Radioaktivität verschwindet."

Für Professor Turton, der der von Albert Einstein gegründeten exklusiven Pugwash-Vereinigung angehört, die Wissenschaftler mit sozialem Gewissen vereint, für Turton steht mehr auf dem Spiel als nur der Bergbau: Die Zukunft Südafrikas, eine fundamentale Weichenstellung, da für das angestrebte Wirtschaftswachstum inklusive Bergbau, Landwirtschaft und staatlichem Siedlungsbau einfach nicht genügend Wasser vorhanden ist.

Das sieht auch Umweltaktivistin Mariette Lieffering so. Ihre Studentengruppe hat sie im Mark getroffen. Sie entlässt sie mit einem letzten Schock: Inmitten einer roten Bergbaulache im Krugersdorp Tierreservat baden zwei todgeweihte Flusspferde. Sie sind schon fast blind vom Grubenwasser.

So, das die unausgesprochene Botschaft, könnte es bald auch euch und euren Kindern ergehen. Der Beifall der angehenden Bergbauingenieure für ihren Vortrag fällt gedämpft aus.

Jahrelang sind Südafrikas Goldadern rücksichtslos ausgebeutet worden, haben sie Milliardäre produziert und einen auf dem Kontinent beispiellosen Aufstieg. - Nun sinkt die Förderung Jahr für Jahr, die Goldmacht Nummer 1 der Welt ist schon auf den vierten Rang zurückgefallen. Und das einst reichste Goldriff der Welt spuckt statt Reichtum nur noch vergiftetes Wasser aus.

"Jetzt zahlen wir den Preis für das Gold - es hat internationale Anleger reich gemacht, den Kommunen hier aber nichts gebracht. Sie sitzen hier auf vergifteten Böden, auf Hohlräumen, die einzustürzen drohen, angeln in kontaminierten Flüssen. In Südafrika sind allein sechs Milliarden Tonnen Pyrit-Rückstände ungeschützt über Tage gelagert - und diese Halden werden noch mehrere Jahrhunderte lang saures Grubenwasser produzieren."