Wenn Computer vorlesen

Von Jörg Schieb · 14.02.2008
Bislang klang es immer grauenvoll, wenn Computer Texte oder Webseiten vorlesen. Doch inzwischen gibt es Software, die jeden normalen PC zum akzeptablen Sprechapparat macht, der Texte vorlesen kann. Als einer der ersten hat der Brockhaus die neue Technik eingesetzt: Der Brockhaus multimedial, das Nachschlagewerk auf DVD, verfügt in der neuen Version über eine akzeptabel Vorlesefunktion.
Der "Brockhaus multimedial" macht seinem Namen alle Ehren: Es gibt jede Menge Multimedia, etwa Ausschnitte aus dem Klavierkonzert Nummer 5 von Ludwig van Beethoven.

Wer mehr über Konzert oder Komponist wissen will, kann auf seinem Computer, im Brockhaus multimedial bequem nachschlagen - und bekommt nicht nur Bilder und Infos geboten, sondern in der neuesten Ausgabe 2008 auch einen ganz besonderen Service: Ein Klick auf "Vorlesen", und der Brockhaus liest den Text tatsächlich vor.
Zum ersten Mal bietet ein Nachschlagewerk für den Computer so einen Service an. Und es sind nicht nur einzelne, ausgewählte Artikel, die man sich auf Mausklick vorlesen lassen kann: Wer den Brockhaus Multimedial benutzt, kann sich tatsächlich jeden einzelnen der über 260.000 Artikel vorlesen lassen. Komplett, von vorne bis hinten.

Angesichts der schieren Menge, eben eine Viertel Million Artikel, kam es für Brockhaus schon aus Kostengründen nicht in Frage, professionelle Sprecher zu engagieren. Das hätte zum einen ewig gedauert und wäre zum anderen auch viel zu teuer geworden.

Also hat sich der Verlag für eine synthetische Sprecherin entschieden. Oder besser: für eine Software, die Texte vorlesen kann. Die Software kommt von der Firma Linguatec. Erstmals klingt eine künstliche Sprecherin verhältnismäßig natürlich. Die Aussprache ist klar und deutlich. Es gibt sogar so etwas wie eine Satzmelodie.
Bei einfachen Texten funktioniert das wunderbar. Schwieriger kann es werden, wenn ungewöhnliche Eigennamen, Fremdwörter oder fremdsprachige Begriffe im Text auftauchen - dann kann ein Text schon mal schwierig zu verstehen sein, denn mit solchen Wörtern tut sich die künstliche Sprecherin schwer.
Fremdwörter klingen im besten Fall lustig - und lassen sich schlimmstenfalls gar nicht verstehen. Nicht die einzige Schwierigkeit. Auch längere Sätze können die virtuelle Sprecherin durcheinander bringen, weiß Elisabeth Bauer von Linguatec.

"Je länger beispielsweise ein Satz wird, umso komplexer wird es, den Satz zu analysieren und da hat natürlich auch die Software Schwierigkeiten, wenn zum Beispiel viele Kommas im Satz vorkommen: Hui, wo muss denn jetzt eigentlich die Betonung hin?"

Linguatec hat die Sprach-Software entwickelt, die Brockhaus für die Sprechtexte benutzt. "Voice Reader" heißt das Programm. Überraschenderweise ist die Software recht günstig: Schon für 50 Euro gibt es eine Version für den PC zu Hause. Damit lassen sich Texte jeder Art vorlesen, etwa Webseiten, Manuskripte oder Anleitungen.

"Ich kann dann alle Texte vorlesen, die auf dem Computer gespeichert sind, auch Webseiten oder E-Mails. Es stehen sogar verschiedene Stimmen zur Auswahl. Und in der Profiversion sogar männliche und weibliche Sprecher."

Linguatec hat Profisprecher engagiert, die zahllose Texte vorgelesen haben. Eine Spezial-Software hat die Textfragmente zerpflückt und analysiert. Dabei heraus gekommen sind Sprachbausteine, die die Sprech-Software blitzschnell zusammensetzt. Das Ergebnis kann sich hören lassen.

"Die gesprochenen Texte lassen sich auf Wunsch aber auch als Datei speichern, zum Beispiel als MP3 File."

Auch das kann durchaus sinnvoll sein. Der VoiceReader bietet verschiedene Module an, die sich nahtlos in Textverarbeitung und E-Mail-Software einklinken. So ist es zum Beispiel kein Problem, sich von der Software alle E-Mails vorlesen zu lassen. Der Sprechtext kommt dann nicht gleich aus den Boxen, sondern landet im MP3-Player. Man kann sich E-Mails oder Manuskripte dann unterwegs anhören. In der Straßenbahn. Im Auto. Beim Joggen.

Wenn Computer immer besser sprechen, da kommt natürlich auch ein Radiojournalist ins Grübeln. Denn wer weiß, ob er nicht irgendwann überflüssig wird ...

"Ich hoffe, der Beitrag hat Ihnen gefallen. Die Texte sprechen kann ich schon - nur schreiben muss sie noch jemand. Noch."