Wenn Bilder zu viel reisen

Von Jochen Stöckmann · 18.07.2009
Robert Fleck, Direktor der Bundeskunsthalle in Bonn, zeigt gerade die Bestände des Schweizer Museums Winterthur, das in diesem Jahr wegen Umbau und Sanierung geschlossen ist. Das "Gipfeltreffen der Moderne" ist nicht die erste Kollektion, die auf Reisen geschickt wird.
Vor Jahren noch ließen sich die Leihgeber - zumeist US-Museen - teuer bezahlen, die Ausstellungskosten mussten durch immense Besucherzahlen und entsprechende Einnahmen gedeckt werden. Heute ist der Reiz des Neuen verflogen, sind diese "blockbuster" kaum mehr möglich - zumindest hierzulande nicht:

"Jetzt die Winterthur-Ausstellung, dafür zahlen wir keine große Leihgebühr an Winterthur. Aber das Kunstmuseum Winterthur wird einen Teil unserer Ausstellung auch nach Tokio bringen und dort, für Tokio, bekommen sie eine schöne Leihgebühr."

Mit weiten Reisen nach Asien spülen Bilder von Rembrandt über Vermeer bis zu Baselitz und Gerhard Richter noch immer Geld in die Museumskassen. In Deutschland selbst schält sich unterdessen ein anderes Finanzierungsmodell heraus: Gut bestückte und für ihre Schätze bekannte Häuser, die um- oder ausgebaut werden, verteilen ihre besten Stücke auf andere Museen. Die Kunstsammlung NRW schickte einen Großtransport nach Schleswig-Holstein, das Münchner Lenbach-Haus lässt "Blauen Reiter" in Baden-Baden galoppieren. Die Bremer Kunsthalle machte den Anfang mit ihrer Aktion "Noble Gäste" - für die sie in 21 verschiedenen Museen Unterkunft fand:

"Insofern ist das zum Beispiel bei der Bremer Kunsthalle, gerade die teuersten Stücke zu verleihen, eine tolle Strategie, denn die sparen sich dadurch tausende Euros, die ansonsten für Lagerung und Versicherung zahlen müssten. Aber insgesamt ist dieses Reisen der Kunstwerke natürlich schon zu einem die Substanz immer wieder beeinträchtigenden Zirkus geworden."

Andreas Strobl, Kurator der Münchner Pinakothek, ergreift Partei für eine Museumsfraktion, die sich selbst in der Debatte seltsam bedeckt hält - die Restauratoren. Immerhin hat ihr Berufsverband seinem für Ende November geplanten bundesweiten Treffen den Titel gegeben "Erhaltung oder Präsentation - ein unvereinbarer Gegensatz?" Noch steht ein Fragezeichen dahinter, aber für Ivo Mohrmann, Professor in Dresden und Präsidiumsmitglied des Restauratorenverbandes, ist längst eine Schallmauer durchbrochen. Die Schau um jeden Preis sei zur Politik vieler Häuser geworden, der einzelne Restaurator in der Zwickmühle, auf verlorenem Posten: Wer nach dem genauen Blick durch die Lupe Bedenken äußert, gelte entweder als "Korinthenkacker" - oder ihm werde bedeutet, dass doch er als Experte - wie eine Art "Wunderheiler" - für schonenden Transport und schnelle Ausbesserung zu sorgen habe. Ein Museumsangestellter, so Mohrmann, müsse einigen Mut aufzubringen, um etwa in Versailles noch kurz vor der Eröffnung - die Bundeskanzlerin als Schirmherrin vor, den ungeduldigen Museumsdirektor hinter sich - die Hängung eines Gemäldes mit Hinweis auf das katastrophal schlechte Raumklima zu verweigern. Auch hierzulande herrscht nicht überall das optimale Kunst-Klima, wie Robert Fleck aus seiner Zeit als Direktor der Hamburger Deichtorhallen weiß:

"Weil dort wirklich eine Industriehalle verwendet wurde und wird für Ausstellungen, kann man beispielsweise in den Deichtorhallen keine Arbeiten auf Papier ausstellen. Mit dem "Haus der Fotografie" in der kleinen Deichtorhalle hatten wir auch das Problem, dass wir die restauratorischen Bedingungen nur zum Teil für Fotografie wirklich hinbekamen."

Da schon im reichen Hamburg restauratorisch nicht alles zum Besten steht, verwundert es, dass jetzt eine mit über 260 Kunstwerken, vom Gemälde über Papierarbeiten und Fotografien bis hin zu Skulpturen kunterbunt bestückte Privatkollektion aus der Bremer Weserburg abgezogen und aus "restauratorischen Gründen" verlagert wird - nach Münster. Einstweilen lagert der Stoff, aus dem die Träume des dortigen Museumsdirektors sind, in einem Depot außerhalb der Stadt. Vom "Aufstieg in die champions league" jubelt Markus Müller, dessen einigermaßen kleines Picasso Museum die letzten Ausstellungen nur selten aus eigenen Beständen bestreiten konnte, wo man mit sich um Gemälde von Lüpertz oder Anselm Kiefer, um Fotografien von Helmut Newton in diesem Umfang bislang nicht kümmern musste. Und wo man demnächst ein für kleine Häuser typisches Problem haben dürfte, vermutet der erfahrene Kurator Andreas Stobl:

"Da haben wir dann vielleicht einen Restaurator für Gemälde, aber das nächste ist eine Fotoausstellung. Insofern wäre es unsinnig, diese Leute fest anzustellen, wenn man nicht gleich die gesamte Bandbreite versammeln würde - und das ist natürlich nicht machbar. Und insofern ist natürlich der "fliegende", der ambulante Restaurator durchaus eine legitime Reaktion darauf."

Aber dieser durchreisende "Kunstdoktor" ist kein Modell für Zukunft: Selbst in der ansonsten so mustergültigen Schweiz kommen nicht einmal mehr die angestellten Museumsrestauratoren ihrer ureigensten Aufgabe nach, dem Sichern und damit auch der regelmäßigen Kontrolle der Bestände. Hört man Robert Fleck, dann hat der Irrsinn bereits Methode, dann müssen die greisen Bilder-Diven reisen, um überhaupt noch ihr Gesicht zu wahren.

"Bei der Ausstellung Winterthur ist es auch dadurch möglich gewesen für das Kunstmuseum Winterthur, alle Bilder und Skulpturen erstmals seit langer Zeit wirklich genau untersuchen zu lassen. Und wir haben bei einigen Werken Schäden festgestellt, wo wir jetzt eine Art Notsicherung durchgeführt haben - sodass die Werke in einem besseren Zustand zurückkehren werden."