Weltklimakonferenz Paris

"Ein Klimaabkommen muss überwacht werden"

Die Kohlendioxidemissionen auf der Erde. Rote Flächen zeigen hohe Konzentrationen etwa von Auspuffgasen. Blaue Flächen zeigen hohe CO2-Konzentrationen über städtischen Zentren.
Die Kohlendioxidkonzentration auf der Erde. Rote Flächen zeigen hohe Konzentrationen etwa von Auspuffgasen. Blaue Flächen zeigen hohe CO2-Konzentrationen über städtischen Zentren. © dpa / picture alliance / Nasa
Gerd Müller im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 02.12.2015
Die Pariser Weltklimakonferenz hat das Ziel, ein weltweites Rahmenabkommen zu vereinbaren. Diese Vereinbarung müsste regelmäßig von einer Organisation überprüft werden, fordert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Dafür komme nur die UN in Frage.
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), hält die Überwachung eines neuen Klimaschutzabkommens für notwendig.
Wenn es auf der Pariser Weltklimakonferenz zu einer verbindlichen Vereinbarung komme, müsste sie auch einem transparenten Monitoring unterliegen und konkret überprüft werden, sagte Müller im Deutschlandradio Kultur. Zu diesem Zweck habe er einen Nachhaltigkeitsrat bei der UN vorgeschlagen. Er halte eine zweijährige Überprüfung für sinnvoll:
"Denn es kann nicht sein, dass wir das Abkommen dann sozusagen wieder beiseite legen. Das ist ein Zwischenschritt hin zum Ziel. Und zu diesem Zwischenschritt gehört die verbindliche Umsetzung und Kontrolle durch eine Organisation. Und das kann nur die UN sein."
"Innovationspartnerschaften" für Schwellenländer
Müller sprach sich dafür aus, den Schwellenländern moderne Technik zur Lösung ihrer Energieprobleme anzubieten und "Innovationspartnerschaften" einzugehen. Sein Ministerium habe beispielsweise mit Indien eine Regierungs-Solarpartnerschaft abgeschlossen:
"Wir helfen diesen Ländern sozusagen, Quantensprünge zu machen. Nicht auf die Alttechnologien Kohle (zu setzen), sondern hin zu erneuerbaren Energien. Und da haben wir konkrete, riesige Projekte und Erfolge."


Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Anfang Dezember in Zeiten des Klimawandels und der Klimakonferenz in Paris, die noch bis zum Elften läuft und von Politikern, Forschern und Aktivisten bevölkert wird. Und anders als bei früheren Klimakonferenzen hofft man diesmal wirklich auf einen Durchbruch, denn, abgesehen von den US-Republikanern, die den Klimawandel für eine reine Behauptung halten, hat sich inzwischen herumgesprochen, dass es ernst wird.
Ernst für uns alle, für bestimmte Teile der Welt aber viel ernster und viel früher. Sie werden die ersten Opfer des Klimawandels sein, wenn nicht ganz schnell und drastisch gehandelt wird. Was das sein kann, das will ich jetzt von Gerd Müller wissen, dem Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Schönen guten Morgen!
Gerd Müller: Guten Morgen!
von Billerbeck: Herr Bundesminister, Sie waren bei der Eröffnung der Klimakonferenz. Haben Sie davon etwas gespürt, dass es tatsächlich so ein Klima des Aufbruchs gibt?
Müller: Ja, auf alle Fälle. Das war sehr hoffnungsvoll. Man muss sich vorstellen, es waren 160 Staats- und Regierungschefs da, die ein klares Zeichen gesetzt haben, dass es jetzt wirklich um konkrete Maßnahmen geht, die Erderwärmung zu begrenzen. Ich meine, der chinesische Präsident etwa – in China war vor zwei Jahren das Schriftzeichen für Nachhaltigkeit, für Klimaschutz noch gar nicht bekannt. Und nun haben die Chinesen (Pläne), die sehen es ja jeden Tag ...
von Billerbeck: Wenn Sie im Smog ersticken.
Müller: Ja. Es ist verrückt. Auch Russlands Präsident hat klare Aussagen gemacht, ebenso der amerikanische, und natürlich unsere Bundeskanzlerin. Wir gehen da ein Stück weit voran, Deutschland und die Europäer.
Hilfe für Entwicklungsländer
von Billerbeck: Nun ist es schön, wenn Politiker etwas sagen. Allein, der Worte sind schon viel gewechselt. Wie ist es denn mit den konkreten Vereinbarungen? Was unternimmt Deutschland denn, da Sie die Kanzlerin gerade ins Spiel gebracht haben?
Müller: In Paris wird ein weltweites Klimarahmenabkommen verhandelt. Das heißt auf der einen Seite, alle Staaten der Welt geben Ihre Minderungsziele an, das heißt, den Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz konkret zu verringern. Das ist das eine. Das ist die Voraussetzung, dass es nicht zu einem weiteren Anstieg der Erderwärmung kommt. Und angestrebt wird, diese Erwärmung auf zwei Grad zu beschränken.
Aber das andere ist: Viele Staaten sind natürlich jetzt schon von den Folgen der konkreten Erwärmung betroffen. Und hier muss es zu Zusagen kommen, insbesondere der Industriestaaten an die Entwicklungsländer, Anpassungsmethoden an diesen Klimawandel zu finanzieren. Ich will mal zwei Dinge nennen. Das Thema Wasser: Wenn wir die Erderwärmung der Erde nicht beschränken, dann kommt es zum Schmelzen der Gletscher. Wir denken an den Himalaya-Gletscher. Aus diesem Gletschermassiv beziehen am Unterlauf circa zwei Milliarden Menschen ihr Wasser. Das heißt, es könnte dazu führen, dass die Gletscher schmelzen und Milliarden von Menschen, zwei Milliarden von Menschen kein Wasser mehr haben, und damit auch die Grundlage für ihre Existenz, Nahrung. Daran sieht man, dass es sehr dramatisch.
von Billerbeck: Mit Verlaub, Herr Müller, das sind ja alles Analysen, die wir längst kennen. Wir kennen ja die Fotos von den Gletschern, die Sie gerade erwähnt haben, man muss sich ja nur angucken, wie viel Schnee da früher lag und wie wenig jetzt da liegt. Allein, was wird denn konkret getan? Ich sage jetzt nur mal ein Ding, das muss Sie doch als Bundesminister ganz besonders fuchsen, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Finden Sie es nicht auch pervers, wenn Deutschland einerseits da Geld gibt, um zu versuchen, dass also gerade die Staaten gestärkt werden und den Menschen geholfen wird, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, und aber andererseits mit deutschem Fördergeld Kohlekraftwerksausrüster finanziert werden, die klimaschädliche Kohlekraftwerke in anderen Ländern wieder aufbauen? Das kann doch nicht sein.
Klare Zielvorgaben bis 2020
Müller: Also zunächst mal, Deutschland und Europa haben klare Zielvorgaben, die wir auch erfüllen. Bis 2020 40 Prozent Reduktion. Wir gehen also hier voran, wir bauen um.
von Billerbeck: Ja, bei uns. Aber nicht im Ausland.
Müller: Das Energiesystem: Im Verkehr, aber auch im Haushalt, jeder Einzelne muss da auch bei sich beginnen. Wir müssen klar reduzieren, und wir gehen voran. Das ist das eine. Zum anderen müssen wir aber Lösungen finden, insbesondere in der Energiefrage, und das ist sicher der zentrale Punkt, in den Schwellenländern.
Ich nenne mal Indien. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, mit dem indischen Premierminister zu sprechen. Indien, eine Milliarde Menschen auf dem Sprung natürlich, eine Entwicklung zu nehmen, die wir in den letzten 50 Jahren vorgenommen haben. Beim Verkehr, jeder möchte ein Auto, in der Industrie. Und wenn dies tatsächlich auf der Basis von Kohle und der Verbrennung von Öl passiert, wie dies bei uns die letzten 50 Jahre der Fall war, dann werden wir diesen Prozess nicht in den Griff bekommen.
Also, die Lösung muss sein, wir müssen diesen Schwellenländern, auch Indonesien, unsere moderne Technik anbieten. Eine Innovationspartnerschaft. Deshalb habe ich beispielsweise mit Indien eine Regierungssolarpartnerschaft geschlossen. Wir helfen diesen Ländern sozusagen, Quantensprünge zu machen, nicht auf die Alttechnologie Kohle, sondern hin zu erneuerbaren Energien, und da haben wir konkrete, riesige Projekte und Erfolge. Marokko, ich nenne Marokko, wo ich demnächst mit der Regierung das weltweit größte Solarkraftwerk in Betrieb nehmen werde. Wir haben vor, Afrika mit unserer Hilfe, unserer Innovation und Technik zum grünen Kontinent zu entwickeln, mit erneuerbaren (Energien) statt mit Kohle. Das kann uns gelingen, und das ist auch eine große Chance für Wirtschaftspartnerschaft.
von Billerbeck: Klar. Aber leider, ich habe es ja gesagt, finanziert Deutschland eben auch den Bau von Kohlekraftwerken im Ausland. Herr Müller, eine Frage, die wir allen unseren Gesprächspartnern während der Klimakonferenz zum Schluss natürlich immer stellen: Was meinen Sie? Sie haben vom Aufbruch gesprochen, den Sie erlebt haben. Wird es in Paris ein verbindliches Klimaschutzabkommen geben?
Forderung nach einem Nachhaltigkeitsrat der UN
Müller: Ja, das ist entscheidend, verbindlich. Nun ist es so: 196 Staaten, es muss Einstimmigkeit erzielt werden. Verbindlich heißt, wir brauchen klare Zielvorgaben, die auch dann transparent einem Monitoring unterliegen und konkret überprüft werden.
Ich habe dazu einen Nachhaltigkeitsrat bei der UN vorgeschlagen, denn es kann nicht sein, dass wir das Abkommen dann wieder sozusagen beiseite legen. Das ist ein Zwischenschritt hin zum Ziel. Und zu diesem Zwischenschritt gehört die verbindliche Umsetzung und Kontrolle durch eine Organisation, und das kann nur die UN sein. Wir brauchen also – es ist vorgeschlagen, fünfjährlich, ich bin der Meinung, zweijährlich – eine Kontrolle, ein Monitoring, ob die Vorgaben auch eingehalten werden.
von Billerbeck: Gerd Müller war das, der Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über das, was Deutschland leisten kann, um den Klimawandel zu dämpfen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Müller: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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