Wellness und Wiedergutmachung

Von Sabine Voss · 12.10.2007
In der Nazizeit war das mecklenburgische Lehnsgut Alt-Rehse das geistige Zentrum der Euthanasie. Seitdem lebten die Alt-Rehser an einem prominenten Ort nationalsozialistischer Selbstdarstellung. Denn auch das dem Lehnsgut zugehörige Dorf Alt-Rehse wurde in das Nazi-Projekt miteinbezogen.
Geheimnisvoll tabubelegt und abgeriegelt blieb das Gelände der einstigen Reichsführerschule auch in den 50er Jahren - als Militärsperrgebiet zuerst der NVA, dann vorübergehend der Bundeswehr, die im Jahr 1998 aber endgültig abzog. Seit einem Jahr nun renovieren, bevölkern und beleben vierzig Kommunarden - dreißig Erwachsene und zehn Kinder - das jahrzehntelang abgeriegelte Terrain. "Tollense-Lebenspark" heißt ihr Projekt.

"Und wenn ich dann da unten am See stehe, und der liegt da, total ruhig, ohne Verkehrslärm - das ist eine Sache, die für mich allerhöchste Lebensqualität ist, also an einem Ort zu leben, wo man wirklich nur die Naturgeräusche hat. Oder, es gibt so viele Plätze hier, die alte Eiche, das ist auch so eine Oase."

Susanne Küppers lebt und arbeitet an einem Ort, der, mag er noch so malerisch sein, stark belastet, geradezu kontaminiert ist von seiner braunen Vergangenheit - findet Roman Skoblo, Gründer des Verbandes Jüdischer Ärzte in Deutschland.

"Ist ein wunderschöner Ort! Und ich finde, dass diese wunderbare kitschige Landschaft - ist ja schon fast Kitsch, wenn man sich das ansieht, so schön ist es - ... und deswegen noch mal: Schönheit von Ort hat nichts mit grausamsten Überlegungen und schließlich Ausführung zu tun."

In der Nazizeit war das mecklenburgische Lehnsgut Alt-Rehse das geistige Zentrum der Euthanasie. "Hier, an solchen weltabgeschiedenen, freien Plätzen lassen sich die Kerle erziehen, deren unsere große Zeit zur Verwirklichung ihrer Ideen bedarf: Alt-Rehse erscheint uns dafür wie geschaffen", schwärmte Dr. Hans Deuschl, Oberarzt, Hauptgeschäftsführer des Hartmannbundes, SS-Oberführer und Gründer der "Reichsführerschule für deutsche Ärzte". - Die hügelige Lage mit dem schönen alten Gutspark und der Aussicht auf den Tollense-See inspirierte Deuschl, seine Schulungsburg als Fachwerkidylle zu erbauen. Im Unterschied zu den meist streng geometrischen Anlagen anderer Reichsführerschulen, wurden die neuen Schulungsgebäude in den vorhandenen alten Baumbestand malerisch hineinkomponiert.

"Jetzt werden wir hier unten rum gehen, zur alten Eiche. Die Parkeigentümer haben sich entschieden - ich hatte ihnen vorgeschlagen, das vielleicht sogar in Form einer kleinen Feierstunde zu machen - die Eiche 'Hauff-Eiche' zu nennen. Zwar hat Hauff sie nicht gepflanzt, aber sie ist Teil seines Landschaftsparks. Man muss dagestanden haben. Man muss unter dieser Eiche gewesen sein."

Keiner kennt den alten Gutspark und seine wechselvolle Geschichte so gut wie Wolfgang Köpp, pensionierter Tierarzt, ehemaliger Bürgermeister von Alt-Rehse, Buchautor und Ortschronist. Und wohl keiner hat so viele Interessierte durch einen Landschaftspark des 19. Jahrhunderts geführt, den Gutsbesitzer Hauff in guten Zeiten angelegt und in schlechten an die Nazis verkauft hatte.

"Und hier unter dem Baum war ein großer Feldstein, auf dem saß Rosenberg bei schönem Wetter, und 100 Feldsteine waren hier drum herum. Da saßen die Getreuen, die Schüler, die Kursteilnehmer drauf. Und dann hat er dann über seine Spinnereien gesprochen. Und jetzt verstehen Sie vielleicht auch, wenn ich sage: Die sieben Jahre Führerschule haben dem Park ein Kainsmal aufgedrückt. Ich nenne es Missbrauch, was Rosenberg hier gemacht hat."

Als Chefideologe Hitlers war Alfred Rosenberg in der Reichsärzteführerschule prominenter Lehrer, gern gesehener Gast. Denn seine Theorien zur Judenverschwörung waren Grundlagenwissen. Ferner stand auf dem Lehrplan: Eugenik, Erbiologie, Rassenhygiene. Vor allem noch junge Ärzte und Ärztinnen sollten früh schon eine klare Vorstellung haben von wertem und unwerten Leben. Hier lernten sie für ihre spätere Praxis, Menschen auszusortieren, die als Bedrohung für die rassische Volksgesundheit angesehen wurden - sogenannte Erbkranke, psychisch Kranke, geistig Behinderte.
Der jüdische Arzt Roman Skoblo betrachtet Alt-Rehse als prädestinierten Ort für eine Täterforschung, die den namenlosen Mitmacher benennt.

"Ich will ein Täterarchiv haben! Das find ich ganz fantastisch, wenn wir das endlich mal in die Reihe kriegen würden! Ich sehe fünf Figuren, wenn ich irgendwo Zeitung lese, von Bormann über Höss, hab drei, fünf Figuren, die sind es, und alle anderen sind namenlos?! Dieses Verbrechen ist passiert durch Menschen! Mit Namen, mit Geburtsdatum."

"Dieser Ort war Schulungsstätte für Ärzte, Pfleger, Wissenschaftler, Hebammen und zwar zu Tausenden, die Schätzungen beginnen bei circa elftausend Menschen. Ihnen wurde die Ideologie nahegebracht."

Bernhard Wallner ist seit einem Jahr neuer Parkmiteigentümer. Er tritt ein schwieriges Erbe an.

"Wir haben uns sehr genau erkundigt. Es sind zum Beispiel hier mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Nazizeit keine Verbrechen in dem Sinne begangen worden, dass hier Menschen gequält wurden oder zu Tode gebracht worden sind. Ich hätte niemals ein Konzentrationslager oder irgendetwas in dieser Richtung erwerben können. Für mich ist die Belastung dann für einen Ort zu groß. Das ist etwas ganz wesentliches für uns. Es war zwar kein Doktor Mengele da, aber die Verbindungen zu vielen bekannten Ärzten aus der Nazizeit ist sehr direkt von hier aus."

Keine direkten Versuche am Menschen, aber die Vorbereitung der Ärzteschaft auf die Lösung der Judenfrage. Keine direkte Zusammenarbeit mit KZs und Tötungsanstalten, aber gute Kontakte dorthin. - Aus politischen Gründen wird die Führerschule abseits der großen Verkehrswege erbaut. Großzügige Sportanlagen - die Schulung ist nämlich mit viel gesundem Sport und Badespaß verknüpft - eignen sich zur Tarnung.

"Sehr rasch entstand - und wie ich meine, aus gutem Grund - die Legende vom Olympia-Ruderer-Dorf. Warum? Mecklenburg bekam hier in der Führerschule ein Stadion nach Olympianorm 1936. Nun kam die Olympiade, und da ließ Dr. Deutschl, der Leiter der Führerschule, dort drüben in den Hang mit den entsprechenden Farben Blumenringe einsähen oder pflanzen - die olympischen Ringe. 'Natürlich haben wir gewonnen, kann doch gar nicht anders sein.' Aber dann kommen die Alliierten, die ehemaligen Gegner, die Briten, Franzosen: 'Was haben Sie denn hier für ein wunderschönes Gelände?' - 'Na, das war das Olympia-Ruderer-Dorf'. - Ich bin also der Sache nachgegangen, weil diese Legende unausrottbar war. Die NVA hatte sie der Bundeswehr wie ein Staffelstab übergeben."

"Diese Gerüchte wurden ja absichtlich damals in die Welt gesetzt, um zu verschleiern, was da wirklich gemacht wurde, unter anderem auch von Leuten der NVA, die eben nicht wollten, dass sie in so einem Objekt tätig sind, wo so was mal war. So hab ich das immer wahrgenommen."

Erich Düvel ist in Alt-Rehse aufgewachsen, hat seine Kindheit in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Militärsperrgebiet verbracht. Ab den 50er Jahren besetzt die Nationale Volksarmee das einstige Nazigelände, riegelt es vor der Öffentlichkeit ab.

Die Regentropfen trommeln auf ein Verandadach, das Erich Düvel seinem Elternhaus hinzugefügt hat und das noch aus der Nazizeit stammt. Denn auch das dem Lehnsgut zugehörige Dorf Alt-Rehse wurde in das Nazi-Projekt miteinbezogen. Die jahrhundertealten mecklenburgischen Landarbeiterhäuser wurden abgerissen, um einem sogenannten "Musterdorf" zu weichen - reetgedeckten Fachwerkhäusern, die im Türbalken den Namen eines Gaues sowie ihr Entstehungsjahr - bis heute - tragen: "Haus Pommern. Errichtet im ersten Jahr" steht über Erich Düvels Tür ins Holz geschnitzt. Gemeint sind die Anfangsjahre des "Tausendjährigen Reiches".
In der DDR-Zeit wurden die Inschriften zugenagelt. Bis zur Wende war die Vergangenheit erfolgreich begraben.

"Die hab ich selber freigelegt. Und das hat sich eigentlich mit der Wende erst so ein bisschen geöffnet, was eben Schlechtes passiert ist in der Zeit, das kam da eigentlich erst so richtig zu Tage. Wo das auch losging, als die Kassenärztliche Vereinigung eigentlich das ganze Dorf damals wiederhaben wollte, wo der ganze Kampf losging. Und da kam das alles so richtig erst in die Gänge und wurde eben nachgeforscht, wie war's wirklich."

"Ich wusste von Alt-Rehse vorher nichts. Ich bin erst, als wir damit konfrontiert wurden durch unsere Rechtsabteilung - das gehört jetzt wieder der deutschen Ärzteschaft - zum ersten Mal nach Alt-Rehse gefahren. Und wir haben uns das Gelände angeschaut, waren von der Schönheit der Landschaft und der Anlage überzeugt und wunderschön, aber trotzdem hauchte uns natürlich überall die Kälte der Vergangenheit an."

Manfred Richter-Reichhelm, ehemaliger Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Als Nachkomme ihrer Vorgängerorganisation in der Nazizeit macht die KBV mit der Wende Rückgabeansprüche auf das "Ärzte-Gut" geltend sowie auf den Grund und Boden und die Häuser des ehemaligen Nazi-Musterdorfs. In jahrelangen Prozessen kämpfen die Alt-Rehser darum, sie der KBV nicht abkaufen zu müssen. Am Ende verzichtet die Ärzteschaft. Das "Ärzte-Gut" aber wird ihr allmählich zur Erblast. Der "kalte Hauch der Vergangenheit", der durch Alt-Rehse weht, verfolgt die verfasste Ärzteschaft bis zu ihrem Stammsitz nach Köln.

"Ich kann mich sehr an die lebhaften Auseinandersetzungen in unserer Vertreterversammlung, damals noch in Köln, erinnern, wo es Kollegen gab, die sagten, an einer Stätte, wo ein Bormann, ein Conti gewesen sind und wo dieser Irrglauben in der Medizin verbreitet wurde, da können wir nicht so tun und eine ärztliche Fortbildung kreieren. Das geht nicht. Wir wollten eine Erinnerungsstätte schaffen, die sich aber auch mit den gegenwärtigen Problemen auseinandersetzt - Stammzellforschung, Klonen in der Medizin, Sterbehilfe. Das war das Konzept. Letztendlich ist aber nach langer Diskussion der Anspruch auf dieses Gelände fallen gelassen worden, weil wir uns einfach darüber klar wurden, dass wir dieses finanziell nicht schultern konnten."

Die Ärzteschaft kapituliert. Der Bund übernimmt die Immobilie. Die Bundeswehr, die das Gelände von der NVA übernahm, zieht im Jahr 1998 ab. - Was fängt man nun an mit dem 65 Hektar großen Gutspark inklusive altem Schloss und hinzugefügter Fachwerkidylle? Eine Arbeitsgruppe wird gegründet - bestehend aus Delegierten des Bundesvermögensamtes, der Landesregierung, der Kassenärzte und der Alt-Rehser Gemeinde.

"Und alle bemühten sich, Kriterien aufzustellen, nach welchen Gesichtspunkten man diesen Park vergeben könnte. Also es sollte schon ein Konzept da sein. Wichtig war der Denkmalschutz der Gebäude und des Parks selber. Wichtig war eine Nutzung, die keine Zergliederung bedeutete, also keine Parzellierung - das war nämlich sehr im Ansinnen des Bundesvermögensamtes. Die wollten das loswerden, egal wie. Aber da haben wir ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, das sag' ich heute noch mit Frohlocken. Wir haben eine Veränderungsperre über den Park gelegt."

Künftigen Investoren wird zur Bedingung gemacht: Keine baulichen Veränderungen ohne Abstimmung mit der Gemeinde. Wolfgang Köpp hat die Schlüsselgewalt und führt sie durch den Park - offensichtliche Schnäppchenjäger, undurchsichtige Spekulanten, Planer von Golfhotels und Ferienanlagen. Die ganz dunklen Gestalten vertreibt Wolfgang Köpp, indem er mit den Medien droht - darunter Scientologen oder Erwin Schönhuber, der seinen nächsten DVU-Parteitag in Alt-Rehse abzuhalten plant. Die Geister der Vergangenheit ziehen die einen magisch an, die anderen schrecken sie nachhaltig ab. In acht Jahren Leerstand beginnen der Park und seine Gebäude ernsthaft zu verwaisen.

"Eigentlich haben wir schon fast die Segel gestrichen, wir haben gedacht nachher, es verfällt, es will überhaupt keiner mehr. Und dann kamen praktisch die Wallner-Brüder und haben das übernommen. Nur haben alle gehofft, wenn ein Investor kommt, der den Park übernimmt, dass auch Arbeitsplätze entstehen."

"Unsere Aufgabe ist, erinnern, dass dieses gar nicht hätte verkauft werden dürfen, weil's ein ganz spezieller Ort ist. Ich bin bis heute empört, dass dieser überhaupt verkauft worden ist! Ich habe immer gesagt, dieser Ort kann in keiner Weise einer wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Das hat man ignoriert, der damalige Bundesfinanzminister hat verkauft. Ich war von den Socken!"

Zwei Millionen Euro hat Bernhard Wallner, Wirtschaftsjurist aus Bayern, zusammen mit acht weiteren Gründungsmitgliedern einer Lebensgemeinschaft für den Gutspark bezahlt. Seit einem Jahr renovieren, bevölkern, beleben vierzig Kommunarden - dreißig Erwachsene und zehn Kinder - das jahrzehntelang abgeriegelte Gelände. "Tollense-Lebenspark" heißt ihr Projekt. Mit Hilfe eines Kredits der GLS-Bank für "ethisch-ökologische Finanzierungen" soll hier ein alternatives Gesundheitszentrum in Verbindung mit "sanftem Tourismus" entstehen - kein Projekt, an das sich große Hoffnungen auf einen schnellen Aufschwung knüpfen lässt, findet der Alt-Rehser Erich Düvel.

"Wie sie sich da etablieren, sind's Selbstversorger, sind's Leute, die wollen sich selber ... wie soll ich das sagen ... na, die wollen selber ihr Geld erwirtschaften und auch selber ... na, ne Gemeinschaft ... und da passen von außen eigentlich keine Leute dazu, die da nicht mitmachen, die in dieser Gruppe nicht mitmachen. Ist ne Berührungsangst auf alle Fälle. Ich selber jetzt nicht, ich komm mit denen sehr gut aus, bin auch oft da unten, man unterhält sich."

Das alte Gutsschloss ist das Zentrum der Gemeinschaft und ihrer Gäste geworden. Die Beheizung aller Gebäude soll einmal ein eigenes, mit regenerativen Energien betriebenes Heizwerk übernehmen - der Park allein wirft Holz in Mengen ab.
Die Parkbetreiber legen ihr Projekt auf Unabhängigkeit an. Susanne Küppers versorgt ihre Gemeinschaft bereits mit frischem Gemüse und Küchenkräutern.

"Es war schon mal Gartenland, das ist immer schon mal ne gute Sache."

Als Gärtnerin pflegt sie ihr eigenes Verhältnis zum belasteten Boden der Vergangenheit.

"Zur Zeit der Reichsärzteführerschule war auf diesem Stück ein großer, sehr schöner Heilkräutergarten. Da gibt's sogar noch Luftaufnahmen, auch Pläne, wo genau steht, welche Pflanzengruppen für welche Krankheiten verwendet wurden. Das andere Land ist leider sehr schlecht, das ist zu NVA-Zeiten komplett aufgeschüttet worden, da war ein Volleyballplatz mit bis zu 70 Zentimeter tief Sand. Aber die Lage ist einfach ideal. Im Park gibt es unendliche Mengen von gut verrottetem Laubkompost, und es hat sich gezeigt, dass das also sehr gut wächst. Alles, was ich da angebaut habe, wächst sehr gesund und üppig."

So wenig Alt-Rehse früher bekannt war, so sehr gerät nun die Reichsärzteführerschule, da das Gelände einmal verkauft ist und wieder bewohnt wird, als prominenter nationalsozialistischer Täterort in den öffentlichen Blick - und damit auch seine neuen Besitzer. Die Kommunarden leben mit Pressekommentaren, die meinen, eine hier siedelnde Lebensgemeinschaft "entnazifiziere" den Ort, trage zu einer Entsorgung der Ortsgeschichte bei. Bernhard Wallner aber versichert, dass die Gemeinschaft ihren Beitrag zur Erinnerungsarbeit durchaus leisten will.

"Es gibt einige Interessenten, die diesen Ort gern zum Gedenk-Ort nur für die Nazivergangenheit fixieren oder hochstilisieren wollen. Daran haben wir kein Interesse natürlich. Wir wollen hier leben und arbeiten, und wir haben von vornherein unter uns beschlossen, dass auch der Tatsache irgendwie Rechnung getragen werden muss, dass sich fast 60 Jahre niemand mit diesem Thema hier oder fast niemand beschäftigt hat. Und deswegen haben wir beispielsweise eine Stiftung dafür gegründet, die es vielen Menschen, aber auch den deutschen Ärzten, ermöglicht, dieses Projekt zu unterstützen."

Auf Bernhard Wallners Appell an die Ärzteschaft spricht Roman Skoblo nicht an. Er plant sein eigenes Forschungsprojekt - ein Täterarchiv sowie ein Wissenschaftskolleg, einen Ort der Debatte über Fragen ethischer Standards, ärztlicher Verantwortung und Moral. Auch Bernhard Wallners Stiftung "Medizin und Gewissen" will sich mit ähnlichen Fragen befassen. In Alt-Rehse konkurrieren zwei Erinnerungskonzepte, die sich - mit gutem Willen - durchaus verbinden ließen. Ein Erinnerungskonflikt, der eigentlich keiner ist.

"Wenn es Gedenkort ist, dann wird Gedenkort nicht im Sinn von Mahnmal verstanden, sondern es wird verstanden als ein Forschungsort im wesentlichen, der authentisch ist, weil nur die Authentizität dieses Ortes einem auch die Eindringlichkeit im forscherischen Vorhaben in der Lage ist zu geben und diese Inspiration, die man braucht. Alt-Rehse ist für uns ein Ort, der symbolisch ist für die unerledigte medizinische Vergangenheit dieses Landes! Das ist eine ganz klare Ansage - und wenn Sie so wollen - eine Kampfansage für die, die das verdecken wollen, weil sie sagen, verschweigen, verniedlichen, verharmlosen!"

Damit rennt er offene Türen ein. Von den Alt-Rehsern wurde vor Jahren schon eine Erinnerungs-, Bildungs-, und Begegnungsstätte gegründet, ein Verein, der sein Bestes tut, die Geschichte Alt-Rehses vorbeiradelnden Touristen nahezubringen. Die kleine Ausstellung ist im Gutshaus untergebracht, einem Vorläufer des Gutsschlosses, mitten im Dorf gelegen, im Besitz der Gemeinde und zum Verkauf ausgeschrieben.
Sowohl die Parkeigentümer als auch der Verband jüdischer Ärzte sind nun Aspiranten - beide bieten sich dem Verein als Partner an, beide haben ihre Konzepte vorgestellt, die einander so ähneln, dass der Gemeinderat beschloss: Die Höhe des Gebots soll entscheiden. Dem Gemeinderat liegen diese Gebote in geschlossenen Umschlägen vor, die noch in diesem Monat geöffnet werden solen.

Dass endlich Ruhe in Alt-Rehse einkehrt, wünscht sich Wolfgang Köpp. Nach all den ungewissen letzten Jahren widmet er sich nun der Pflege seines geliebten, lange vernachlässigten Landschaftsparks.

"Ich sage das immer wieder, auch wenn man's ungern hört. Mit Wallner kam Leben in den Park. In einen Park, der fast zum Tode verurteilt war. Ich bin gern bereit, meine Ansprüche immer wieder etwas zu deckeln. Ich werde sie nie fallenlassen. Ich werde immer wieder im Interesse des Parks - meine Frau auch - wir werden immer wieder sagen, was wir für nötig erachten. Aber wir werden nicht versuchen, solchen Druck auszuüben."