Was Feuchtwanger mit Brecht verband

12.05.2011
Der eine ist ein disziplinierter Fleißmensch, der andere ein zynischer Provokateur: Klaus Modick schildert in seinem Roman "Sunset" die ungewöhnliche Freundschaft zwischen den Schriftstellern Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht.
Unter den emigrierten deutschen Schriftstellern in den USA war Lion Feuchtwanger neben Thomas Mann, der wenig von ihm hielt, einer der erfolgreichsten und prominentesten. Seine Bücher standen schon lange vor dem Rauswurf durch die Nazis weltweit auf den Bestsellerlisten. So kannte er, im Unterschied zu vielen anderen Exilanten, keine Geldnöte und unterstützte diskret verarmte Kollegen. Er lebte gerne in Kalifornien, und ihn drängte nach Kriegsende nichts, nach Deutschland zurückzukehren. Vielmehr suchte er um die amerikanische Staatsbürgerschaft nach. Das brachte ihm geheimdienstliche Überwachung durch die Gesinnungsschnüffler McCarthys ein, die in ihm einen verkappten Kommunisten vermuteten.

1956 erreicht Feuchtwanger die Nachricht vom plötzlichen Tod des erheblich jüngeren Freundes Bertolt Brecht, und damit beginnt Klaus Modick seinen Roman "Sunset" über eine ungewöhnliche Freundschaft. Die begann früh in München, als der noch völlig unbekannte Brecht eines Tages in der Wohnung des damals schon arrivierten Autors auftauchte und ihn bat, sein Stück "Spartakus" zu lesen. Und weil Brecht Brecht war, also ein zorniger junger Mann, lobte er denn auf die Frage, warum er gerade zu Feuchtwanger gekommen sei, nicht dessen Genie, sondern antwortete ganz unverblümt, er wolle, dass das Stück aufgeführt werde, und Feuchtwanger besäße in München eben die notwendigen Beziehungen. Der liest das Stück, ist begeistert und beschließt, Brecht zu fördern.

Es ist eine Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Autoren, die einander schätzen, auch wenn Feuchtwanger durchaus den Verdacht hegt, dass Brecht ihm die finanziellen Erfolge und guten Beziehungen zu Hollywood neidet. Aber sie reden offen und ohne falsche Hemmungen miteinander. Brecht, nicht zuletzt enttäuscht von fehlender Anerkennung in den USA und wohl auch neidisch auf den Erfolg des Freundes, gibt sich als Provokateur und zynischer Autor. Er will anklagen, anprangern, aufrütteln, ereifert sich immer wieder. Feuchtwanger argumentiert eher ruhig und bedächtig. Er ist in vielem ein Gegenbild zu Brecht: ein disziplinierter, fleißiger, bürgerlicher Schriftsteller ohne Extravaganzen, ganz dem Schreiben verpflichtet. Ein zutiefst moralischer Autor, der sich nicht als Gesellschaftskritiker versteht, sondern die Abgründe der menschlichen Natur zu verstehen sucht.

Klaus Modick gelingt es – und darin ähnelt sein Buch denen des Exilschriftstellers – bei aller Faktentreue die historische Persönlichkeit Feuchtwangers mit Leben zu füllen, sie zur literarischen Figur werden zu lassen, zum durchaus sympathischen Protagonisten seines Romans. Das gibt dem nachgeborenen Schriftsteller die Gelegenheit, grundsätzlich über Schwierigkeiten und Nöte des eigenen Metiers nachzudenken.

Modick erzählt die Geschichte aus dem Blickwinkel Lion Feucht-wangers. Auch wenn viele Gespräche in "Sunset" sicherlich nicht so geführt wurden, weiß man doch aus Erinnerungen Beteiligter und nachgelassenen Notizen, dass Modicks Fantasie den Ereig-nissen zumindest sehr nahe kommt. Die äußeren Fakten stimmen sowieso.

Ein rundherum geglücktes Buch über einen Mann am Ende seines Lebens, altersmilde, ein bisschen altersweise.

Besprochen von Johannes Kaiser

Klaus Modick: Sunset
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2011
192 Seiten, 18,95 Euro


Der Schriftsteller Klaus Modick im Porträt