Was einen Piraten ausmacht

24.10.2011
Der Autor und Journalist Martin Häusler hat eine kompakte und gut lesbare Einführung in die wichtigsten Themen der deutschen Piratenpartei geschrieben. Er begegnet den politischen Aufsteigern mit viel Sympathie, spart aber auch nicht mit Kritik.
In seinem Buch "Die Piratenpartei - Freiheit, die wir meinen. Neue Gesichter für die Politik" gibt der Autor und Journalist Martin Häusler eine kompakte, aktuelle und gut lesbare Einführung in das Phänomen vor allem der deutschen Piratenpartei. Häusler geht auf die Entstehung der schwedischen Mutterpartei ein. Im Zentrum steht jedoch die deutsche Piratenpartei, der nach dem Sieg bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen erfolgreichste Ableger dieser weltweiten Bewegung.

Häusler, Jahrgang 1974, begegnet den Piraten mit viel Sympathie, spart aber nicht mit Kritik. Den Aufstieg der Piraten nach ihrer Gründung 2006 beschreibt Häusler anhand zahlreicher netzpolitischer Debatten, die viele der heutigen Piraten politisiert hätten: Vom "Zensursula"-Streit um die Netzsperren über den Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung bis zur Einführung des "Hackerparagrafen".

Das Buch widmet sich ausführlich jenen Themen, die zum Kernbereich der Piraten gehören, wie Urheberrecht, Zugang zu Wissen und mehr demokratische Teilhabe. Dass die Partei zu wesentlichen Politikfeldern wie Wirtschaft, Finanzen oder Außenpolitik nichts Substanzielles zu sagen hat, nimmt er ihr nicht übel: Wer wolle den Piraten diese Mängel "in ihrer politischen Pubertät" wirklich "vom Konto abziehen"?

Die größte politische Stärke der Piraten erwächst denn auch nicht aus den programmatischen Inhalten, sondern aus ihrem Modus: Die Piraten wollen die Art und Weise ändern, wie Politik gemacht wird. Breit erklärt wird die Idee der "Liquid Democracy" und die aus ihr abgeleitete Software, die Kern der innerparteilichen Meinungsbildung und Abstimmung ist.

Die Piraten planten ein "neues Betriebssystem für Gesellschaft", das der Autor als "Totalkritik am realpolitischen Parteiensystem" versteht, dem die Piraten "eklige Arroganz, brutale Egozentrik und großes Unverständnis für den Lebensraum Internet" vorwerfen.

Wer sind die Piraten? Was motiviert sie? Warum gibt es so wenige Frauen? Wichtige Fragen beleuchtet Häusler in Kurzporträts zentraler Führungsfiguren. Der Autor beschreibt die Piraten als basisdemokratische und mitunter naive Visionäre, als Kinder der digitalen Revolution, die sich inhaltlich und strukturell im aktuellen Parteisystem nicht mehr wiederfinden, die von ihrem schnellen Erfolg jedoch überfordert sind. In entscheidenden Momenten reagiere das Führungspersonal zu langsam und unentschlossen. Grundlegende Fragen wie etwa der Freiheitsbegriff seien nicht zu Ende gedacht, was etwa einen überzeugenden Umgang mit Rechtsauslegern in der Partei verhindere.

Was fehlt, ist eine tiefere Einbettung des Phänomens. Die genannten Gründe für den Erfolg - stagnierendes Parteiensystem, neue Inhalte und ein kriselnder Kapitalismus - sind überzeugend, greifen aber etwas kurz. Denn die Piratenpartei ist Ausdruck eines tiefer greifenden Wandels: Neuer Politik-Modus, freies Internet, maximale Beteiligung, alle Kernpunkte der Piraten erwachsen aus einem neuen Paradigma unserer Welt: dem Umgang mit Wissen. Wem soll dieses Produktionsmittel des 21. Jahrhunderts gehören? Allen, dem Staat oder der Industrie? Dieser Konflikt hat die Dimension des Gegensatzes von Sozialismus und Kapitalismus. Nur sind die Produktionsmittel nicht mehr teure Maschinen, sondern unsere Gehirne; die Ware ist nicht ein materielles Produkt, sondern beliebig kopierbare Informationen. Das ist eine andere Diskussion, und die ist es, die die Piraten vorantreiben.

Besprochen von Philip Banse

Martin Häusler: Die Piratenpartei. Freiheit, die wir meinen. Neue Gesichter für die Politik.
Scorpio Verlag, München 2011
128 Seiten, 6,95 Euro