Was brauchen die Menschen in Deutschland wirklich?

Das sagt die Unternehmerin

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Die Unternehmerin und alleinerziehende Mutter Nancy Nielsen. © Foto: privat
Nancy Nielsen im Gespräch mit Ute Welty · 19.09.2017
Mehr gesellschaftliche Anerkennung für Selbständige: Das wünscht sich die Unternehmerin und alleinerziehende Mutter Nancy Nielsen. Unternehmer seien "weder Superhelden noch Superarschlöcher" - und nicht pauschal daran interessiert, ihre Mitarbeiter auszunutzen.
Was brauchen die Menschen in Deutschland wirklich? Das fragen wir in dieser Woche Bürgerinnen und Bürger. Eine davon ist die Unternehmerin und alleinerziehende Mutter Nancy Nielsen, die im thüringischen Bad Lobenstein eine Firma für Wandschutzsysteme führt.
Die Chefin von sieben Mitarbeitern wünscht sich von der Politik, dass kleine Unternehmen und Selbständige mehr wahrgenommen würden. Auch in Form von direkten finanziellen Hilfen, "zum Beispiel eben für Digitalisierungsprojekte oder wenn kleine Start-up-Projekte in bestehenden Unternehmen angestartet werden sollen", sagte Nielsen im Deutschlandfunk Kultur. "Da, finde ich, ist noch sehr viel Bedarf."

Zuerst kommt das Unternehmen

Außerdem wünsche sie sich, dass Unternehmer von der Gesellschaft mehr anerkannt würden: Selbständige und Unternehmer seien "weder Superhelden noch Superarschlöcher", betont Nielsen. "Weder ist ein Unternehmen eine Lizenz zum Gelddrucken - da steckt sehr viel Arbeit drin - noch sind Unternehmen pauschal daran interessiert, die Gesellschaft oder ihre Mitarbeiter zum Beispiel auszunutzen."
Nielsen beobachtet, dass von der Gesellschaft "sehr viel Häme" komme, wenn es einem Unternehmen schlecht gehe. Sie selbst opfere viel für ihr Unternehmen, etwa an Freizeit. "Aber eben auch manchmal finanziell, weil natürlich zuerst immer die Verpflichtungen des Unternehmens kommen, der Mitarbeiter, und erst zum Schluss ich." Es gebe Zeiten, in denen für sie selbst dann nur der Mindestlohn übrig bleibe.
(uko)

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Schwierigkeiten bei der Integration von Flüchtlingen, Angst vor Kriminalität und Sorge um Pflege und Betreuung im Alter – die Politik bemüht sich, gerade jetzt vor der Bundestagswahl, diese Themen aufzugreifen. Aber was brauchen die Menschen in Deutschland wirklich? Wir haben uns deswegen mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis verabredet, gestern zum Beispiel berichtete Sandra Megahed von ihrer Tätigkeit als Integrationslotsin:
O-Ton Sandra Megahed: Für die Geflüchteten ist es wahnsinnig schwierig, erst mal hier das System zu verstehen, einen Einblick zu bekommen, wie es abläuft, wie man auch zu einem Job kommt. Denn wir haben jetzt mehr ja auch mit Firmen der Metall- und Elektroindustrie zu tun, da geht es schon auch um anspruchsvollere Tätigkeiten und Beschäftigung, gerade, sage ich mal, auch kleine, mittelständische Firmen bieten ja auch sehr gute Möglichkeiten. Aber die dann auch zu finden mit den, sage ich mal, auch eingeschränkteren Sprachkenntnissen, die richtigen Recherchen zu machen, da braucht es dann halt auch individuelle Begleitung.

"Es ist kein Tag wie der andere"

Welty: Nancy Nielsen führt genau ein solch angesprochenes Unternehmen. Sie ist selbstständig, und zwar in Bad Lobenstein in Thüringen, die alleinerziehende Mutter beschäftigt sieben Mitarbeiter in ihrer Firma, die Wandschutzsysteme fertigt und montiert, zum Beispiel in den Fluren von Altenheimen und Schulen, aber auch in Waschräumen und Operationssälen. Guten Morgen, Frau Nielsen!
Nancy Nielsen: Guten Morgen!
Welty: Sie haben sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Was macht Ihnen Freude daran?
Nielsen: Zum einen natürlich auf jeden Fall die Vielseitigkeit der Aufgaben. Es ist kein Tag wie der andere. Und auch, dass ich alle meine Talente und meine Kreativität voll zum Einsatz bringen kann.
Welty: Was sind denn Ihre Talente und Ihre Kreativität?
Nielsen: Ja, es gibt ganz viele Möglichkeiten zum einen der Gestaltung des Wandschutzes, da kann man sich wirklich ausleben, wenn man auch mal mutige Kunden hat. Zum anderen natürlich auch immer wieder, wie mache ich mein Produkt bekannt, wie kann ich auf Kunden zugehen, welche Möglichkeiten der Vermarktung gibt es? Da ist ja zum Beispiel mein Online-Shop für Privatkunden, das ist so mein Baby, wo ich wirklich all meine Ideen und all meine Kraft reinstecken kann.

"Vieles wird mit Enthusiasmus abgedeckt"

Welty: Die Freude ist ja das eine, aber die Bedingungen müssen ja auch stimmen, gerade als alleinerziehende Mutter. Also, das Geld und die Arbeitszeit oder auch die Möglichkeit, Urlaub zu machen. Kommen Sie da immer auf Ihre Kosten?
Nielsen: Na ja, da wird vieles mit Enthusiasmus abgedeckt!
Welty: Okay! Was heißt das konkret?
Nielsen: Dass ich natürlich nicht … Oder was heißt natürlich, dass ich halt leider manchmal nicht auf meine Kosten komme, sowohl was meine Freizeit betrifft, da gebe ich sehr viel ans Unternehmen, aber eben auch manchmal finanziell, weil natürlich zuerst immer die Verpflichtungen des Unternehmens kommen, der Mitarbeiter, und erst zum Schluss ich.
Welty: Ich frage noch mal ganz plastisch nach: Bleibt für Sie mehr als der Mindestlohn über?
Nielsen: Unter dem Strich in der Regel ja, aber es gibt Zeiten, da bleibt es definitiv nicht mehr übrig.

Weder Superheld noch Superarschloch

Welty: Sie tragen Verantwortung für sich, aber auch für sieben andere Menschen und ihre Familien. Wie sehr kann sich diese Verantwortung auch zur Belastung entwickeln?
Nielsen: Das ist zeitenweise eine sehr große Belastung. Gerade wenn eben Schwierigkeiten sind, Projekte nicht funktionieren, Kunden nicht bezahlen, die Konjunktur, wie man so schön sagt, gerade nicht so günstig für mein Gewerk ist, dann kann man eben nachts nicht schlafen und überlegt: Wo bekomme ich den nächsten Auftrag her, wie bezahle ich Löhne und all diese Dinge, die dazugehören.
Welty: Was wünschen Sie sich da an politischer Unterstützung? Wer kann Ihnen wie dabei helfen?
Nielsen: Zum einen, ich wünsche mir eigentlich zwei Dinge: Ich wünsche mir zum einen eine andere Wahrnehmung durch die Gesellschaft auch, dass Selbstständige und Unternehmen eben weder Superhelden noch Superarschlöcher sind, mal so ein bisschen plakatiert formuliert.
Welty: Wir können hier ruhig offen sprechen, kein Problem!

Keine Lizenz zum Gelddrucken

Nielsen: Denn weder ist ein Unternehmen eine Lizenz zum Gelddrucken, da steckt sehr viel Arbeit drin, noch sind Unternehmen pauschal daran interessiert, die Gesellschaft oder ihre Mitarbeiter zum Beispiel auszunutzen. Und es ist eben sehr schade, finde ich, gerade wenn das Unternehmen schlecht geht, dass dann auch sehr viel Häme da zurückkommt von der Gesellschaft, das finde ich zum Beispiel schade, da sollte sich dringend was in der Wahrnehmung ändern.
Und zum anderen von der Politik wünsche ich mir, dass kleine Unternehmen, Selbstständige mehr wahrgenommen werden und nicht nur so Finanzierungen von kleinen Beratungsprojekten ermöglicht werden, sondern auch wirklich direkte finanzielle Hilfen, zum Beispiel eben für Digitalisierungsprojekte oder wenn kleine Start-up-Projekte in bestehenden Unternehmen angestartet werden sollen, dass es da eine Möglichkeit gibt, sich finanzielle Unterstützungen zu holen. Da, finde ich, fehlt … ist noch sehr viel Bedarf.
Welty: Was brauchen die Menschen in Deutschland wirklich? Das haben wir heute die Unternehmerin Nancy Nielsen aus Bad Lobenstein in Thüringen gefragt, und für die Antworten gibt es ein herzliches Dankeschön! Danke, Frau Nielsen!
Nielsen: Gerne!
Welty: Morgen kommt zu Wort Kevin Kumorka, der Polizist geht in Hildesheim auf Streife.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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