Wanderer der Musikwelten

Von Georg Gruber · 23.05.2012
Seine Hommage an Ennio Morricone ließ den Pianisten Jens Thomas vor zehn Jahren auf einen Schlag in den Jazz-Himmel aufsteigen. Er wurde mit Preisen überhäuft, spielte auf den großen Festivals. Nun hat er eine eigenwillige CD herausgebracht: mit AC/DC-Stücken als Jazz-Balladen.
So klingt AC/DC.
(Musikeinspielung)
Und so klingt das gleiche Stück in der Version von Jens Thomas.
(Musikeinspielung)

Runter gedimmt, ausgebremst, in andere Sphären transponiert. Eine irritierende Platte, voller Schönheit. Für Puristen eine Provokation: "Verkitschter Dachkammerjazz" schimpfte ein Kritiker der "Süddeutschen Zeitung".

Jens Thomas, blond, groß, und jungenhaft trotz seiner knapp 40 Jahre, sitzt in Berlin in seinem hohen Arbeitsraum und kann sich darüber nur wundern:

"An Provokation hab ich ehrlicherweise überhaupt nicht gedacht, weil ich dachte, das Ding ist durch, weil es gibt inzwischen soviel. Heavy Metal Jazz. Wen soll das jetzt irgendwie jucken. Ich hatte aber daran gedacht, dass das ein guter Rahmen sein kann, wo ich auch meine Stimme, die sonst jetzt nur in anderen Bereichen war, in das alte Feld, wo ich mal gearbeitet habe und wo mich Leute noch kannten, wieder zurückzubringen, also etwas zusammenzubringen, das bis dahin getrennt war. Und mir kam das so vor, das ist wie so eine Brücke für mich."

Eine Brücke zwischen verschiedenen Welten: Der Welt des Jazz, in der Jens Thomas berühmt wurde und den Welten, in denen er sich sonst noch bewegt, wenn er sich auf schamanische Klangreisen begibt und mit seiner Stimme arbeitet, die er in den vergangenen Jahren für sich entdeckte.

Aufgewachsen ist Jens Thomas in Hannover, er wurde schon früh von seinen Eltern musikalisch gefördert, vielleicht weil sein Vater einmal mit dem Gedanken gespielt hatte, Opernsänger zu werden:

"Ich glaub die erste Band hab ich so mit 14 gemacht und ich hab in der Zeit auch schon gesungen und mit Texten gearbeitet und so einfach vor mich hin, aber das war mir immer irgendwie peinlich. Und deswegen war die Band, die ich dann gemacht habe, eine Instrumentalrockband und durch diese Instrumentalgeschichte ging es dann irgendwann Richtung Jazz, das war so 1984 Jazzrockzeit, obwohl ich ganz andere Musik gehört habe, damals zu der Zeit."

Mit 21 geht er nach Hamburg, um Jazz zu studieren, nimmt Platten mit einem Trio und solo auf, doch den Durchbruch schafft er erst mit einer Hommage an Ennio Morricone, die 2000 erscheint. "Spiel mir das Lied vom Tod" mal ganz anders. Die Kritiker überschlagen sich in ihren Lobeshymnen, er wird gefeiert, spielt in Montreux und auf anderen großen Festivals.

"Es war mir ehrlich gesagt auch manchmal eine Nummer zu groß, ich kam nicht richtig hinterher – es war fast wie so ein Nachholen, hatte ich dann das Gefühl, ok, für die Arbeit, das Durchhalten, nicht Aufgeben. Aber irgendwie war es alles sehr schnell. Das wichtigste sind die Konzerte, plötzlich an Orten zu spielen, wo ich vorher nie gespielt habe."

Er nimmt weitere Platten auf – doch trotz seines Erfolges verlässt Jens Thomas die engen Jazzpfade, macht Musik fürs Theater, 2003 für "Othello" an den Münchner Kammerspielen. Er improvisiert am Flügel live auf der Bühne. Und: Er beginnt zu singen, während der Proben. Der Regisseur Luk Perceval ermutigt ihn, das auch während der Aufführung zu tun.

"Mit der Stimme hab ich rumexperimentiert und geschrien und ich weiß nicht was noch alles. Und es war aber immer aus der Emotion, es war nie als musikalischer reiner Ausdruck, sondern immer aus dem Inhalt. Da hab ich dann plötzlich gemerkt: Die Stimme, das ist wichtig für mich, das ist ja richtig wichtig. Und das passte einfach zu dem Gesamten: Ich möchte mich neu orientieren, mich weiter entwickeln, aber wie? Und dann ging dieser Prozess los.""

Damals beschäftigt sich Jens Thomas viel mit seiner Familiengeschichte, seinen Vorfahren, dem Weiterwirken der Vergangenheit. Er beginnt, sich für Schamanismus zu interessieren, macht Fortbildungen:

"Die Seele spricht über Bilder und über Töne und die sind nicht zu kapieren. Aber es gibt eine Möglichkeit, die quasi zu übersetzen und in diese Welt einzutauchen. Das ist im Prinzip schamanisches Arbeiten. Ich muss mir dazu aber kein Kostüm umhängen und ich muss auch keine Trommel haben."

Die Stimme ist, so sagt er, ein ideales Transportmittel, um in diese andere, nicht materielle Welt zu gelangen. In den Seminaren, die Jens Thomas gibt, sitzen die Teilnehmer im Kreis, einer sitzt in der Mitte und wird von der Gruppe besungen, in den unterschiedlichsten Tönen.

"'"Da kommen unglaubliche Stücke bei raus, Wahnsinnssymphonien und das wird von den Menschen, die da drin sitzen, oft als sehr heilsam und vor allen Dingen informativ, was ich so wichtig finde, informativ empfunden. Es ist das, was ist. Und da dem einen Raum zu geben, dass man einfach das, was jetzt ist, ausdrücken kann, darum geht's im Prinzip. Und dann ist es einfach reine Improvisation: Kucken, was passiert. Wie in der Musik auch.""

Service:
Jens Thomas spielt am 8.2.2012 in Berlin im A-Trane, am 9.2. in München in der Unterfahrt, am 10.2. in Köln und am 11.2. in Dortmund. Seine Platte "Speed of Grace – A tribute to AC/DC" ist gerade bei ACT erschienen. Weitere Informationen finden Sie auf seiner Homepage.
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