Wagner-Festspiele

Theaterdonner in Bayreuth

Die Leiterinnen der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner (r.) und Eva Wagner-Pasquier sitzen am 25. Juli 2013 in Bayreuth (Bayern) bei einer Pressekonferenz vor Beginn der Bayreuther Festspiele zusammen.
Die Leiterinnen der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner, beklagt sich über großen Druck. © picture alliance / dpa / Tobias Hase
Jürgen Liebing im Gespräch mit Ute Welty · 25.07.2015
Vor Eröffnung der Bayreuther Festspiele geht es turbulent zu, sagt unser Kritiker Jürgen Liebing. Festspielleiterin Katharina Wagner beklagt sich über außerordentlichen Druck vor der Premiere - und muss sich vorwerfen lassen, sie sei überfordert.
Ute Welty: Natürlich kommt die Kanzlerin, natürlich auch mit Ehemann, und das Promispektaktel auf dem roten Teppich auf dem grünen Hügel umfasst dann auch Moderator Thomas Gottschalk und Schauspieler Harald Krassnitzer. Heute werden die Spiele eröffnet – die Bayreuther Festspiele und deswegen ist auch Jürgen Liebing in Bayreuth. Guten Morgen!
Jürgen Liebing: Guten Morgen!
Welty: "Tristan und Isolde" steht heute auf dem Programm in der Inszenierung von Katharina Wagner, die beklagt sich – wen wundert es – über außerordentlichen Druck und muss sich außerdem den Vorwurf machen lassen, sie sei überfordert. Ist das der übliche Donner rund um das dazugehörige Theater?
Liebing: Es gibt eigentlich immer Theaterdonner vorher in Bayreuth, damit daran erinnert wird, ach, die Festspiele sind wieder dran. Dieser Druck, von dem Katharina Wagner gesprochen hat, der ist schon verständlich, weil anders als beispielsweise in Salzburg, wo es ja ein halbes Dutzend Premieren im Musiktheater und im Sprechtheater gibt, gibt es ja in Bayreuth immer nur eine einzige Premiere, und wenn dann auch noch die Festspielleiterin sie inszeniert, ist der Druck sehr groß, denn es ist ihre zweite Inszenierung. Die erste, 2007, waren "Die Meistersinger", da war ihr Vater noch Chef, und die "Meistersinger" sind ja eine Oper, da ist richtig viel Action, da ist ganz viel los und diese Inszenierung hat bis zum Schluss immer für Buhrufe noch gesorgt. Bei "Tristan und Isolde" ist es ja anders, das ist eine Oper, die heißt "Eine Handlung", aber es passiert gar nichts, und wie man die inszeniert, ist schon ein besonderes Kunststück.
Improvisierte Pressekonferenz als Barbecue
Welty: Was können, was dürfen Sie denn von Wagners Inszenierungen musikalisch, künstlerisch erwarten?
Liebing: Ja, wir hätten vielleicht ein bisschen mehr wissen können, wenn gestern bei der improvisierten Pressekonferenz – als Barbecue übrigens –, wenn Katharina Wagner, eben die Regisseurin und Festspielchefin, und Christian Thielemann, der musikalische Leiter, dagewesen wären. Sie waren es aber nicht, und das führte bei den Kollegen und auch bei mir zu einigem Unmut. Es gibt einen guten Grund dafür: Es hat – was man ja vielleicht mitbekommen hat – eine Umbesetzung gegeben der Isolde, jetzt singt heute Abend Evelyn Herlitzius. Und da ist vieles durcheinander geraten, unter anderem, dass bei der Generalprobe, die eigentlich mitgeschnitten werden sollte für die Kinoübertragung, so quasi als Backup, Evelyn Herlitzius nicht gesungen hat – nicht weil sie das nicht kann, sondern weil sie am Abend vorher in München eine Elektra gesungen hat, und das ist auch eine sauschwere Partie, und zwei Tage hintereinander kann man sowas nicht singen, und jetzt muss die Premiere heute mitgeschnitten werden, und da wurde gestern noch viel gearbeitet mit dem Filmteam. Aber ich meine, eine halbe Stunde hätten die beiden schon kommen können und Rede und Antwort stehen müssen, dann wüsste man schon ein bisschen mehr.
Welty: Vor allen Dingen wüsste man vielleicht auch ein bisschen mehr über die Personalien, die Sie schon angesprochen haben, nämlich, dass Katharina Wagner in wenigen Wochen die Festspielleitung alleine übernimmt und dass es einen neuen musikalischen Direktor geben wird beziehungsweise schon gibt, Christian Thielemann. Inwieweit wird das alles den Charakter der Festspiele verändern?
Liebing: Ach, das wird es schon. Ich meine, sie kann oder sie hätte dazu eigentlich auch noch nichts sagen dürfen und können aus, ich sage mal, Pietät, denn ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier ist ja bis zum Ende dieser Festspiele noch Co-Chefin, aber die hat gestern natürlich dann verständlicherweise auch gesagt, warum soll ich mich dahinstellen. Aber es stand da der geschäftsführende Direktor Heinz-Dieter Sense, und der hat ein bisschen erzählt über die Funktion, die Christian Thielemann haben soll als musikalischer Direktor. Einmal ist er verpflichtet, wenn ein Dirigent ausfällt, zu dirigieren, zum anderen kümmert er sich um die Sänger- und Sängerinnenbesetzung, und er soll seine internationalen Kontakte auch nutzen, um Künstler nach Bayreuth zu kriegen, die hier ja für eine weit geringere Gage singen müssen als anderswo.
Welty: Zum letzten Mal dirigiert Kirill Petrenko den "Ring", den wir dann wiedersehen als Chef der Berliner Philharmoniker. Steht er damit heuer unter besonderer Beobachtung?
Liebing: Ach, das glaube ich eigentlich nicht. Er war bei den Generalproben unter besonderer Beobachtung, denn im kommenden Jahr wird Marek Janowski ja, der Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, ihn ablösen. Marek Janowski, der sich immer gegen Regietheater ausgesprochen hat und ja im Wagnerjahr alle Opern in Berlin konzertant in der Philharmonie aufgeführt hat, ist ein klassischer Wagner-Dirigent, auch ein älterer Herr schon, und der ist in den Generalproben gesichtet worden, und man darf gespannt sein, ob es im nächsten Jahr einen ganz anderen Wagner-Klang geben wird als in diesem. Aber ich garantiere es, dass Kirill Petrenko am Ende der "Götterdämmerung" am kommenden Sonntag tosenden Applaus bekommen wird.
Die Hälfte der Opernkarten gibt es jetzt online
Welty: Was sich auch verändert, vielleicht auch verändern muss, das ist der Zuschnitt des Publikums, vielleicht auch durch Maßnahmen wie die Premiere heute der Kinderoper "Parsifal". Sicher das den Nachwuchs in Sachen Publikum für die Oper?
Liebing: Ja, also da muss man schon sagen, um 11 Uhr gibt es "Parsifal", also die letzte Oper von Wagner, als Kinderoper, und dieses Projekt der letzten Jahre hat sich schon sehr bewährt. Da wird ein neues Publikum herangezogen, es wird aber auch ein neues Publikum angesprochen durch die neuen, digitalen und medialen Vertriebswege: Also die Hälfte der Karten wird mittlerweile online verkauft, und online, da sind eben jüngere Menschen einfach affiner als ältere. Also nur die Hälfte der Karten geht noch in den normalen brieflichen Bestellvorgang und die anderen werden ab, ich glaube, irgendwie im Herbst per Online verkauft, und da wird sich schon was ändern und es muss sich sicherlich auch noch einiges ändern, und ich denke, nach dieser Übergangsphase dieser fünf Jahre mit der Doppelspitze, Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner, wird dann ab dem nächsten Jahr manches anders sein.
Welty: Wiedereröffnet wird dann morgen auch das renovierte Wagnermuseum. Durften Sie schon einen Blick riskieren?
Liebing: Hätten wir dürfen, aber viele der Kollegen und auch ich waren vorher in Bregenz bei den Seefestspielen dort und haben es gar nicht geschafft, rechtzeitig gestern ...
Welty: Was ein Stress!
Liebing: Ja! Na ja, um zehn Uhr war der Presserundgang und das klappte einfach nicht, außer man wäre um fünf Uhr früh aufgestanden oder noch früher, aber ich werde mir das schon dann noch – am Sonntag ist, wie gesagt, die Eröffnung –, dann in der kommenden Woche ansehen und man darf sehr gespannt sein, weil es ja richtig einen neuen Anbau gibt und neue Archivräume, wie jetzt Sven Friedrich, der Direktor, dieses Museum es gestaltet hat.
Welty: Unser Mann in Bayreuth heißt Jürgen Liebing, und er kann uns dann noch sagen, ob die Kanzlerin einen Schwitzfleck auf dem Abendkleid hatte! Danke auch dafür!
Liebing: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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