Vulkane auf Island

Wenn der Bardabunga brodelt

Eine Luftaufnahme vom 14.9.2014 zeigt den Vulkan Bardarbunga im Südosten Islands, der Lava und Rauch ausstößt.
Eine Luftaufnahme zeigt den Vulkan Bardarbunga im Südosten Islands, der Lava und Rauch ausstößt. © AFP / Bernard Meric
Von Vanja Budde · 07.10.2014
Brennende Augen, Atemprobleme, tote Vögel: Die Aktivitäten des Bardabunga haben heftige Nebenwirkungen. Noch immer droht der isländische Vulkan mit dem ganz großen Knall, die Gefahr ist nicht gebannt.
Viele der 30 aktiven Vulkane Islands sind von Gletschern bedeckt. Bergführer Birger Thor ist auf dem Sólheimajökull unterwegs: Eine Zunge des großen Gletschers Mýrdalsjökull im Süden der Insel. Das weiß schimmernde Eisschild des Mýrdalsjökull bedeckt die Caldera des mächtigen Vulkans Katla.
Birger stoppt, stemmt die Spikes unter den Wanderstiefeln ins Eis und kratz mit dem Pickel eine Landkarte:
"Wir sind hier. Zwischen diesen beiden Gletschergipfeln haben wir den Vulkan Katla. Katla ist der der drittgrößte aktive Vulkan auf Island. Für uns sind alle Vulkane weiblich. Sie ist zehn Mal größer als Eyjafjalla, die 2010 ausgebrochen ist. Und Katla ist überfällig, sie muss irgendwann in nächster Zeit ausbrechen."
Und das wäre für die Isländer sehr viel fataler als der aktuelle Ausbruch des Bardabunga: Der spuckt seine Lava im unbesiedelten Inselinneren, aber hier an der Südküste wären viele Farmen und Städtchen betroffen. Im nahe gelegenen Küstenort Vik üben sie schon die Evakuierung.
Birger Thor: "Beim letzten Ausbruch 1918 ist das ganze zehn Kilometer breite und 750 Meter dicke Eis in nur vier Stunden geschmolzen. Es stürzte in einem gewaltigen Wasserfall vom Gletscher herab."
Solch gewaltige Flutwellen wären auch am Bardabunga möglich, erklärt Martin Hensch. Der deutsche Seismologe arbeitet seit ein paar Jahren beim Isländischen Wetteramt in Reykjavik:
"Im Augenblick befindet sich die Ausbruchsstelle außerhalb des Gletschers. Wir überwachen natürlich im Moment sehr genau, wie sich das weiterentwickelt. Es steht zum einen zu befürchten, dass sich dieser Riss eventuell weiter nach Süden öffnet und dann auch unter den Gletscher gelangt. In dem Falle würde es zum einen zu einer rapiden Schmelze des Gletschereises kommen, was eventuell zu Flutwellen im Norden Islands führen könnte, zum anderen würde durch den Kontakt von Schmelzwasser und Magma es eventuell zu Dampfexplosionen kommen, die dann auch zu einer Emission von Asche in die Atmosphäre führen könnten."
Stabile Lavaeruptionen seit August
Was am Bardabunga seit August passiert, nennen die Geophysiker eine stabile Lavaeruption. Das Problem: Das Vulkansystem liegt am Vatnajökull, Islands größtem Gletscher.
Martin Hensch: "Die Sorge ist die, dass wir auf der Ringverwerfung um die Caldera des Bardarbunga im Moment sehr viele starke Erdbeben sehen und dass die eventuell eine Schwächezone entlang dieser Verwerfung bilden können, entlang der eventuell Magma aufsteigen könnte und dann zu einem Ausbruch im Zentralvulkan Bardarbunga selbst führen könnte. Ein Ausbruch im Zentralvulkan selber wäre definitiv unter dem Gletscher, aber auch hier spielt es eine ganz große Rolle: Ist der Ausbruch stark genug, um durch den Gletscher durchzubrechen?"
Vulkanausbrüche und Erdbeben prägen das Leben auf Island, seit die ersten Siedler vor tausend Jahren hier ankamen. Die Menschen haben gelernt, sich mit der Bedrohung zu arrangieren, sagt Haraldur Sigurdsson.
Wenn der renommierte Vulkanologe nicht am Bardabunga unterwegs ist, führt er Besucher durch sein privates Vulkanmuseum in seiner Heimatstadt Stýkkisholmur im Westen Islands:
"Diese Karte hier zum Beispiel zeigt die Erdspalte, aus der 1783 die größte Eruption in Island hervorbrach. Es war die größte Katastrophe in unserer Geschichte: Der Riss in der Erdoberfläche war 25 Kilometer lang und 105 Krater brachen alle zur gleichen Zeit aus. Eine unglaubliche Menge Schwefelgas wurde frei gesetzt, das den Boden vergiftete. Drei Viertel aller Tiere auf Island starben. Die menschliche Bevölkerung wurde um ein Viertel reduziert."
Die giftige Aschewolke verdunkelte monatelang den Himmel und zog bis tief auf das europäische Festland. Manche Historiker meinen, dieser Vulkanausbruch auf Island habe Missernten in Frankreich verursacht und sei damit indirekt der Auslöser der Französischen Revolution gewesen, erzählt Haraldur. Im Laufe seines langen Wissenschaftlerlebens hat der 75-Jährige weltweit Eruptionen erforscht:
"Vulkanische Aktivität ist der größte Ausdruck der Kraft und der Energie der Erde. Extrem hohe Temperaturen gehen damit einher, 1200, 1700 Grad Celsius. Vulkanausbrüche sind das größte Spektakel, das es auf der Erde gibt, es sei denn, Du willst bei einer Atomexplosion dabei sein, wozu ich keine Lust habe."
Für eine Entwarnung ist es zu früh
Die Glaziologin Helga Maria Heidarsdottir ist erst Mitte 30, aber auch sie hat schon einige Vulkanausbrüche auf ihrer Heimatinsel mit erlebt:
"Ich arbeitete auf dem Gletscher, den Du auch besucht hast, ich führte eine Tour auf dem Solheimajökull. Wir mussten Masken und Schutzbrillen tragen, weil der Vulkan gleich neben uns nur so die Asche heraus geschleudert hat. Und man konnte ihn kreischen hören. Als wären die umliegenden Berge eine Art Resonanzraum, in dem ein Riese schreit. Die Natur war wirklich lebendig."
Vulkane sind unberechenbar, deswegen ist es für den Seismologen Martin Hensch auch so schwierig zu sagen, wie sich die Situation am Bardabunga entwickeln wird. Eins ist klar, Entwarnung kann er nicht geben:
"Was wir momentan sehen, könnte der Anfang einer länger anhaltenden Rifting-Episode sein. Das heißt, dass sich die Nordamerikanische und die Eurasische Platte auseinanderbewegen und der Spalt, der sich dazwischen bildet, mit Magma gefüllt wird und es zu einzelnen Ausbrüchen kommt. Wie lang das aber hier jetzt weitergeht und ob wir nach dem Ausbruch, der jetzt momentan im Gange ist, mit einem weiteren rechnen müssen, das müssen wir dann neu bewerten: Erhöht sich der Magmadruck wieder oder beruhigt sich die ganze Lage? Das lässt sich nicht vorhersagen."
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