Vorwahlen in Iowa

"American Angst" anstatt "American Dream"

Demokratischer Parteianhänger trägt ein T-Shirt mit Bernie-Sanders-Porträts.
In Des Moines (Iowa) trägt ein demokratischer Parteianhänger ein T-Shirt mit Bernie-Sanders-Porträts. © dpa / picture alliance / Tannen Maury
Von Sabina Matthay · 01.02.2016
Als Barack Obama 2008 zum ersten schwarzen US-Präsidenten gewählt wurde, war das eine Bestätigung des "American Dream": Jeder kann es schaffen. Doch inzwischen sind viele Wähler enttäuscht. Wenn heute in Iowa die Vorwahlen beginnen, lauert im Hintergrund ein neues Phänomen, die "American Angst".
Barack Obama steht nicht mehr zur Wiederwahl. Deshalb versprach er nichts mehr und kündigte er nichts mehr an in seiner letzten Rede zur Lage der Nation. Vielmehr versuchte er seine Landsleute aufzumuntern – mit einem optimistischen Bild. Konjunktur und Wirtschaft hätten sich erholt und die USA wieder Ansehen in der Welt.
Der schwarze Präsident, der sein Volk nicht versöhnen konnte, redete ihm aber auch ins Gewissen. Statt mit Selbstvertrauen reagiere die Nation mit Angst und Zerstrittenheit auf die neue Zeit. Denn der ur-amerikanische sonnige Glaube an den "American Dream" scheint, wie Umfragen belegen, einer nicht gekannten Verzagtheit gewichen zu sein.
Populisten beschwören den Kampf gegen das Böse
Der Schock der Finanzkrise sitzt noch immer tief. Vor allem die Mittelschicht fürchtet um Status und Sicherheit. Die Literatur über ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft ist längst ein eigenes Genre. Die rechtspopulistische Tea Party steht für die Wut über den geplatzten amerikanischen Traum. Und in diese Kerbe hauen die Populisten unter den Präsidentschaftsbewerbern bisher äußerst erfolgreich.
Ob Trump bei den Republikanern oder Sanders bei den Demokraten, sie beschwören den Kampf von Gut gegen Böse, preisen simple Antworten auf komplexe Probleme und malen eine Apokalypse aus, nach der die anständige Mehrheit der Bürger durch bestimmte Gruppen von Bösewichten ruiniert werde, seien es Mexikaner, Milliardäre oder Politiker.
Keine Rolle spielt, dass selbst sozial schlechter gestellte Amerikaner ein höheres Einkommen haben, weniger Armut erfahren und viel mehr soziale Leistungen erhalten als ihre Großeltern. Die Zahl der Haushalte mit mittlerem Einkommen – die Mittelschicht also - ist tatsächlich geschrumpft, aber vor allem, weil ein bedeutender Teil jetzt zur oberen Einkommensschicht zählt.
Werte sind mit dem Wohlstand abhandengekommen
Den Amerikanern mangelt es eher an Werten als an Geld. Zu Zeiten, als sie ärmer waren, kultivierten sie Monogamie und Treue, Nüchternheit und Sparsamkeit. Heute dagegen vermissen sie die Prinzipien, die ihnen mit dem Wohlstand abhandengekommen sind. Ihre neue Verzagtheit erklärt sich demnach nicht aus einem wirtschaftlichen, sondern aus einem kulturellen Wandel.
Der amerikanische Traum, 1931 von James Truslow Adams beschrieben, erzählt die klassische Geschichte vom armen, aber ehrgeizigen und leistungswilligen Arbeiter, der seine Familie in die Mittelschicht hebt. In den USA wurde dieser Traum für eine riesige Zahl an Menschen Wirklichkeit. Millionen sind ihm gefolgt und aus dem Ausland eingewandert. Nicht nur der Jobs wegen übrigens, sondern auch, weil dieser Traum Chancengleichheit und Selbstbestimmung verspricht.
2013 waren 41,2 Millionen Einwohner Immigranten, rund 13 Prozent. Über 520 000 Menschen kamen im selben Jahr hinzu. Zuwanderung aber hat auch in den USA stets zu Spannungen mit den Alteingesessenen geführt, auch heutzutage wieder.
Bislang wurden soziale Widersprüche stets ausbalanciert
Trotzdem ist es der amerikanischen Gesellschaft immer wieder gelungen, soziale Widersprüche auszubalancieren. Das Gespür für Demokratie, Fairness und Freiheit siegte über negative Einstellungen zu Staat und Politik, über religiöse und kulturelle Bigotterie, auch Willkommenskultur über Fremdenfeindlichkeit. Nur selten hatten Populisten durchschlagenden Erfolg, mögen sie auch notwendige Debatten angestoßen haben.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie die Amerikaner in den Monaten bis zur Wahl im Herbst ihre verzagte Angst bezwingen werden und welchem Präsidentenbewerber sie ihren Traum anvertrauen. Sie sind für eine Überraschung gut.
Sabina Matthay, geboren 1961, studierte Angewandte Sprachwissenschaft in Saarbrücken - mit Abstechern nach Exeter in England und Urbino in Italien. 1990 geht sie zum Deutschen Dienst des BBC-Hörfunks in London. Nach der Rückkehr bleibt sie dem Radio treu und arbeitet für verschiedene ARD-Sender. Schwerpunkte sind Geschichte und Gesellschaft Großbritanniens und seiner früheren Kolonien und Mandatsgebiete - nur Afrika ist noch ein weißer Fleck auf dieser persönlichen Landkarte.
Sabina Matthay, ehemalige ARD-Korrespondentin für Südasien, jetzt freie Autorin.
Sabina Matthay© Deutschlandradio / Cara Wuchold
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