Vorstoß in unendliche Weiten

14.10.2007
Vor genau 50 Jahren ist der erste Satellit ins All gestartet. Sputnik markiert den Beginn der Raumfahrt. Aus diesem Anlass sind etliche Bücher erschienen. Um es kurz zu machen: "Aufbruch ins All - die Geschichte der Raumfahrt" ist vermutlich das beste davon.
Harro Zimmer beschreibt 50 Jahre Raumfahrt aus einer sehr privilegierten Position: Der Autor, Jahrgang 1935, hat die gesamte Raumfahrtgeschichte live miterlebt. Zum Teil hat er während seiner Tätigkeit bei der US-Weltraumbehörde NASA sogar am Rande daran mitgewirkt. Diese Nähe zum Thema, dieses eigene Miterleben, Mitfiebern und manchmal auch Mitleiden merkt man dem Buch auf jeder Seite an. Damit ist es ein sehr persönliches Buch, aber gerade das hebt dieses Werk von vielen anderen Raumfahrtbüchern ab.

Inhaltlich bieten die 144 durchgehend farbig bebilderten Seiten einen wunderbaren Streifzug durch die Geschichte der Raumfahrt. Es beginnt in Kaluga, Schäßburg und Worcester. In diesen Orten, die kaum jemand kennt, haben drei Pioniere der Raumfahrt gearbeitet: Konstantin Ziolkowski, Hermann Oberth und Robert Goddard. Der Autor beschreibt, wie diese drei - von denen nur Hermann Oberth den Sputnik-Start noch erlebt hat - mit grundlegenden Arbeiten und Experimenten der Raumfahrt den Weg geebnet haben. Danach schildert Harro Zimmer die Arbeit Wernher von Brauns und seines Teams in Peenemünde an der berüchtigten V2-Rakete und wie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die USA und die Sowjetunion die deutschen Ingenieure für ihre Zwecke einspannten.

Erst der Kalte Krieg machte die rasante Entwicklung der Raumfahrt möglich. Der Start von Sputnik schockte die USA, mehr noch vielleicht 1961 der Flug von Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All. Danach entbrannte der Wettlauf zum Mond. Harro Zimmer beschreibt sehr ausführlich, unter welchem Druck die Ingenieure arbeiten mussten, welche Hürden zu nehmen und welche Rückschläge zu verkraften waren. Viele der Beteiligten kommen selbst zu Wort oder der Autor zitiert aus Dokumenten. So ist das Buch sehr authentisch und anschaulich. Dank der mehr als 150 Abbildungen, manche füllen eine ganze Seite des großformatigen Buches, lässt sich die Geschichte der Raumfahrt auch rein optisch nachvollziehen: Bilder von historischen Raketenstarts, der Astronauten auf dem Mond oder von den Ringen des Saturn zeigen unmittelbar die Faszination der Raumfahrt.

Harro Zimmer, der Grandseigneur der Raumfahrtjournalisten in Deutschland, ordnet die technischen und politischen Entwicklungen in den großen Kontext ein. So bietet er dem Leser Orientierung. Trotz der Fülle an Information weiß man beim Lesen stets, was wirklich wichtig und was eher eine bemerkenswerte Randnotiz ist. Mit der packenden Schilderung des Wettlaufs zum Mond, dem Erfolg der Amerikaner und dem Scheitern der Sowjets, hört das Buch natürlich nicht auf. Es geht weiter mit den ersten sowjetischen Raumstationen, mit dem glücklosen amerikanischen Skylab, der überragenden MIR-Station und schließlich mit der heutigen ISS. Leider wird nur sehr flüchtig beschrieben, wie die Amerikaner die fatale Entscheidung für das sündhaft teure Space-Shuttle-Programm getroffen haben - eine Entscheidung, die bis heute die bemannte Raumfahrt prägt. Andererseits lässt sich auf 144 Seiten nicht jedes Thema in der gebotenen Breite darstellen.

Zwar faszinierend vom Thema, aber in diesem Buch doch fast entbehrlich, ist das Kapitel "Vorstoß ins Sonnensystem". Hier geht es um die Raumsonden, die mit Ausnahme von Pluto alle Planeten angesteuert haben. In Anbetracht der vielen Sonden und des wenigen Platzes erscheint dieses Kapitel notgedrungen oft sehr oberflächlich. Die letzten zehn Seiten bieten schließlich eine sehr umsichtig ausgewählte Chronologie der Raumfahrt. Im vorderen Buchdeckel findet sich eine äußerst nützliche Weltkarte mit allen Raketenstartplätzen auf der Erde. Im hinteren Buchdeckel sind die Bahnen und Größen der Planeten dargestellt.

Fazit: Im Buch "Aufbruch ins All" erlebt man eine ganz persönliche Reise durch den Kosmos, bei der nicht nur die technischen und politischen Aspekte eine Rolle spielen, sondern vor allem die beteiligten Personen. Der 50. Jahrestag des Sputnik-Starts ist vorbei - Harro Zimmers Buch bleibt. Zum Glück.

Rezensiert von Dirk Lorennzen

Harro Zimmer: Aufbruch ins All - die Geschichte der Raumfahrt
Primus-Verlag 2007
144 Seiten, 29,90 Euro