Vorgespult

Schwierige Familien

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Der Hotelbetreiber und ehemalige Schauspieler Aydin (Haluk Bilginer) in einer Szene des Films "Winterschlaf". © picture alliance / dpa / Nuri Bilge Ceylan / Weltkino Filmverleih
Von Noemi Schneider  · 10.12.2014
Drei Filme widmen sich dem Thema Familie: Eine strapaziöse Reise zwischen Balkan und Berlin, ein schwieriges Mutter-Tochter-Verhältnis in der österreichischen Provinz und ein eitler türkischer Patriarch, dessen wohlgeordnete Welt ins Wanken gerät.
"Ich bin Adriana Altaras. Ich bin 1960 geboren in Zagreb. Mit drei hat man mich nach Italien geschmuggelt und mit sieben steckte man mich in ein Waldorf-Internat in Deutschland. Mittlerweile lebe ich in Berlin. Ich bin Schauspielerin oder ich führe Regie. Und ich bin Jüdin. Das sind meine Eltern. Meine Dibbuks. Dibbuks, das sind die Geister der Toten, die den Lebenden keine Ruhe lassen und ihnen nachts den Schlaf rauben."
Vor drei Jahren veröffentlichte Adriana Altaras den autobiografischen Beststeller "Titos Brille", in dem sie ihre "strapaziöse Familiengeschichte" in Kroatien, Italien und Deutschland aufarbeitet. In dem gleichnamigen Dokumentarfilm von Regina Schilling begibt sich die Schauspielerin und Regisseurin nun im alten Mercedes ihres Vaters vor laufender Kamera auf eine Reise in die Vergangenheit.
"Mein Vater Jakob. Spitzname Yakitzka. Ein armer Straßenjunge aus Split. Partisanenheld, Frauenheld, Opernliebhaber, begnadeter Witzeerzähler und Espresso-Connaisseur. Il grande professore, mit Bundesverdienstkreuz am Bande. Mein Vater war eine Koryphäe auf vielen Gebieten, aber vor allem auf dem, der Radiologie."
"Titos Brille“ ist ein unterhaltsamer und kurzweiliger Film, der mit beeindruckender Leichtigkeit vom schmerzlichen Ringen mit einem schwierigen Erbe zwischen Balkan und Berlin erzählt.

Titos Brille
Regie: Regina Schilling
Mit: Adriana Altalas
Länge: 84 Minuten
Deutschland 2014, FSK 0

Sommerferien. Die 14-jährige Jasmin soll mit ihrer Pflegefamilie nach Italien fahren. Ihre leibliche Mutter Eva wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen.
"Eva? Was stellst du dir vor, was passieren kann, wenn du dich wirklich mit ihr triffst?"
"Keine Ahnung."
Jasmin haut von zu Hause ab und überredet ihre Mutter zu einem gemeinsamen Wochenendausflug in die Berge.
"Haben Sie ein Doppelzimmer frei?"
"Da steht , dass deine Tochter vermisst wird, wenn’s überhaupt deine Tochter ist?"
"Du hast mich die ganze Zeit verarscht!"
Das vollkommen zurecht, beim Max-Ophühls Preis ausgezeichnete Spielfilmdebüt "Talea" der österreichischen Regisseurin Katharina Mückenstein ist eine sehr subtile Charakterstudie über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Großes Kino, das ganz beiläufig daher kommt. Sophie Stockiger und Nina Proll brillieren in den Hauptrollen.

Talea
Regie: Katharina Mückenstein
Mit: Sophie Stockinger, Nina Proll, Philipp Hochmair
Länge: 75 Minuten
Österreich 2013

"Winterschlaf"
"Guten Morgen! Haben Sie schon gefrühstückt?
Hab ich schon, danke.
Ich hab nämlich Pilze gesammelt. Reizker. Gebraten schmecken die toll, ich lass ihnen welche machen.
Nein, vielen Dank, ich bin satt."
Der ehemalige Schauspieler Aydin betreibt in der beeindruckenden Felslandschaft Kappadokiens ein kleines Hotel. Wie ein König regiert er seine Besitzungen rund um das Hotel, wo er mit seiner deutlich jüngeren Frau Nihal und seiner geschiedenen Schwester in der winterlichen Abgeschiedenheit Zentralanatoliens residiert. Nach und nach wird der eitle, herablassende Zyniker, der sich hinter Aydins schöngeistiger Fassade verbirgt, sichtbar, denn der "kleine König" versteht es seine Mitmenschen mit seiner perfiden und selbstgerechten Art zu zermürben, besonders seine Frau.
"Winterschlaf"
"Und darum frage ich dich jetzt, kannst du mir bitte ohne die Ruhe zu verlieren und in kurzen knappen Sätzen sagen, warum ich Deiner Meinung nach schuldig bin?
Ich bin sehr müde, ich kann nicht sprechen. Später vielleicht.
Was ist das für eine Schuld? Was habe ich Dir getan?"
"Winterschlaf", der Gewinner der goldenen Palme bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes ist ein sehr präzises und äußerst beklemmendes Kammerspiel des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Ceylan in imposanten Bildern und langen Dialogsequenzen. Für dessen 196 Minuten man allerdings einen langen cineastischen Atem braucht.

"Winterschlaf"
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Mit: Haluk Bilginer, Demet Akbag, Melisa Sözen
Länge: 196 Minuten
Türkei, Frankreich, Deutschland 2014

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