Vorgespielte Liebe im Netz

Von Julia Eikmann · 04.06.2013
Heiratsschwindler hat es wohl schon immer gegeben. Mit dem Internet eröffnen sich ihnen ganz neue Möglichkeiten. Überall, wo Menschen online miteinander in Kontakt treten, legen die Täter ihre Fallen aus. Und die Polizei kann fast nichts dagegen machen.
"Also, ich bin seit ein paar Jahren Mitglied bei Facebook. Eines Tages hab ich bei Facebook eine Nachricht bekommen von einem völlig fremden Menschen, der auch nicht unter meinen Facebook-Freunden war. Der Mann heißt George David. Und hat mich angeschrieben mit Hello Sweety, how are you? – und das hat mich schon mal gleich berührt."

Eigentlich war Eva gar nicht auf der Suche nach einem Mann. Die agile Rentnerin hält über das soziale Netzwerk Kontakt mit ihren Kindern und Neffen. Eva ist nicht ihr richtiger Name. Sie möchte anonym bleiben, auch um ihre Familie zu schützen. Als die Nachricht auf dem Computer der 64-Jährigen mit der dicken roten Mähne und dem sympathischen Gesicht aufpoppt, ist sie alles andere als misstrauisch. Sie fühlt sich geschmeichelt: Sie sehe jünger aus, schreibt der Unbekannte, ob sie vielleicht ein Geheimnis hätte? Trotzdem lässt Eva die Nachricht lange unbeantwortet in ihrem Postfach liegen.

"Und dann hatte ich wohl mal eines Tages Langeweile oder keine Ahnung, was mich da geritten hat, aber ich habe ihm geantwortet. Und er hat auch prompt geantwortet und so entstand ein reger Kontakt und wir sind auch quasi täglich in Kontakt gewesen."

Per Mail, aber auch via Internet-Telefonie. Jeden Morgen reden die beiden eine Stunde lang. Sehen kann dabei nur er sie – George hat angeblich keine Kamera an seinem Computer. Der Mann mit der Soulstimme erzählt, dass er Biologe sei, aus Paraguay, in London lebend, dass seine Frau an Krebs gestorben sei und von seinen beiden Kindern. Spätestens damit hat er sie.

"Es hat gleich in mir Muttergefühle geweckt, also es hat total 'nen Nerv getroffen. Dazu noch dieser Typ, der aussieht wie Meister Propper, also groß und kräftig, und einen Beschützerinstinkt bei mir ausgelöst hat. Also dass er mich beschützen könnte, also was eben so Jungmädchenträume sind, die hab ich jetzt im hohen Alter noch gehabt. Das hat das alles bei mir ausgelöst."

Wie Eva tappen jedes Jahr Tausende von Frauen und Männern in die Fallen der Romance Scammer, die Liebe vortäuschen und es doch nur auf das Geld ihrer Opfer abgesehen haben. Vor allem ältere Menschen sind betroffen, die das Internet gerade erst für sich entdecken und noch unerfahren sind im Umgang mit digital vermittelter Kommunikation. Aber die Geschichten der Betrüger sind so raffiniert, dass auch internetaffine Menschen nicht davor gefeit sind, auf sie rein zu fallen. Bei der gelernten Programmiererin Eva fällt der Groschen nach sechs Wochen. George hat einen Besuch in Aussicht gestellt. Auf dem Rückflug von Malaysia.

"Er hatte mir geschrieben, dass er nach Malaysia müsste und das Anwesen seines Vaters auflösen, der kurz zuvor verstorben war. Der Finanzbeamte hat gesagt, dass er die 6000 Dollar Mehrwertsteuer für das Anwesen zahlen muss. Und George hat seinem Anwalt gesagt, dass seine Frau ihm das Geld überweisen würde. Sagt er, wir wären ja schon so gut wie verheiratet. Und als er das gesagt hat, habe ich den Hörer aufgelegt und den Kontakt abgebrochen."

Resolut, schmerzhaft – und die einzig richtige Entscheidung. Aber längst nicht alle Betroffenen wollen wahr haben, dass sie um ihre Gefühle betrogen worden sind. Und bezahlen. Die Webseite singleboersen-vergleich.de spricht von 8000 Fällen und einer Schadenssumme von 10 Millionen Euro im Jahr allein in Deutschland. Belastbare Zahlen gibt es allerdings nicht. Weil soziale Netzwerke in diese Zählung gar nicht mit eingeflossen sind. Weil viele Geschädigte aus Scham keine Anzeige aufgeben. Und weil die Polizei keine Statistiken führt. Denn die Jagd nach dem Phantom wird oftmals gar nicht erst nicht in Angriff genommen. Carsten Szymanski ist Leiter der Abteilung für Cyberkriminalität beim LKA Berlin:

"Ist die Kommunikation allein auf das Internet bezogen und mit anonymer Zahlmethode, dann sehe ich dort keine Anhalte für erfolgreiche Ermittlungen, und so sind dann auch die Ermittlungen, so werden sie abgeschlossen."

Falsche Namen, falsche Fotos, IP-Adressen der Computer, die in das außereuropäische Ausland, führen – so haben die Ermittler keine Chance, den Täter dingfest zu machen. Auch ihr Geld sehen die Betrogenen nie wieder.

"Weil Gelder sofort verfügt, abgehoben werden können, und die Täter nur auf Geld aus sind und die Sicherung des Geldes. Das herkömmliche Gedankengut ist ja, ich überweise das auf ein Konto und kann es zurückholen. Aber das kann man überhaupt nicht. Wenn sie per Western Union Geld überweisen, ist es weg."

Weltweite Geldtransfers via Western Union, diese Zeit haben die Betrüger längst hinter sich gelassen. Viele nutzen mittlerweile das Paypal-System für Überweisungen. Das ist bereits etabliert und suggeriert Sicherheit. Um das Verwirrspiel perfekt zu machen, täuschen umgeleitete IP-Adressen einen Telefon- und Internetanschluss in London vor, obwohl der Scammer ganz woanders sitzt. Wenn sich überhaupt noch Spuren der organisierten Kriminellen rekonstruieren lassen, dann führen die häufig nach Nigeria – und verlieren sich dort.

Die Polizei empfiehlt daher, von Anfang an mit einer gesunden Skepsis in die Kommunikation mit Fremden zu gehen. Ist der Vorstellungstext auf dem Datingportal logisch korrekt formuliert? Oder entstammt er womöglich einem Übersetzungscomputer?

Automatische Stimme liest: "Ich für immer dich lieben mein Schnecke Schatz."

Sollte es mir zu denken geben, wenn eine Person, mit der ich erst seit wenigen Wochen im Chat kommuniziere, mir ewige Liebe schwört und mich heiraten will?

Sprecher: "Wir gehören zusammen, Baby, das habe ich sofort gespürt!"

Ist es wahrscheinlich, dass mein digitales Gegenüber wirklich ein bildschönes Model auf Partnersuche ist?

Sprecherin: "Ich bin blond, schlank und liebe es zu tanzen."

Am allerwichtigsten aber: Spätestens sobald nach Geld gefragt wird, sollten alle Alarmglocken schrillen und der Kontakt abgebrochen werden! Auch Eva ist so gerade noch rechtzeitig aufgewacht. Mit gebrochenem Herzen zwar, aber gerade noch rechtzeitig.