Vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern

Das große Zittern der etablierten Parteien

Wahlplakate verschiedener Parteien hängen in Mecklenburg-Vorpommern nebeneinander an einem Zaun.
In Mecklenburg-Vorpommern bewerben sich 19 Parteien um den Einzug in den Schweriner Landtag. © Deutschlandfunk / Silke Hasselmann
Moderation: Axel Flemming  · 02.09.2016
Bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern droht den etablierten Parteien ein Debakel: Das jüngste ZDF-Politbarometer sieht die AfD mit 22 Prozent auf Platz zwei, gleichauf mit der CDU. Selbst eine Mehrheit für die Große Koalition scheint nicht mehr sicher.
Am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Den etablierten Parteien droht ein Debakel, die AfD dagegen darf auf ein gutes Ergebnis hoffen: Sie liegt nach jüngsten Umfragen in der Wählergunst mit 22 Prozent auf Platz zwei, gleichauf mit der CDU. Es führt die SPD von Ministerpräsident Erwin Sellering mit 28 Prozent. Allerdings erklärten 38 Prozent der Wahlberechtigten, sie seien noch nicht sicher, wen sie wählen wollten oder ob sie überhaupt zu Wahl gehen sollten.
Eine brisante Gemengelage in einem Land mit einer Arbeitslosenquote von neun Prozent, aus dem viele junge Menschen abgewandert sind, weil sie keine Aussicht auf einen Job hatten. Was bedeutet der Siegeszug der Rechtspopulisten für Mecklenburg-Vorpommern? Welches Signal geht davon für die anderen Wahlen aus - auch im Bund?
Über diese und weitere Fragen diskutieren im "Wortwechsel":

Ingo Schlüter, Stellvertretender Vorsitzender des DGB Nord: "Mit den Rechtspopulisten von der AfD – da sind wir ganz sicher - wird Mecklenburg-Vorpommern auch keinen Staat machen können", sagt Schlüter. "Wir wollen nicht, dass diese Rechtspopulisten Einfluss auf die Landespolitik, auf das Landesparlament bekommen."
Er erwarte von demokratischen Fraktionen im Landtag einen strikten, inhaltlichen Abgrenzungskurs. Der Gewerkschafter wirft der AfD vor, bei Wahlkampfverantstaltungen immer wieder "Kreide zu fressen, aber an vielen Stellen in ihrem tatsächlichen Handeln und in ihren Papieren sich dann doch als Demokratiefeinde zu erkennen geben".
Silke Hasselmann, Deutschlandradio-Landeskorrespondentin für Mecklenburg-Vorpommern, hingegen warnt davor, die AfD und deren Wähler pauschal in die "Nazi-Ecke" zu stellen. "Ich erlebe bei den Reisen durchs Land, dass viele Leute von diesem Umgang mit der AfD (…) total genervt sind und sagen: Das kann nicht sein, diese Dauerdämonisierung."
Diese sei auch nicht im Sinne eines wirklichen Demokratieverständnisses, "das ja viele Diskutanten, ja, auch Sie vom DGB, hervorheben: Demokratie, Demokratie. Ja, dann bitte doch Demokratie für alle so lange respektieren und einfordern, wie es im Zweifel auch unbequem ist! Es sei denn, es handelt sich wirklich um verfassungsfeindliche Organisationen oder verfassungswidrige. Kann ich bei der AfD nicht erkennen."
Prof. Dr. Hans Vorländer, Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der Technischen Universität Dresden, plädiert für eine "differenzierende" Strategie im Umgang mit der AfD: "Die inhaltliche Auseinandersetzung ist ganz entscheidend."
Gleichzeitig mahnt Vorländer, man solle aus der Erfahrung lernen, die man in Sachsen im Umgang mit Pegida gemacht habe. "Man darf nicht die Menschen, die eine solche Partei nutzen, um ihren Protest gegen alles mögliche auszudrücken, von vornherein als Nicht-Demokraten bezeichnen", so der Politikwisseschaftler. "Wenn man sagt: 'Die AfD ist per se nicht demokratisch', ist das auch quasi ein Unwerturteil über solche, die am kommenden Sonntag die AfD wählen." Damit mache man die AfD zum Außenseiter, was genau die Rolle sei, die die Partei suche: "Aus diesem Außenseiter- und Opferstatus heraus gewinnen sie dann ein ganz bestimmtes Momentum, eine bestimmte Dynamik."
Jan "Monchi" Gorkow, Sänger der Band "Feine Sahne Fischfilet", beklagt die Vernachlässigung des ländlichen Raums durch die etablierten Parteien: "Da, wo ich herkomme in der Region aus dem Landkreis Demmin - den gibt's ja nicht mal mehr -, hängt alles nur voll mit NPD-, AfD-Plakaten. Da hängen nicht mal mehr ein paar Alibi-Plakate der Sozen."
Der Sänger kritisiert, es findet "eine völlige Entpolitisierung" statt. "Ich bin Lokalpatriot, ich finde es nicht schlimm, wenn jemand sagt: 'Aus Liebe zu MV'". Aber als Hauptwahlkampfslogan einer linken Partei sei das "völlige Volksverdummung", so Jan "Monchi" Gorkow. "Nur noch erbärmlich! Bloß nicht irgendwie einen Streit suchen, nicht irgendwie konfrontativ hingehen. Da wird lieber auf einem Volksfest über den Pflaumenkuchen gelabert."
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