Vor 25 Jahren: Währungsunion

"Nur ein Schritt auf dem Weg zur Einheit"

Eine Dresdner Familie tauschte am 01.07.1990 in einer Sparkasse in Dresden Ostmark gegen D-Mark. Am 01. Juli 1990 trat die Währungsunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in Kraft.
Währungsunion am 01.07.1990: Eine Dresdner Familie tauscht in einer Sparkasse in Dresden Ostmark gegen D-Mark. © picture alliance / dpa / Foto: Ulrich Hässler
Christa Randzio-Plath im Gespräch mit Nana Brink · 18.05.2015
Welche Folgen hatte die Währungsunion in Deutschland für Europa? Eine politische Bedeutung für die EU hatte sie definitiv nicht, sagt rückblickend die SPD-Politikerin und ehemalige EU-Parlamentarierin Christa Randzio-Plath. Denn der Euro wurde einige Jahre später eine neue Währung unter gleich starken Partnern.
Der Mauerfall sorgte in Brüssel für Wirbel. Die SPD-Politikerin Christa Randzio-Plath, die damals für die europäischen Sozialdemokraten im EU-Parlament saß, erinnert sich noch gut daran, dass viele Parlamentarier sofort nach Berlin fuhren, um alles "live" mitzuerleben. Für weniger Wirbel dagegen sorgte die Währungsunion ein gutes halbes Jahr später:
"Die politische Entscheidung, nämlich dass Deutschland wieder vereint werden könnte, war das Entscheidende. Eigentlich war die Währungsunion nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zu dieser deutschen Einheit. Das heißt, sie wurde eigentlich auch als rein deutsche Angelegenheit von den anderen europäischen Staaten gesehen."
Keineswegs habe der Wechsel von der DDR-Mark zur D-Mark Modellcharakter für die spätere Währungsunion der EU und den Euro gehabt, betont Randzio-Plath. In Deutschland habe es sich vielmehr um eine Währungsreform für die DDR-Bürger gehandelt, die von "schwach" zu "stark" gewechselt hätten. In der EU, wo eine gemeinsame Währung bereits seit den 60er-Jahren im Gespräch gewesen sei, habe es dagegen den Übergang gleichstarker Partner in eine komplett neue Währung gegeben.


Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Kommt die D-Mark, bleiben wir; kommt sie nicht, gehen wir zu ihr! – Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Spruch auf vielen Plakaten im Frühjahr 1990? Zwar hatte die DDR seit März ein erstes frei gewähltes Parlament, aber alles schien ja darauf hinauszulaufen, dass sich die beiden deutschen Staaten vereinigen würden und die D-Mark das Maß aller Dinge sein würde. So geschehen auch am 18. Mai 1990, da unterzeichneten die Bundesrepublik und die DDR den Staatsvertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Und für den damaligen Bundeskanzler Kohl war das die Geburtsstunde eines freien und einigen Deutschland. Aber wie haben das die Nachbarn in der EU und die Kommission gesehen? Christa Randzio-Plath war lange Jahre für die SPD im Europaparlament, bis 2004 Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Währung. Guten Morgen, Frau Randzio-Plath!
Christa Randzio-Plath: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wenn Sie heute auf den 18. Mai 1990 zurückblicken, wie wurde die deutsche Währungsunion da in der EU angenommen?
Randzio-Plath: Die politische Entscheidung, nämlich dass Deutschland wieder vereint werden könnte, war das Entscheidende. Eigentlich war die Währungsunion nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zu dieser deutschen Einheit. Das heißt, sie wurde eigentlich auch als rein deutsche Angelegenheit von den anderen europäischen Staaten gesehen, weil ja auch die Bundesregierung damals immer wieder gesagt hatte, wir brauchen die politische Solidarität, die politische Zustimmung. Aber wir schaffen das schon, unsere Einheit alleine zu gestalten und die Landschaften zum Blühen zu bringen.
Für Brüssel war die Währungsunion eine deutsche Angelegenheit
Brink: Was waren die Bedenken?
Randzio-Plath: Gegen die deutsche Währungsunion habe ich nie Bedenken gehört. Es war völlig klar, dass eine Regierung, die einem solchen Ansturm von Menschen auch ausgesetzt war, handeln musste. Und es war also ja auch irgendwo etwas nicht so besonders politisch Brisantes, denn es ging ja eigentlich, wenn man so will, um die Ausdehnung eines Währungsraums, es ging ja nicht um eine richtige Währungsunion, wie sie nachher zwischen gleich starken Währungen in der europäischen Währungsunion gegründet worden ist.
Brink: Hat man dann auch Hoffnungen damit verbunden? Weil Sie gesagt haben, es war eine Ausweitung ja des Währungsraums, was hat man in Brüssel vielleicht auch erhofft?
Randzio-Plath: Nun, man hat sicherlich erhofft, dass es einen reibungsloseren Übergang gibt auch für die Menschen in den neuen Bundesländern, als das nachher anschließend der Fall gewesen ist. Und wir haben ja gesehen, wie schwierig das auch war, mit der Einführung der D-Mark sowohl die Marktwirtschaft wie auch die soziale Marktwirtschaft einzuführen, die entsprechenden Institutionen zu schaffen und die richtigen Verrechnungskurse zu finden. Das waren ja alles politische Entscheidungen, auch ganz anders als später bei der europäischen Währungsunion, wo man ja davon ausging, dass gleich gutes Geld zusammengeht, und damit auch also Konvergenzkriterien verband, die leistungsfähige Volkswirtschaften auch erfüllen mussten.
Christa Randzio-Plath (SPD), Vorsitzende des Landesfrauenrates Hamburg und des Marie-Schlei-Vereins, spricht am 12.04.2014 in Hamburg auf dem Landesparteitag der SPD. 
Christa Randzio-Plath, SPD-Politikerin und ehemalige EU-Parlamentarierin.© picture alliance / dpa / Markus Scholz
Brink: Wenn ich Sie so höre und auch Ihren Rückblick darauf höre, hat man das dann relativ nüchtern gesehen in Brüssel?
Randzio-Plath: Ja, würde ich so sehen, ja.
Brink: Also ganz anders, als man das ja hier in Deutschland wahrgenommen hat?
Randzio-Plath: Ja, aber das hing auch damit zusammen, dass wir auch die Schwierigkeiten der Umstellung ... die mussten national gelöst werden, da konnte ja gar keine europäische Komponente in die Diskussion hinein. Es musste die deutsche Volkswirtschaft Bundesrepublik Deutschland und die deutsche Volkswirtschaft DDR zusammenkommen, und das ist natürlich in dem Augenblick sehr schwierig, wo wir ja zwei unterschiedliche Wirtschaftssysteme hatten, wo wir ja eben eine Planwirtschaft und eine Marktwirtschaft zusammengeführt haben. Das sind ja auch Herausforderungen, die es im europäischen Räum überhaupt nicht gegeben hat.
Am Euro wurde schon seit den 60ern gebastelt
Brink: Vielleicht war das auch die Aura dieser Zeit, dass man einfach alles neu gemacht hat. Es gab einfach keine Blaupause für das, was da passiert ist.
Randzio-Plath: Nein, es gab aber auch eine Euphorie für die deutsche Einheit. Das muss man wirklich sagen, also, bei uns vor allen Dingen im Europäischen Parlament gab es also eine große Euphorie über diese deutsche Einheit. Und viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem Parlament sind ja damals auch im November 1989 an die Mauer gefahren, um das Erlebnis des Mauerfalls oder der Maueröffnung mitzuerleben. Also, wir haben damals gedacht, jetzt gibt es wirklich den Frieden, das einige Europa, und das fehlende Stück deutsche Einheit ist dann dabei integriert!
Brink: War denn die Währungsunion dann vielleicht – auch wenn man so positiv, wie Sie auch sagten, trotz aller Nüchternheit reagiert hat, mit Euphorie –, war die Währungsunion vielleicht auch ein Modell, vielleicht sogar auch ein Modell für die Einführung des Euro dann? Hat man sich da was abgeguckt?
Randzio-Plath: Nein, keineswegs. Denn an dem Projekt europäische Währungsunion wurde ja praktisch schon seit dem Ende der 60er-Jahre gearbeitet, das wurde immer wieder fallengelassen, aber eigentlich lag damals schon das ganze Konzept europäische Währungsunion vor. Und es ist ja in keiner Weise vergleichbar, denn für die DDR-Bürger war die Währungsunion ja praktisch fast eine Art Währungsreform. Und das Gegenteil ist ja die europäische Währungsunion, weil hier eben gleich gutes Geld zusammenging. Und vor allen Dingen auch die Umtauschkurse von den Devisenmärkten praktisch festgelegt waren. Weil wir ja innerhalb der Europäischen Union schon erst einen gemeinsamen Markt und dann nachher den Binnenmarkt hatten, sodass ein Waren- und Dienstleistungsverkehr, eine echte Wirtschaftsbewegung permanent stattfand.
Und insofern gab es keine Umstellung auf marktwirtschaftliche Verhältnisse, es gab keine Umstellung von einer schlechten Währung zu einer guten, sondern es gab nur die rein technische Umstellung, weil eben eine neue Währung geschaffen wurde aus gleich guten Währungen, die ein Sinnbild waren für Stabilität.
Brink: Wir sehen ja heute massive Probleme in den südlichen Ländern. Hat man das da vernachlässigt?
Randzio-Plath: Nein, ich denke, damals spielte diese Fragestellung, wie die Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern ist, keine Rolle im Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Das hing auch damit zusammen, dass Deutschland wie gesagt immer gesagt hat, wir schaffen das ganz alleine, die Lasten der deutschen Einheit zu tragen. Und erst langsam sind dann ja die neuen Bundesländer auch in den Genuss von den Mitteln der Strukturfonds gekommen. Hier, muss man natürlich sagen, waren sie dann gleichgestellt den Ziel-eins-Gebieten auch der südeuropäischen Länder innerhalb der Europäischen Union. Das heißt, es sind ja Milliarden auch aus Europa in den Aufbau der Strukturen in den neuen Bundesländern geflossen. Aber das kann man nicht sagen, dass das eine Auswirkung hat auf die Entwicklung in den Ländern, die heute große Schwierigkeiten haben.
Brink: Christa Randzio-Plath, langjährige Beraterin der EU-Kommission in Währungsfragen. Vielen Dank für das Gespräch hier in "Studio 9"!
Randzio-Plath: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema