Vor 25 Jahren

Gruppe um den "KGB-Hack" zerschlagen

Von Walter van Rossum · 01.03.2014
Peter Karl wird am 1. März 1989 festgenommen. Polizei und Medien behaupteten, einer gefährlichen Spionagebande auf der Spur zu sein. Die Gruppe habe sich in alle möglichen Rechner auf der ganzen Welt eingehackt und das kopierte Material an den sowjetischen Geheimdienst verkauft.
Am 1. März 1989 wird ein gewisser Peter Karl, genannt Pedro, auf dem Weg nach Madrid auf dem Berliner Flughafen Tegel festgenommen. Am nächsten Tag folgen sieben weitere Verhaftungen, bundesweit durchsucht die Polizei 14 Wohnungen. Am Abend geht die Panorama-Redaktion mit einer Brennpunkt-Sonderausgabe auf den Sender und verspricht…
"Einen authentischen Report über den schwersten Spionagefall seit der Enttarnung des Kanzleramtsagenten Günter Guillaume."

Allerdings waren die bösen Spione gerade mal so um die 20 Jahre alt. Ihr Kopf hieß Karl Koch. Er war schwer kokainabhängig und litt unter schlimmen Ängsten. Koch war ein genialer Hacker aus Hannover. Mitte der 80er Jahre lernte er Pedro kennen, von Beruf Croupier und stets in Geldnöten. Der verstand zwar nichts von Computern, ahnte aber, wie man Kochs Talente und die der anderen Hacker zu Geld machen könnte: Er stellte eine Verbindung zu Ostberliner Geheimdienstleuten her. Dort vermittelte die russische Botschaft Kontakte zum KGB. Im damaligen Ostblock bestand großer Nachholbedarf bei den neuen Informationstechnologien. Man nahm, was man bekommen konnte. Und die Hacker aus Hannover versprachen Kopien von sämtlichen Daten und Programmen wichtiger Rechner in aller Welt, die sie geknackt hatten. Doch in Berkeley, Kalifornien, bemerkte der Astrophysiker Clifford Stoll verdächtige Aktivitäten auf seinem Computer.

"Warum stiehlt diese Person Passwörter und versucht in Militärcomputer hineinzukommen? Sicher, der interessiert sich nicht für Astronomie und nicht für Geologie. Er muss an militärischen Dingen interessiert sein. Aber warum?"
Jagd über den ganzen Globus
Stoll begann zu recherchieren, die Behörden wurden alarmiert und es folgte eine Jagd auf die Hacker über den ganzen Globus. Davon bekamen auch die Medien Wind:

"Daneben erhielt Moskau Zugänge und Codeworte zum Beispiel für die Generalstabsdatenbank OPTIMIS im Pentagon, das SDI-Waffenlabor Lawrence Livermore und das Jet Propulsion Laboratorium, ein NASA-Forschungszentrum in Pasadena. Betroffen sind weiter die europäische Raumfahrtbehörde ESA in Darmstadt, das europäische Kernforschungszentrum CERN in Genf, das europäische Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg."
Nur einen Tag nach den Verhaftungen war Panorama voll im Bild und hatte die Sache auch schon verfilmt. Tatsächlich hatten Journalisten und deutsche Geheimdienste seit Monaten den psychisch schwer angeschlagenen Karl Koch in der Mangel. Vermutlich gegen Geld und das Angebot auf Straffreiheit packte der jetzt aus, was das Zeug hielt - und legte noch so einiges drauf.

"Die haben ihn halt ausgequetscht. Den Vorwurf, den ich den Ermittlungsbehörden da mache, ist, dass sie einfach nicht geguckt haben, in welcher psychischen Verfassung Karl zu dem damaligen Zeitpunkt war. Das war nicht mehr zu übersehen."

So ein Freund Karl Kochs.

"Also, abgesehen davon, dass sie natürlich wussten, dass er mehrfach in psychiatrischer Behandlung im Landeskrankenhaus war. Das hat sie aber nicht interessiert."
Geständnisse waren maßlos übertrieben
Kochs Geständnisse waren maßlos übertrieben - wie sich später bei Gericht erweisen sollte. Doch einmal mehr hatte die unselige Allianz aus sensationslüsternen Journalisten und kalkuliert übertreibenden Sicherheitsbeamten ganze Arbeit geleistet.

Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft: Eine Gruppe deutscher Hacker soll dem sowjetischen Geheimdienst KGB geholfen haben, in die wichtigsten Rechner der westlichen Welt einzudringen um dort sensible Daten und Programme aus militärischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Geheimbereichen zu stehlen.

Die Hacker hatten sich in alle möglichen Systeme gehackt und zum Beispiel auch ein paar Dutzend NASA-Rechner unter ihre Kontrolle gebracht. Allerdings waren die Dateien nicht sonderlich geheim, manchmal waren es bloß Kopien frei erhältlicher Software, die die Jungs für ein Vielfaches des Ladenpreises ihren offenbar reichlich ahnungslosen Geschäftspartnern andrehten.
"Wir waren gar keine richtige Quelle. Wir waren irgendwie ein Satz bekiffter Studenten, die am Computer gesessen haben nachts und irgendwie - weil sie gerne Kohle hatten - auf Biegen und Brechen versucht haben, irgendwelche Sachen da rüberzuliefern."

In dem angeblich größten Spionagefall seit Günter Guillaume wurden 1990 zwei Beteiligte zu Bewährungsstrafen verurteilt. Am 23. Mai 1989 starb Karl Koch. Wenige Tage später fand man seinen verkohlten Leichnam. Die genauen Umstände seines Todes konnten bis heute nicht ermittelt werden.