Von wegen nachhaltig

Der grüne Etikettenschwindel

Bio-Stand auf der Grünen Woche
Alles bio? - Umweltsiegel geben Konsumenten auch das Gefühl, etwas Gutes zu tun. © imago / photothek
Moderation: Gisela Steinhauer · 26.05.2018
Sorglos konsumieren und damit Gutes tun – wer möchte das nicht? Aber steckt hinter all den grünen Gütesiegeln und Umweltkampagnen von Unternehmen auch wirklich ökologisch nachhaltiges Handeln?
Nachhaltige Produkte stehen bei den Verbrauchern hoch im Kurs: Fast jeder zweite gab in einer aktuellen Umfrage für den "GfK Global Green Index" an, bevorzugt Produkte von Unternehmen zu kaufen, die ökologisch nachhaltig orientiert sind und die Umwelt möglichst wenig belasten. Dafür greifen sie auch gern tiefer in die Tasche. Ist ja auch schön: Sorglos konsumieren und damit Gutes tun – wer möchte das nicht? Aber was versteckt sich hinter den Nachhaltigkeitsversprechen?

"Der Ölkonzern Shell wirbt mit Windrädern"

"Alles grüner Etikettenschwindel", sagt Kathrin Hartmann. Die Journalistin beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema "Greenwashing". "Die grüne Lüge" heißen ihr neues Buch und der gleichnamige Dokumentarfilm, den sie gemeinsam mit dem österreichischen Filmemacher Werner Boote gedreht hat.
Beispiele: "Der Ölkonzern Shell wirbt mit Windrädern, der Getränkemulti Coca-Cola, der in armen Ländern Brunnen leer pumpt, stilisiert sich zum Schützer des Trinkwassers. Europas größter CO2-Emittent, der Stromriese RWE, versteht seine Kohlemeiler als Artenschutz, weil daran Vögel nisten. Und Unilever-Chef Paul Polman behauptet: Unilever ist die größte NGO der Welt. Dabei verbraucht der Lebensmittelkonzern für Pulverfraß wie Tütensuppen jedes Jahr acht Millionen Tonnen solcher Rohstoffe, die für die Hälfte der globalen Waldzerstörung verantwortlich sind: Rindfleisch, Soja und Palmöl. Jeder, so scheint es, kann bei der Weltrettung mitmachen, wenn er sich für das Produkt einer Firma entscheidet, die eben das im Sinn hat."

Keine Aktiengesellschaft "wirtschaftet nachhaltig"

Ihr Fazit: "Je problematischer ein Produkt und seine Herstellung, desto größer das Bemühen, es mit Nachhaltigkeitssiegeln zu versehen. Greenwashing funktioniert auch deshalb so gut, weil Angehörige westlicher Konsumgesellschaften gerne hören, dass alles so weitergehen kann wie bisher, ja, dass ihr überbordender Lebensstil selbst es sein könnte, der dafür sorgt, die Welt besser zu machen."
"Es gibt keine Aktiengesellschaft, die nachhaltig wirtschaftet", sagt Holger Rogall, Professor für Nachhaltige Ökonomie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR). "Das deutsche Aktienrecht kennt keine Verpflichtung, dass eine Firma dem Klimaschutz, der Nachhaltigkeit verpflichtet sein sollte. Es gilt einzig der Shareholder Value." Investitionen müssten sich rentieren und in Kürze amortisieren – so seien die Regeln. Er versuche seit Jahrzehnten gegenzusteuern. "Wenn wir ernst machen wollen mit nachhaltiger Entwicklung, müssen wir unsere Wirtschaft vollständig umbauen." Die Wirtschaft brauche "sozial-ökologische Leitplanken", diese müsse die Politik setzen. Wenn man die Ausbeutung und Umweltzerstörung in den Produktionsländern abschaffen wolle, müsse man zum Beispiel Ökozölle auf die Produkte einführen, aber das passiere nicht.

"Ich setze überhaupt nicht auf die Verbraucher"

Sein Ansatz: "Wir gehen an die Ressourcenfrage: So, wie wir von der kapitalistischen Marktwirtschaft zu einer nachhaltigen Marktwirtschaft kommen müssen, müssen wir den jährlichen Verbrauch absenken." Dieser Umbau könne nur gelingen, wenn man andere Länder ins Boot hole, zum Beispiel China. "Ich setze überhaupt nicht auf die Verbraucher. Es gibt einzelne, die sind Leuchtzeichen, vor denen habe ich großen Respekt. Aber damit retten wir die Welt nicht. Wir retten die Welt, indem wir einen Transformationsprozess anstoßen."

Von wegen nachhaltig – Der grüne Etikettenschwindel: Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 bis 11 Uhr mit Kathrin Hartmann und Holger Rogall. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

Informationen im Internet:
Literaturhinweis:
Kathrin Hartmann: "Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell"
Blessing Verlag, 2018, 240 Seiten, 15 Euro
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