Von Pferden zu Tönen

Von Bettina Ritter · 16.08.2013
Die meisten Mitglieder von "Salto Tonale" sind Zugezogene im brandenburgischen Havelland. Der Chor hat ihnen geholfen, dort heimisch zu werden. Neben Gospel und romantischen Liedern singen sie auch Volkslieder zum Beispiel in Finnisch oder Estnisch. Doch ohne das Reiten gäbe es den Chor wahrscheinlich gar nicht.
Peter Rath kann streng sein. Der große, schlanke Chorleiter mit den dunklen, kurzen Haaren liebt klare Ansagen. Und seine 35 Sängerinnen und Sänger können gut damit umgehen.

Alex von Dringmann: "Er hat es mit uns ganz schwer, es ist eine sehr undisziplinierte Arbeitshaltung, insofern müssen wir ihm schon dankbar sein, dass er es überhaupt mit uns aushält."

Peter Rath: "Was mir nicht so richtig gefällt, ist dieses 'May the road rise – ich weiß genau, wo die Töne sind, und ich sing sie alle richtig.' Das weiß ich, das könnt ihr. Das ist doch ein Lied mit Segenswünschen! Und das lasst jetzt mal raus."

Gar nicht so leicht für den Chorleiter, seine Sängerinnen und Sänger in eine ernste, getragene Gospel-Stimmung zu bringen. Denn die sind - wie jeden Freitagabend - ausgelassen, plaudern und lachen viel. Der ausgebildete Jurist hat sich inzwischen daran gewöhnt.

"Hier überwiegt wirklich die gute Laune, manchmal muss man die Übungen fünfmal ansagen, weil sie alle am Lachen und Schwätzen sind. Das macht diese Truppe so liebenswert und so unverzichtbar für mich. Da sind diese kleinen Ärgernisse, die daraus entstehen, ganz leicht wegzustecken."

Als Ausgleich zur Unruhe können die Chormitglieder dann nämlich doch sehr diszipliniert und ausdauernd sein, sagt ihr Leiter. Schnell wird deutlich: Außergewöhnlich leidenschaftliche Menschen singen hier. Um Zeit für den Chor zu finden, müssen sie das auch sein. Denn die meisten haben einen anspruchsvollen und herausfordernden Alltag: Sie arbeiten als Lehrer, Schauspieler, bildende Künstler, sind im Pflegedienst oder Familienrichter. Gleich mehrere singende Paare haben vier Kinder.

Swantje Jeromin de Garcia: "Die soziale Gemeinschaft in dem Chor ist sehr ausgeprägt. Es sind starke Individualisten. Es sind ganz viele spannende Leute in dem Chor, weil sie eben so unterschiedlich sind."

Um das festzustellen, reicht ein Blick auf die Gruppe: Den sehnigen, braungebrannten Outdoor-Mann mit langen Haaren und barfuß würde man eher auf einem Berg als in einem Chor vermuten. Die ältere Dame mit dem akkuraten grauen Pagenkopf eher im Theater. Und trotzdem passen sie zueinander.

Chorleiter Peter Rath: "Es sind ja ganz viele, ich würde sagen, 80 Prozent Zugezogene. Fast alles sind im Prinzip – ja, ich nenne es mal Heimatvertriebene, freiwillig Vertriebene, falsches Wort an dieser Stelle - aber Leute aus aller Herren Bundesländer versuchen hier heimisch zu werden, der Chor hat geholfen. Hat stark geholfen. Und es ist jetzt eine Gruppe geworden, die einen Zusammenhalt gefunden hat und insofern auch eine Heimat."

Die neue Heimat - das ist das wunderbar ländliche, grüne Havelland. Die Chormitglieder kommen gleich aus mehreren umliegenden Dörfern jeden Freitag angereist, aus Wasow, Brädikow, Sentzke oder Paulinenaue. Viele von ihnen sind begeisterte Reiter. Ohne sie gäbe es den Chor gar nicht. Denn die Reiter wurden vor fünf Jahren angesprochen, bei einem Weihnachtskonzert mitzusingen. Daraus hat sich Salto Tonale entwickelt.

Constanze Tönnies: "So ein Chor trägt einen auch. Ein Pferd trägt einen auch – ich gehöre auch zu den Reiterinnen. Übers Reiten bin ich zum Chor gekommen, denn mein Pferd steht beim Chorleiter und seiner Frau. Und seine Frau Cäcilie hat mir ganz reizend das Reiten beigebracht, und hat mir dann auch noch Mut gemacht, zu singen."

Mutig, Neues zu wagen, das sind alle Mitglieder von Salto Tonale. Immer wieder probieren sie neue Volkslieder in verschiedenen Sprachen, darunter Spanisch, Schwedisch, Finnisch, Slowenisch und Estnisch. Ihr Repertoire umfasst aber auch Gospel, Spirituals und romantische Lieder. Mit einem jüngsten Mitglied von 18 Jahren und einem ältesten von 70 liegt das Durchschnittsalter bei 49. Ein junger Chor also, auch weil er erst seit fünf Jahren existiert. Aber was heißt "erst"? Peter Rath ist eben auf diese fünf Jahre besonders stolz:

"Ich dachte, die ersten drei Jahre, na gut, das ist so ein Versuch, die haben alle so viele andere Interessen. Das wird nie was, hab ich immer gedacht. Das ist für mich ein Glücksgefühl, wenn wir nach fünf Jahren, auch wenn der Reiz des Neuen weg ist, immer noch Spaß haben. Da muss irgendwas stimmen."

Homepage des Chors Salto Tonale

Deutschlandradio Kultur stellt jeden Freitag um 10:50 Uhr im "Profil" Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" stehen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes, jeden Alters, jeder Formation und Größe oder Stilrichtung, seien sie Mitglied eines Chorverbands oder auch nicht.

Mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Chorverbands