Von Klaus Pokatzky

03.02.2012
Schmerzensmänner, Weicheier und durchsetzungssstarke Typen interessieren das Feuilleton - aber geklärt wird auch, wie der griechische Fachbegriff für Familienherrschaft lautet.
"Wenn es den neuen Mann wirklich schon gibt, dann ist er natürlich ein Weichei." Das lesen wir in der Tageszeitung TAZ. "Und das ist das Beste, was uns allen passieren kann", schreibt Sonja Eismann, Mitherausgeberin des feministischen Missy Magazine. Die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit hatte diesen neuen Männertypus namens Weichei vor einigen Wochen unter dem Titel "Die Schmerzensmänner" präsentiert. Auch alles Weitere klang da nach Jesus: "Heute tragen die jungen Männer Bärte und spielen Gitarre. Sie sind lieb, melancholisch und sehr mit sich selbst beschäftigt." Die TAZ hat den Ball aufgenommen und macht eine Umfrage zum Thema neuer Weichei-Schmerzensmann. "Es gibt keine positiven Männervorbilder mehr", sagt der Mann und Jurist Jörn Erbguth: "Weder der Workaholic noch der Playboy oder der Hausmann – keine Rolle scheint mehr erstrebenswert." So wie der Banker. "Geld ist das, was Wenige zu viel haben und Viele zu wenig", erklärt im TAZ-Interview der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. "Geld entsteht buchstäblich aus dem Nichts, was viele Leute sehr wundert", findet hingegen der Ökonom Joseph Huber.

"Wenn man sagt, jemand, der wohlhabend ist, kann die armen Leute nicht verstehen, dann ist das Blödsinn." Das sagt in einem dritten Interview mit der TAZ eine wohlhabende Frau. Dora Bakoyannis heißt sie, war Bürgermeisterin von Athen und bis 2009 griechische Außenministerin. "Sie sitzt an einem schweren Schreibtisch im pastellfarbenen Parlamentsgebäude, lackierte Fingernägel, glitzernde Ohrringe, leichte Grippe." So beschreibt sie, als wäre es ein Text aus der Bild-Zeitung, der TAZ-Interviewer Johannes Gernert – der zwar erst 31 Jahre alt ist, aber ganz offensichtlich kein neuer Weichei-Schmerzensmann-Mann, sondern ein ganz, ganz alter gewöhnlicher Männer-Mann. "Die Griechen mussten immer ums Überleben kämpfen", erklärt Dora Bakoyannis. "Der Staat war nicht Teil der Gesellschaft, sondern ein Fremdkörper. Dieses Denken ist tief in unseren Köpfen verwurzelt." Dora Bakoyannis war Mitglied der konservativen Partei Nea Dimokratia und wurde aus ihr ausgeschlossen. Jetzt sitzt sie als unabhängige Abgeordnete im griechischen Parlament und ist die Vorsitzende der neugegründeten Partei Demokratische Allianz. "Ich traue dem griechischen Volk mehr zu als den Parteien. Ich hoffe, dass die Griechen keiner Partei eine absolute Mehrheit geben", sagt Dora Bakoyannis zu den Parlamentswahlen im April. "Griechenland kennt keine Koalitionen. Aber wir brauchen mehr Verständnis, mehr Kontrolle. Das gibt es in einer Koalition."

Was bedeutet Oikogeneiokratia, will der Interviewer Johannes Gernert wissen. "Familien, Familien, Familien. Familienherrschaft", lautet die Antwort. "Ihr Sohn ist auch Politiker", lautet die Feststellung des TAZ-Journalisten. "Bürgermeister", sagt Dora Bakoyannis. "Teil einer Dynastie?", kommt die nächste Frage – und die redaktionelle Notiz dazu lautet: "Dora Bakoyannis atmet jetzt sehr hörbar aus." Dora Bakoyannis' Mann, der Abgeordnete Pawlos Bakoyannis, wurde 1989 von linken Terroristen ermordet. Mit ihrem Vater, dem früheren griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Mitsotakis, hat sie als Jugendliche während der Militärdiktatur im Exil gelebt. Da darf sie schon mal sehr hörbar ausatmen, wenn ihr ein vorwurfsvolles "Teil einer Dynastie" hingeworfen wird.

"Als Profiboxerin mit sogenanntem Migrationshintergrund habe ich es tagtäglich mehrheitlich mit durchsetzungsstarken Typen zu tun, die ganz genau wissen, was sie wollen." Das sagt die mehrfache Boxweltmeisterin Susianna Kentikian aus Hamburg zur Umfrage nach dem Neuen Mann. "Manche sind sogar so gierig und vermessen, dass sie denken, die Welt drehe sich alleine um und für sie."