Von Gregor Sander

13.02.2013
Der verschobene, jedoch nicht gelöste Streit um den Suhrkamp Verlag beschäftigt natürlich auch die Feuilletons und lässt die Spekulationen ins Kraut schießen. Die britische Band "My Bloody Valentine" hat nach 22 Jahren endlich wieder ein neues Album veröffentlicht. In Nachrufen wird der verstorbene Taz-Kolumnist Christian Semler geehrt.
Passiert ist eigentlich nichts am Mittwoch vor dem Frankfurter Landgericht oder wie Sandra Kegel es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ausdrückt.

"Keine 40 Sekunden dauert die Verlesung eines Dreizeilers, wonach es heute keine Entscheidung im Machtkampf um den traditionsreichen Suhrkamp Verlag geben wird."

Und weil die Faktenlage vor Gericht so dünn war wird in den Feuilletons ordentlich gemutmaßt. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erklärt Andreas Zielke:

"Tatsächlich zeichnet sich längst ab, dass sich der bittere Streit inzwischen rein quantitativ benennen lässt: Barlach will 30 Millionen Euro für seine Anteile, die Stiftung bietet acht Millionen. Wer nur ein wenig von Unternehmensbewertung versteht, weiß, dass die 'Wahrheit', das heißt Suhrkamps materieller Wert, nicht in der Mitte liegt, sondern sehr viel näher beim Angebot der Stiftung als bei Barlachs Forderung."

Als "schlicht verantwortungslos" bezeichnet Zielke das Handeln von Hans Barlach. Der hatte in einem SPIEGEL-Interview einen mysteriösen "weißen Ritter" angeführt, der Suhrkamp in Zukunft leiten könnte. Dazu hat Sandra Kegel in der FAZ folgendes aufgeschnappt. Der ehemalige FOCUS-Chef Helmut Markwort

"sitzt für Barlach im Beirat der Verlagsleitung GmbH und zeigt sich im Übrigen in Suhrkamp-Fragen außergewöhnlich rege. Und so schießen die Spekulationen über seine Rolle ins Kraut: Erst neulich sollen er und Barlach sich in München mit Michael Krüger getroffen haben, um mit dem Hanser-Verleger den Fall Suhrkamp zu besprechen. Andere Gerüchte stellen in Frage, dass Barlach tatsächlich der Überzeugungstäter ohne Hintermänner sei, als der er sich darstelle, und vermuten, dass der Hamburger Kaufmann die Funktion eines Steigbügelhalters für einen noch unbekannten Interessenten einnehme."

Sollten sich beide Seiten im Suhrkampstreit nicht einigen, sieht man sich also im September wieder vor Gericht.

22 Jahre hat es gedauert bis die Band My Bloody Valentine ihre viel beachtete dritte Platte fertiggestellt hat. Das Warten hat sich gelohnt, wie Thomas Gross in der Wochenzeitung DIE ZEIT meint:

"Wer zur Verzettelung neigt, besteht darauf, nur dann inspiriert zu sein, wenn die Inspiration sich meldet. Manchmal entsteht dabei gar nichts, manchmal bleibt bloß eine überschrittene Deadline zurück, mit etwas Geduld und den richtigen Reagenzien jedoch wird daraus ein dunkel verführerisches Stück Traumpop."

Schlicht MBV, nach den Anfangsbuchstaben des Bandnamens, haben die vier Musiker aus Dublin ihr sehnlich erwartetes Album genannt und Thomas Gross ist begeistert:

"My Bloody Valentines endlich vollendete Dritte ist einer dieser Würfe, die gerade deshalb überzeugen, weil sie es niemandem recht machen wollen. Es gibt keine Strophen, keine Refrains, nichts, was an herkömmliche Popsongs erinnert, bloß einen magmatischen, an- und abschwellenden Soundstrom."
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG beklagt Willi Winkler den Tod des TAZ-Journalisten Christian Semler:

"Er war einer der liebenswürdigsten Kollegen und dabei gebildet wie keiner von uns. Er schrieb mit der gleichen Kompetenz über Gustave Courbets berüchtigtes Gemälde 'L’ Origine du Monde' wie er über eine Etrusker-Ausstellung berichtete oder den Niedergang der Solidarnosc analysieren konnte."

Nach einem abenteuerlichen Leben an der Seite Rudi Dutschkes und als Gründer der maoistischen KPD fand Christian Semler den Weg zur TAZ. Ein Glück, wie Thomas Schmid in der FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

"Sein journalistisches Engagement galt fortan vor allem dem Rechtsstaat, den er einst frivol verhöhnt hatte. Er verteidigte die Bürgerrechte und setzte sich für die Belange sozial Benachteiligter ein."

Christian Semler ist in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 74 Jahren gestorben.