Von der Schwierigkeit, ein Denkmal zu sanieren

Von Jürgen König · 11.01.2012
Es war ein hart erkämpftes Projekt, die Sanierung des so genannten "Haus 1", dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Jetzt ist die Gedenkstätte fertig, zu sehen ist unter anderem das Arbeitszimmer von Erich Mielke. Aber ein bisschen was zu meckern gibt es trotzdem.
Aus einem früheren Ort des Schreckens ein "denkmalgerecht saniertes" Museum zu machen, ist eine heikle Aufgabe. Denn unweigerlich trägt jeder Besucher den Wunsch in sich, etwas von der früheren Aura dieses Schreckensortes nachvollziehen zu können, jede Sanierung macht das schwieriger. Groß waren die Vorbehalte gewesen: bei den Opferverbänden, bei den Vereinen und Verbänden der Bürgerrechtsbewegung. Denn dieses ehemals berüchtigte "Haus 1" in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg war - und ist - "ihr Haus".

Mutige Bürger hatten 1990 die Stasizentrale der DDR besetzt, Mitglieder der "ASTAK", der "Antistalinistischen Aktion Berlin-Normannenstraße e.V." hatten das Gebäude wie auch das Mobiliar gesichert, hatten die Trägerschaft für den gesamten Gebäudekomplex des Ministeriums für Staatssicherheit übernommen, hatten "Haus 1" schon am 7. November 1990 als Forschungs- und Gedenkstätte eröffnet. Es brauchte Zeit, für die Idee zu werben, den Gebäudekomplex auch der Stasiunterlagen-Behörde zur Verfügung zu stellen, es brauchte einen entschlossenen Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der - nach etlichen wenig ertragreichen Expertengutachten - mit seinem Gedenkstättenkonzept 2008 auch die umfassende Sanierung von Erich Mielkes Dienstsitz in "Haus 1" durchsetzte. Bernd Neumann bei der heutigen Übergabe des Gebäudes:

"Ich halte es auch für ganz wichtig, dass die Vereine und die Verbände aus dem Bereich der Bürgerrechtsbewegung, also der Opfer, hier wieder zurückkehren. Damit geben Sie diesem Gebäude seinen unverwechselbaren Charakter als Zentrum der Aufarbeitung der SED-Diktatur wieder, das wollen wir, um der Bedeutung der Bürgerrechtsinitiativen und der Opferverbände für die Friedliche Revolution angemessen Rechnung zu tragen."

Jahrelang war das Gebäude dem Verfall ausgesetzt; die Sanierung war nach heute gültigem Bauordnungsrecht unumgänglich. Für 11 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm II der Bundesregierung wurden - unter anderem - das Dach und die Kellerdecke instandgesetzt und wärmegedämmt, zwei zusätzliche Fluchttreppenhäuser eingebaut, die Elektro-, Heizungs- und Sanitärinstallationen erneuert, ein barrierefreier Zugang ermöglicht, ein Aufzug eingebaut.

Die Etage, in der Erich Mielke residierte, ist original erhalten und wurde, wenig sichtbar, restauriert. Mielkes Arbeitsräume sind - groß. Parkettfussboden mit rotem Teppich, ein überdimensionierter Schreibtisch aus braunem Holz, zwei schwarze Telefone darauf, an der Seite eine große Telefonanlage. Holzstühle mit blauem Bezug, an den Wänden Holz, in den Nebenräumen Tische und Sessel für größere Besprechungsrunden, Telefone, Robotron-Schreibmaschinen 60er-Jahre-Muff, ohne besondere Insignien der Macht.

Wer unter der Stasi gelitten hat, wird es als großen Moment erleben, als freier Mensch am Schreibtisch Erich Mielkes zu stehen; von der Angst, die von diesem Ort aus verbreitet wurde, muss man schon etwas wissen, der Raum vermittelt sie nicht. Der "ASTAK"-Vorsitzende Bernd Lippmann:

"Nun ist die Sanierung des "Hauses 1" beendet, vieles ist sehr gut gegangen, die technischen Gegebenheiten sind natürlich sehr wertvoll und sehr wichtig, und wir schätzen das natürlich auch alles, aber... irgendwie, hab ich vorhin schon gesagt: bisschen Meckern muss sein: im Hinblick auf den authentischen Charakter des Hauses.

Klar, die Mielke-Etage und auch hier unten alles so, wie wir uns das mal vorgestellt haben, aber die moderne Büroeigenschaft, insbesondere auch die Farbgebung und einiges andere mehr, ist natürlich der Notwendigkeit geschuldet, da einen Bürobetrieb zu veranstalten, aber irgendwie der Flair des Hauses, das, was damals so das Ministerium ausmachte, das ist ein wenig in den Hintergrund getreten; Sie werden vielleicht verstehen, dass wir, obwohl wir die sachlichen Notwendigkeiten keineswegs ignorieren, diesem vergangenen Flair des Hauses etwas nachtrauern."

Nur eine provisorische Ausstellung kann im Moment gezeigt werden, einzelne Akten, Protokolle, Briefe, Fotos, Fahnen, Orden. Die endgültige Dauerausstellung wollen ASTAK und die Stasiunterlagenbehörde gemeinsam entwickeln, Mitte 2013 soll sie eröffnet werden, soll den Besuchern Einblicke in die Arbeit der Stasi ermöglichen. Das große Stasiarchiv wird zugänglich sein. Der ehemalige Speisesaal könnte eine Bibliothek werden oder auch ein Kinosaal. Einen "Campus der Demokratie" will Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, aus dem Gebäudekomplex machen:

"Ja, ich denke, dass dieser historische Ort hier auf dem ehemaligen Stasi-Gelände besonders gut geeignet ist, Geschichte erfahrbar zu machen und damit auch Demokratiebewusstsein zu stärken. Je besser wir Diktatur begreifen, um so besser können wir Demokratie gestalten."

Auch jungen Leuten einen Eindruck vom Terror der Stasi zu vermitteln, stellt für die Museumspädagogen eine enorme Herausforderung dar. Das Allerschwerste aber scheint geschafft zu sein: Alle Beteiligten arbeiten jetzt - zusammen.
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