Volkslieder ohne Volkstümelei

Von Gerhard Richter · 08.05.2009
Die Feldlerchen sind ein Chor in dem kleinen brandenburgischen Ort Blandikow. Sie singen Volkslieder ohne Volkstümelei, machen eigene Texte dazu, und mit ihren humoristischen Einlagen haben sie es zu lokaler Berühmtheit gebracht. Sogar prominente Künstler haben sie schon begleitet.
Jeden Montagabend treffen sich die Feldlerchen in der Dörbtenne, einer ausgebauten Scheune mitten im Dorf. Lehmverputz, Trockenblumengestecke an der Wand. Eine Theke. Elf Mitglieder hat der Chor.

Ralf Ryll, der einzige Mann, spielt Schlagzeug. Ina Schwarz spielt Gitarre. Birgit Dittmann, die Chorleiterin, spielt Akkordeon. Alle singen.

Blandikow ist ein Dorf in Brandenburg. 270 Einwohner, Kirche, Feuerwehr, ein Storchennest. Ansonsten nichts - wenn es die Feldlerchen nicht gäbe. Seit 17 Jahren sind sie ein Leuchtturm für Kultur und Unterhaltung. Ina Schwarz hat den Anfang miterlebt.

Ina Schwarz: "1992 entstand die Idee, zu einem Erntefest in Blandikow was auf die Beine zu stellen. Und dann haben wir uns zusammengesetzt und das erste Lied, was wir umgedichtet haben war: 'Wir sind die Jugend vom Dorfe'. Na das können wir ja nun nicht mehr singen, weil wir ja nicht mehr so ganz jung sind."

Ina Schwarz ist 45, hilft ihrem Mann in der Landwirtschaft. Alle anderen Frauen sind zwischen 35 und 52 Jahre alt. Von der Kita-Leiterin bis zur Friedhofsverwalterin ist alles vertreten. In dicken Ordnern haben sie 90 Volkslieder und Schlager abgeheftet, Text und Melodien haben sie alle im Kopf.

"Notenlesen ist hier nicht drinne, machen wir alles so per Mund und hören."

Birgit Dittmann, die Vorsitzende dirigiert.
Birgit Dittmann: "Also bei den Proben ist Schwerpunkt das Musikalische und auch die Zweistimmigkeit, das fällt uns immer ein bisschen schwer."

Dann beginnt die Zeit die uns Freude macht, und wir haben frischen Mut.

Birgit Dittmann: "Wenn wir das erste Mal auf der Bühne sind, kommen wir ganz ordentlich und sittsam. Weißes Blüschen, schönes Westchen, schwarzes Röckchen."

Das sieht erst mal sehr volkstümlich aus, ändert sich aber schon beim ersten Sketch.

"Ah Frau Politschäk, wie langä hab ich sie nicht gäsähen. Na seit letzte Sprechstunde. Wie gäht es Ihnän?"

Die Feldlerchen lieben schräge Verkleidungen. Hier Frau Palitschek und Frau Pospischil im feinen Kleid mit großem Hut und Spitzenhandschuhen.

"Wänn ich Schmerzen habe im Gänick, dann gehe ich zu Gänickologe?"

Dann schnell umziehen für das nächste Lied. Mongolenkluft für Dschinghis Khan, Wickelrock fürs Schrubberlied, Minikleid für die Jacob-Sisters. Auf der Bühne leben sich die Frauen aus. Beim Matrosenmedley bespritzen sie das Publikum auch mal mit Wasserpistolen.

Birgit Dittmann: "Und da merkt man so richtig, wie die Stimmung sich hebt, und deshalb ist das vielleicht so ansprechend, dass wir so viel gebucht werden."

50 Kilometer weit fahren die Feldlerchen zu Auftritten. Goldene Hochzeiten, Weihnachtsfeiern, Geburtstage, Erntefeste.

Birgit Dittmann: "Die Spitze war mal 86-mal im Jahr. Und dann haben wir festgelegt, das machen wir nicht mehr, weil das ganz einfach zu viel war, und dann haben wir festgelegt, viermal im Monat, und dann ist Schluss."

Feste Termine im Jahr sind immer die runden Senioren-Geburtstage im eigenen Dorf. Die Feldlerchen haben nämlich die feine Tradition erfunden, allen Rentnern in Blandikow ab dem 65. Geburtstag alle fünf Jahre ein Gratis-Ständchen zu bringen.

Regelmäßig singen sie in der Kirche, um Geld für die Sanierung zu sammeln. Einmal haben sie Ivan Rebroff eingeladen und durften den Sänger als Hintergrundchor begleiten. Der hatte auch Noten voraus geschickt.
Birgit Dittmann: "Und geübt haben wir dann ja, ja, ja, ja."

Die Feldlerchen können halt nicht so gut Noten lesen. Ivan Rebroff hat das erst kurz vor dem Konzert bemerkt.

Dittmann/Schwarz: "Wie cerni swonn, jaaaaaaaa, so sollten wir eigentlich singen. Und denn hat er gesagt, sollen nie alle zur gleichen Zeit Luft holen, dann klappt det schon. Det war anstrengend, aber war schön. Und dass einer gesagt hat, die Feldlerchen haben glasklar und wie aus einem Stück gesungen. Da krieg ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Glasklar und wie aus einem Stück…. war schön."

Zum nächsten Benefizkonzert haben die Feldlerchen Kathy Kelly eingeladen - früher Mitglied der Kelly Family. Heute ist sie als Gospelsängerin auf Tour. Beim Konzert in Blandikow will sie mit den Feldlerchen drei Stücke gemeinsam singen. Seit Wochen üben die Feldlerchen die Songs zu einer Instrumental-CD. Das erste Lied auf englisch.


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