Volker Beck: Hasssänger sollen nicht einreisen dürfen

Volker Beck im Gespräch mit Frank Meyer · 25.11.2009
Angesichts der geplanten Konzerte des Reggae-Sängers Sizzla hat der Bundestagsabgeordnete Volker Beck erneut ein Einreiseverbot gefordert. In seinen Songtexten werde mehrfach zum Mord an Schwulen aufgefordert. Sänger wie Sizzla seien die "geistigen Brandstifter der Pogrome gegen Schwule in Jamaika", sagte der Grünen-Politiker. Es gebe im Reggae auch die Kultur des "one love": "Zu 'one love' gehört auch, dass man alle Menschen mit Respekt behandelt und niemandem den Kopf einschlägt".
Frank Meyer: Und jetzt ist am Telefon für Deutschlandradio Kultur der Grünen-Politiker Volker Beck, er war lange Zeit auch Sprecher des lesbisch-schwulen Bürgerrechtsverbandes LSVD. Herr Beck, diesen Reggae Compassionate Act haben wir gerade kennengelernt, den haben auch Schwulen- und Lesbenverbände unterschrieben und damit anerkannt, wenn zum Beispiel Sizzla sich an diese Spielregeln hält, dann kann er auch hier auftreten. Warum gilt das nicht mehr?

Volker Beck: Erstens, 2007, das war eine Einzelaktion vom Kesselhaus, die einfach den Verbänden sozusagen die Unterschrift von Sizzla unter einem Stück Papier, das mit den Verbänden nicht abgestimmt war, zugeschickt haben. Und die Verbände haben immer gesagt, wenn jemand sozusagen seine schwulenfeindlichen Äußerungen widerruft und auch in der Heimat dafür wirbt, dass es keine Gewalttaten mehr gegen Schwule gibt, dann ist das okay, dann soll jemand auch die Möglichkeit haben, wieder aufzutreten.

Aber das ist eben bei Sizzla nicht der Fall. Sein Lied "No Apology" spielt ja gerade auf das Thema Reggae Compassionate Act an, und da wird mehrmals aufgefordert, Schwule eben zu erschießen, umzubringen, in diesem Lied und sich eben nicht dafür zu entschuldigen, dass man vorher zu Gewalt aufgerufen hat und dass man sich bei Schwulen eben generell auch nicht entschuldigt.

Mir geht es nicht so sehr um eine Entschuldigung, sondern mir geht es um ein Ende der Gewalt, und ich finde, diejenigen, die die geistigen Brandstifter der Pogrome gegen Schwule in Jamaika sind, die sollen in Deutschland nicht auftreten. Ich fände es genauso unerträglich, wenn wir nach Deutschland jemand kommen lassen, der uns irgendwas über die Auschwitzlüge präsentiert oder gegen Juden hetzt und antisemitisch argumentiert. Da kann man auch nicht sagen, da verschließen wir uns fremden Kulturen, weil das irgendwo dazugehört, sondern so etwas muss in Deutschland und in Europa nicht stattfinden. Diese Leute haben keinen Anspruch darauf, hierher einzureisen.

Meyer: Das heißt, dieser ganze Versuch mit diesem Reggae Compassionate Act da, eine Verständigungsbasis mit jemand, der von woanders herkommt, aus einer anderen Kultur, da eine gemeinsame Basis zu finden, das ist für Sie grundsätzlich ein Fehler?

Beck: Nein, das ist nicht grundsätzlich ein Fehler, sondern wenn es gelingt, ist es gut. Aber wenn es gelingt, heißt, dass jemand sich auch dann gegen diesen Hass und diese Gewalt öffentlich stellen muss. Es reicht ja nicht, wenn jemand ein Papier unterschreibt, das schickt man dann in Europa den Lesben- und Schwulenorganisationen, und in Jamaika wird weiter zu Mord aufgerufen. Bei YouTube findet man weiter die Lieder, die zum Mord aufrufen, und da fehlt mir jedes Verständnis. Also dieser Reggae Compassionate Act ist eine Publikumsverarschung, weil man so tut, als ob jemand die Regel akzeptiert, der sie aber hinterher gleich wieder in Jamaika bricht.

Meyer: Sie haben ja nun ein Einreiseverbot für Sizzla gefordert und dabei an Bundesinnenminister Thomas de Maizière appelliert. Gibt es eine Reaktion darauf?

Beck: Bislang gibt es noch keine Reaktion. Im Jahr 2008 war es uns gelungen, ihn zur Nichteinreise im Schengen-Informationssystem auszuschreiben. Er ist dann nicht nach Deutschland eingereist. Und bei dem Versuch, nach Spanien einzureisen, wurde er verhaftet und zurückgeschoben. Und ich würde mir wünschen, dass wir generell uns darauf verständigen, dass Hasssänger und Hassprediger nicht in den Schengenraum einreisen können, sondern hier nichts verloren haben. Das war eigentlich auch mal der Konsens aller Parteien im Zuwanderungsgesetz.

Meyer: Gibt es da auch einen europäischen Konsens, wenn Sie jetzt Spanien erwähnen, dass Spanien da mitgezogen hat?

Beck: Also es gibt in vielen Ländern, wo man sich an solche Sachen hält und wo man die Leute auch rausschmeißt – Großbritannien hat die Einreise verweigert oder auch Kanada, was nun nicht in Europa liegt. Und ich finde, wir müssen schon unsere Menschenrechtsstandards verteidigen und deutlich machen, wer Leute umbringen will oder zum Umbringen von bestimmten Gruppen aufruft, dass der in Europa nichts verloren hat und hier auch kein Geld verdienen soll.

Meyer: Wo ziehen Sie da die Grenze, Herr Beck? Es gibt zum Beispiel in den USA die Westboro Baptist Church, die führen alle Katastrophen auf unsere Erde zurück, auf Gottes Zorn, auf Homosexuelle. Würden Sie auch für diese Kirche zum Beispiel, für alle Angehörigen ein Einreiseverbot fordern?

Beck: Also jeder Prediger von denen, der zu so was aufruft, sollte bei uns auch nicht gern gesehener Gast sein und der muss dann auch nicht hierher kommen. Wenn die Leute zum Mord aufrufen, zu Gewalt aufrufen, ist eine rote Linie überschritten. Man kann nicht von den Leuten verlangen, dass sie Schwule und Lesben lieben, aber wenn sie hetzen und zu Gewalt aufrufen, befinden sie sich im Bereich strafbarer Handlungen, und Straftäter muss man nicht ins Land einladen.

Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit dem Grünen-Politiker Volker Beck über schwulenfeindliche Hasstexte in der Musik. Herr Beck, die gibt es nun nicht nur im Reggae oder überhaupt in Musik, die nicht aus Deutschland kommt, sondern das gibt es auch bei uns. Zum Beispiel der Berliner Rapper Bushido hat gesungen, "Berlin wird wieder hart, denn wir verkloppen jede Schwuchtel". Dieser Song wurde indiziert von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Nun sind solche Verbote durchaus umstritten. Wir haben da einen aktuellen Fall, die Band Rammstein, und bei denen hat man gesehen, so ein Verbot, der kurbelt den Verkauf der indizierten CDs zum Teil auch kräftig an. Wie ist denn Ihre Haltung dazu, hier bei uns Musik mit homophoben Texten generell verbieten?

Beck: Also wir wollen ja keine Sonderrechte für Schwule und Lesben. Also da, wo man in den Bereich der Strafbarkeit geht, muss man auch mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen dagegen vorgehen – entweder Indizierung oder auch Strafverfolgung. Und da, wo es um Geschmacklosigkeiten geht, muss man darauf setzen, dass man diese Leute gesellschaftlich ächtet.

Ich fand es vor Jahren schon einen Treppenwitz, dass "Bravo" bei einem Konzert gegen Gewalt ausgerechnet Bushido eingeladen hat, und als Schwule mit Bildern demonstriert haben, von Berlinern, die zusammengeschlagen wurden, hat er sie noch gedisst und deutlich gemacht, dass er sie verachtet. Dann ist natürlich so eine Antigewaltinitiative einer Jugendzeitschrift völlig fehlgeleitet, wenn sie jemanden, der das Klima der Gewalt befördert, eine Bühne bietet, ohne dass derjenige sich auch wirklich gegen Gewalt gegen jedermann ausspricht.

Meyer: Herr Beck, Sizzla kommt ja nun auch nach Deutschland und will hier vier Konzerte spielen, weil es hier so viele Fans seiner Musik gibt, und Bushido, über den wir gerade geredet haben, hat auch sehr viele Fans in Deutschland. Wie erklären Sie sich das, dass offenbar ja auch die homophoben Texte dieser Musiker irgendwie so ein Attraktivitätspotenzial für junge Menschen bei uns haben?

Beck: Also ich würde jetzt mal sagen, bei den Reggae-Fans spielt diese Homophobie der Texte keine große Rolle. Also ich würde jetzt nicht sagen, dass die da hingehen, weil der homophobe Texte singt, sondern die gehen da hin, obwohl er homophobe Texte singt, aber es stört sie nicht. Und das ist etwas, was mich stört. Ich finde, so etwas darf man nicht einfach ignorieren, sondern damit muss man sich auseinandersetzen und muss auch Künstlern deutlich machen: Wenn ihr so etwas singt, dann gefällt uns das nicht und dann kaufen wir eure Platten nicht und gehen nicht in eure Konzerte. Da würde ich mir ein bisschen mehr Zivilcourage und demokratischen Anstand auch bei den Reggae-Fans wünschen, die zu diesen Konzerten gehen.

Es gibt auch viele Reggae-Fans, die das so sehen wie wir und die sich dagegen wehren und dagegen aussprechen, und ich finde, man könnte auch dafür werben, dass es eine andere Kultur des Reggae gibt. Es wird ja immer von "one love" gesprochen. Zu "one love" gehört auch, dass man alle Menschen mit Respekt behandelt und niemandem den Kopf einschlägt.
Der jamaikanische Dancehall-Künstler Sizzla
Der jamaikanische Dancehall-Künstler Sizzla© AP
Der Rap-Sänger Bushido bei dem Open-Air-Konzert "Wir rocken für ein gewaltfreies neues Schuljahr" vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Der Rap-Sänger Bushido bei dem Open-Air-Konzert "Wir rocken für ein gewaltfreies neues Schuljahr" vor dem Brandenburger Tor in Berlin© AP Archiv
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