Vogel hält Papstrede für "einmalige Geste"

Bernhard Vogel im Gespräch mit Gabi Wuttke · 22.09.2011
Der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Bernhard Vogel, zeigt sich gespannt auf die Rede des Pontifex im deutschen Parlament. Kritisch äußerte er sich über Abgeordnete, die dem Auftritt fernbleiben möchten.
Gabi Wuttke: Vier Tage daheim ist Papst Benedikt XVI. Heute beginnt der Besuch des Oberhauptes der katholischen Kirche in Deutschland, am Nachmittag wird er als Staatsgast eine Rede im Bundestag halten, auf Einladung des Ältestenrates, dem keine Fraktion widersprochen hat. Doch die Einladung blieb bei nicht wenigen Parlamentariern trotzdem nicht unwidersprochen. Deshalb werden die Reihen von SPD, Grünen und Linken gelichtet sein. Am Telefon ist um 6.50 Uhr Ministerpräsident a. D. Bernhard Vogel. In den 70er-Jahren war der Christdemokrat Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Guten Morgen, Herr Vogel.

Bernhard Vogel: Guten Morgen, Frau Wuttke.

Wuttke: Man wird alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um den Plenarsaal gut zu füllen. Stört die Absage also das große Medienbild für den Papst gar nicht?

Vogel: Also, die Füllung des Plenarsaals macht sicher keinerlei Probleme, sondern der wäre zehnmal zu füllen, wenn man wollte. Ich finde es ein bisschen bedauerlich, auch den Ton, mit dem man teilweise abgesagt hat, finde ich nicht angebracht. Aber andererseits, mir ist wichtiger, dass 500 teilnehmen, als dass möglicherweise 100 nicht teilnehmen, und es bleibt eine einmalige Geste, dass ein Papst, noch dazu ein deutscher Papst, vor dem Deutschen Bundestag eine Rede hält. Er hat das vor anderen Parlamenten, beispielsweise vor den Vereinten Nationen, auch getan. Ich finde es ehrend, ich bin sehr gespannt, was er sagen wird, und dass ein paar Leute nicht zuhören wollen, das ist in einer Demokratie zu akzeptieren.

Wuttke: Das heißt also, Sie setzen das freie Mandat des Abgeordneten, das Gewissen, die Entscheidung, die er für diesen heutigen Tag getroffen hat, über jegliche Fraktionsdisziplin?

Vogel: Ja, selbstverständlich. Wir sind in einem freien Land, und ein Abgeordneter ist hier nur sich selbst verantwortlich. Niemand ist gezwungen, zu kommen. Aber die Gesamtheit des Parlamentes - Sie haben es gesagt, der Ältestenrat - hat ja geschlossen diese Einladung ausgesprochen.

Wuttke: Anfang des Jahres haben Sie sich mit anderen CDU-Politikern an die Deutsche Bischofskonferenz gewandt und darum gebeten, den Zölibat angesichts des Priestermangels in Deutschland zu lockern. Bremst Bischof Zollitsch das weiterhin aus?

Vogel: Ich will zunächst mal sagen, ein Kreis von politisch, vor allem aber kirchlich Engagierten haben gebeten, nicht den Zölibat zu lockern. Der Zölibat soll nicht in Frage gestellt werden. Aber zuzulassen, dass es neben zölibatären Priestern auch verheiratete Priester geben kann, um dadurch den immer größer werdenden Priestermangel und der immer größer werdenden Sorge, ob die Katholiken am Sonntag ihren Gottesdienst in ihrer Pfarrgemeinde feiern können, dem abzuhelfen.

Wuttke: Aber die Frage trotzdem: Wird das von Bischof Zollitsch weiter ausgebremst, diese Initiative?

Vogel: Ich habe nicht den Eindruck, dass in der Kirche gegenwärtig wirklich wichtige Themen auf Dauer ausgebremst werden können. Es ist der Dialog begonnen worden in Mannheim, es kommt ein Katholikentag im nächsten Jahr, ebenfalls in Mannheim. Es gibt ein paar Themen, die diskutiert werden müssen. Ich persönlich halte dieses Thema, viri probati, für besonders gewichtig und besonders bedeutsam. Und Sie können sicher sein, die Diskussion wird weitergehen, und wir werden uns auch weiter dafür engagieren.

Wuttke: Haben Sie denn den Eindruck, dass die Deutsche Bischofskonferenz dieses Thema auch für besonders bedeutsam hält?

Vogel: Die Deutsche Bischofskonferenz ist kein monolithischer Block mehr wie zu Döpfners und Fringsens Zeiten, sondern dort gibt es unterschiedliche Meinungen und Ansichten. Das ist auch aus den Antworten, die wir erhalten haben, abzulesen. Das ist erfreulich und ist für uns ein Grund, diese Diskussion nicht mit Schaum vor dem Mund, streitig, sondern so ernsthaft, wie dem Thema angemessen, selbstverständlich fortzuführen.

Wuttke: Aber man sollte sich vielleicht vergegenwärtigen, dass Karl Lehmann, als er noch nicht Kardinal war, in den 70er-Jahren für eine solche Lockerung einen Anlauf nahm und sich dabei nach eigener Auskunft eine blutige Nase holte.

Vogel: Ich meine, Sie sprechen da eine Initiative drei südwestdeutscher Bischöfe an, die auch im Hinblick auf die wiederverheirateten Geschiedenen, wo eine Initiative in der Tat nicht erfolgreich war. Aber ich will doch mal sagen, nicht erfolgreich in einer wichtigen Sache sein heißt ja nicht, sie abzulegen. Sondern wenn man sie für wichtig hält, heißt das, besonders nachdrücklich dranzubleiben. Ich weiß nicht wann, aber ich bin ganz sicher, eines Tages werden wir erreichen, was wir mit unserer Initiative wollen.

Wuttke: In wie kleinen Schritten denken Sie da, was die Deutsche Bischofskonferenz zum einen, was den Vatikan zum anderen angeht?

Vogel: Wir müssen natürlich bedenken – auch übrigens beim Besuch des Papstes –, dass wir eine Weltkirche sind, und dass der Blick vor allem des Papstes nicht nur auf Deutschland gerichtet sein kann, sondern auf die ganze Welt gerichtet sein muss. Dafür habe ich volles Verständnis. Und außerdem muss man bitte bedenken, dass es zum Teil um Fragen geht, die nicht aus dem Evangelium abzuleiten sind, sondern eine hehre, große, beachtliche Tradition in der Kirche darstellen, wie der zölibatäre Priester, und dass deswegen der Abschied manchen davon schwerfällt, dass es aber um eine Frage geht, die auch Jahrhunderte anders gehandhabt worden ist, wie sie heute gehandhabt wird.

Wuttke: Aber heißt das nicht, dass, wenn sich die Dinge ändern, es auch nötig ist, in den Konflikt mit dem Vatikan zu gehen?

Vogel: Das heißt, zunächst nicht in den Konflikt mit dem Vatikan zu gehen, sondern sich als Laien deutlich vernehmbar zu Wort zu melden. Natürlich, der Nachrichtenwert für das Deutschlandradio Kultur ist höher, wenn wir Konflikt ankündigen. Ich kündige nicht Konflikt an, aber ich kündige Hartnäckigkeit an.

Wuttke: Das heißt, um Ihre Worte jetzt aufzugreifen, dass Sie offensiver mit Ihrem Vorstoß mit anderen Katholiken aus Ihrer Partei nach vorne gehen werden, oder bleibt diese Initiative eine, die Sie mit der Deutschen Bischofskonferenz mehr oder minder unter vier Augen klären.

Vogel: Nein. Das heißt, dass wir in einer uns wichtig erscheinenden Angelegenheit, die übrigens schon vor Jahrzehnten in der Synode in Würzburg eine große Rolle gespielt hat, initiativ geworden sind, viel Echo bekommen haben – weit, überwiegend positives Echo bekommen haben – und ermutigt sind, an diesem Thema zu bleiben. Vier Augen ist bei der Bischofskonferenz ein bisschen wenig, es gibt 27 Diözesen in Deutschland, und es gibt die Weltkirche. Wir meinen, dieses Thema muss weiter auf der Tagesordnung bleiben, selbstverständlich auch nach dem Besuch des Heiligen Vaters in Deutschland.

Wuttke: Vielen Dank. Im Interview der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur der CDU-Politiker und Katholik Bernhard Vogel. Besten Dank und schönen Tag!

Vogel: Bitteschön, Ihnen auch! Auf Wiederschauen!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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