Viva la Vulva

Vagina-Kettchen als Frauenpower-Symbol

Frauen-Marsch gegen US-Präsident Donald Trump am 21. Januar 2017 in London.
Vaginen als Schmuck oder Protest-Symbol auf Demo-Plakaten: Vulva-Abbildungen sind "in". © imago / Bettina Strenske
Von Julia Macher · 13.05.2017
Vagina-Kettchen baumelt um den Hals von Star-Fotografin Petra Collins, Model Adwoa Aboah und Demi-Moore-Tochter Scout Willis: Wer auf sich hält, trägt in dieser Saison obenrum untenrum.
"Die Vagina ist das Symbol dafür, dass wir gemeinsam diese Revolution angehen. Es macht mich gelassen und hoffnungsvoll, diese Kette zu tragen: Die Welt ändert sich, weil wir es wollen und weil wir eine Gemeinschaft sind", sagt die Mexikanerin Suzzan Atala.
Ihr "Vagina Necklace" baumelt um den Hals von Star-Fotografin Petra Collins, Model Adwoa Aboah und Demi-Moore-Tochter Scout Willis: ein mandelförmiger Anhänger in Gold, Silber oder Bronze, der beim flüchtigem Hinsehen als naives Marienbildchen durchgehen könnte. Doch der vermeintliche Marienkopf ist eine Klitoris, der barmherzig geöffnete Mantel sind die inneren und äußeren Schamlippen.

Jungfrau Maria oder Vulva?

"Die Jungfrau Maria ist ein Symbol der Weiblichkeit, aber man hat die Figur eingekerkert in ihre Tugendhaftigkeit. Insofern ist sie auch ein Symbol der sexuellen Unterdrückung der Frau. Das wollte ich aufbrechen. Wir haben sehr viel Wert auf eine sorgsame Bearbeitung gelegt, sodass der Anhänger feminin und feministisch zugleich ist."
Die kleine religiöse Provokation ist nicht willkürlich. Denn dass das beste Stück der Frau bisher nicht nur in Juweliergeschäften eher ein Schattendasein führte, liegt zuvorderst an einem: an Gott. Dem einen einzig wahren Schöpfergott. Kulturwissenschaftlerin Mishu Sanyal:
"So lange es Göttinnen gab, hat die Vulva eine wichtige Rolle gespielt, weil durch die Vulva die Welt entstanden ist. Die monotheistischen Religionen haben dann alle weiblichen Attribute auf sich vereint. Ganz viele Symbole stellen die Vulva dar und es ist ein riesiger Aufwand gewesen, dafür zu sorgen, dass wir sie nicht mehr erkennen können."

Viele schämen sich für ihre Vagina

Inzwischen scheint sich Viva la Vulva aber zum popkulturkompatiblen feministischen Kampfschrei zu mausern. Auch weil sich erstaunlich viele - allen Mondkalendern, Menstruationsseminaren, Intim-Piercings und Feuchtgebieten zum Trotz – für ihre Scham schämen.
Als die US-amerikanische Künstlerin Layla Martin in einem Experiment die Vulven verschiedener Frauen fotografierte, war kaum eine Frau richtig begeistert vom intimen Close-up. Die sei ja viel faltiger als gedacht, stöhnte eine. Das Ding könnte ein Lifting vertragen, krittelte die Nächste.

Jenseits des pornokompatiblen Brötchenlooks

Da kann die Sexualberaterin noch so fleißig predigen: Nimm deine Pussy so an, wie sie ist. Die Akzeptanz der eigenen Intimzone ist offensichtlich eine Herausforderung. In Zeiten des schönheitschirurgisch geschaffenen, pornokompatiblen Brötchenlooks mehr denn je. Mishu Sanyal:
"Das Tolle an Vulva-Kunst ist, das vieles so handgemacht ist. Es ist halt nicht Fotoshop und retuschiert. Es geht wirklich um Vielfalt. Die meisten Leute, die ich kenne, die Vulva-Kunst machen, schaffen Vielfalt, weil sie von sich ausgehen: Was ist an meiner Vulva besonders, wie ist das mit langen inneren Schamlippen, mit Unsymmetrien. Ich glaube, es ist wirklich auch die Frage: Können wir den Blick von einem 'Bin ich richtig?' zu einem liebenden Blick machen."
Auf den selbst gefingerten Yoni-Broschen von Emily Fitzgerald und Co. blättern sich Schamlippen mal rosenblütenähnlich aus, mal lappen sie über. Und auch der prominente dreieckige Onyx, der auf Anissa Kermiches Unterleibanhänger prangt, entspricht den wenigsten der heute gängigen Schamfrisuren. Und das erklärt vielleicht den Run auf und den Hype um sie: Der Bruch mit der Norm macht die schmucken Vulven zum subversiven, der Gestaltungswillen der Schöpferinnen zum tragbaren Accessoire.
Mehr zum Thema