Virtual Reality

Eingeblendete Nase kann gegen Übelkeit helfen

Gäste des Virtual-Reality-Kinos von Amsterdam
Virtual Reality eröffnet ganz neue Dimensionen des Erlebens © Deutschlandradio/Kerstin Schweighöfer
Christian Huberts im Gespräch mit Nana Brink  · 17.08.2016
Angesichts der Weiterentwicklung von Virtual Reality hält der Medienwissenschaftler Christian Huberts eine Debatte über deren Grenzen für wichtig. Die Präsenzgefühle seien beeindruckend, aber man müsse darüber sprechen, wie viel man davon verkraften kann.
"Es wurde zu Beginn des Automobils auch behauptet, dass die hohe Geschwindigkeit quasi unser Hirn schädigen wird, da lachen wir heute drüber und trotzdem gibt es heutzutage Geschwindigkeitsbegrenzung", sagte der Medien- und Kulturwissenschaftler Christian Huberts im Deutschlandradio Kultur. Auch bei der Virtual Reality werde man jetzt darüber diskutieren müssen, wo da die Grenzen lägen und wie viele virtuelle Bilder man Menschen zumuten könne. "Vor allem die Gaming-Branche ist da ein großer Brückenkopf für diese Technologie", sagte Huberts vor der am 17. August in Köln beginnenden Spielemesse Gamescom. Viele Computerspiele würden jetzt dreidimensional weiterentwickelt

Wirkung auf die Gefühlswelt unklar

Kleine Tricks könnten dabei helfen, zu vermeiden, dass die Virtual Reality zu Schwindel oder Übelkeit führe, berichtete Huberts. Daran werde gearbeitet und herumexperimentiert. "Es hilft zum Beispiel eine virtuelle Nase, quasi im peripheren Gesichtsfeld einzublenden, damit plötzlich so das Gehirn realisiert, okay, ich habe keine Lebensmittelvergiftung." Dank der Nase wisse der Nutzer, das alles in Ordnung sei. "Solche kleinen Veränderungen können schon dafür sorgen, dass es plötzlich für mehr Menschen zugänglich wird." Wie sich die neue Technik auf die Gefühlswelt auswirke, müsse noch untersucht werden. Das sei auch bei Computerspielen umstritten, sagte Huberts. Er wies darauf hin, dass Virtual Reality auch bei der Behandlung von Traumata zum Einsatz komme.

Das Interview im Wortlaut:

Christian Huberts ist Medienkulturwissenschaftler, beschäftigt sich seit Langem mit virtuellen Welten und der Kultur von Computerspielen. Und ich freue mich jetzt, dass er hier in "Studio 9" ist, schönen guten Morgen!
Christian Huberts: Guten Morgen!
Brink: Ich bleibe mal bei dem, was wir gerade gehört haben: Das fühlt sich ziemlich echt an! Wie weit ist denn die Technik?
Huberts: Die Technik ist ziemlich weit, vor allen Dingen im Vergleich, was es so in den 90ern an Virtual Reality gab, wo man noch so mit untexturierten Polygonen vor den Augen rumhantierte. Jetzt erzeugt die Virtual Reality wirklich einen sehr intensiven, sehr beeindruckenden Präsenzeffekt. Also, wenn man es mal ausprobiert, ich habe es auch mal probiert, man möchte manchmal so wirklich noch mit den Händen …
Brink: Ging Ihnen das wirklich so?
Huberts: Ja, ja, mir ging es tatsächlich so, ich hatte die Brille auf und um mich herum haben die Leute gekichert, weil ich so einen Würfel greifen wollte, den ich glaubte zu sehen, aber er war natürlich nicht da. Also, dieser Effekt ist schon sehr intensiv geworden.
Brink: Hat es Sie geängstigt?
Huberts: Das, was ich da gespielt habe, war eine sehr angenehme Atmosphäre, von daher hatte ich da jetzt keine Angst. Aber Angst ist natürlich ein Gefühl, was sich gerade über solche starken Präsenzgefühle dann doch sehr schnell ergeben kann.
Brink: Ich glaube, wir müssen ja sehr genau hingucken bei dieser Technologie, bei der virtuellen Realität, wie sich denn auch unser Selbstbild verändert und unsere Wahrnehmung, die wir auf Dinge haben?
Huberts: Ja, auf jeden Fall. Es verändert sich einfach diese Grenze von Realität und was wir als real sehen und was nicht.

Wiederkehr der Debatten

Brink: Führen wir dann nicht eine Debatte – also, wenn ich mir das so anhöre –, als etwas Neues verkauft, die ich irgendwie schon kenne? Also, ich kenne diese Debatte von vor, weiß ich nicht, 20, 30 Jahren, als es mit dem Internet anfing, als es mit den ersten Spielen anfing. Da hießt es auch immer, das verändert unser Bild. Und trotzdem ist es gekommen, es hat es auch verändert, aber es ist weitergegangen.
Huberts: Genau, die…
Brink: Wird das jetzt auch so gehen, hier bei der virtuellen Realität?
Huberts: Ja, ganz sicher. Also, diese Debatten tauchen eigentlich immer dann auf, wenn sich etwas verändert durch Medien an unserer Wahrnehmung oder auch an unserer Kommunikation, vor allen Dingen auch wenn Menschen plötzlich ausgeschlossen werden von Kommunikation. Also, alle, die mit Virtual Reality nicht so vertraut sind, schauen natürlich von außen drauf und haben umso mehr Angst, weil es halt noch so was sehr Unbekanntes ist und eine Erfahrung, die man erst mal nicht einordnen kann. Was natürlich trotzdem nicht bedeutet, dass es da keine Diskussion geben sollte.
Es wurde zu Beginn des Automobils auch behauptet, dass die hohe Geschwindigkeit quasi unser Gehirn schädigen würde, da lachen wir heute drüber und trotzdem gibt es heutzutage Geschwindigkeitsbegrenzungen. Man wird also auch bei der Virtual Reality jetzt darüber diskutieren müssen, wo liegen da die Grenzen. Also, wo … Wie viel kann man Menschen dann manchmal auch einfach zumuten an virtuellen Bildern, die dann einfach noch mal eine Intensität haben, die das übersteigt, was man vielleicht vorher am zweidimensionalen Bildschirm erlebt hat.
Brink: Sie haben gerade gesagt, es ist ja noch nicht so verbreitet. Also, es ist schon verbreitet, aber noch nicht unbedingt so verbreitet. Wo ist es denn am meisten verbreitet, dass auch solche Diskussionen ansetzen?
Huberts: Die Virtual Reality?
Brink: Ja.
Huberts: Also, vor allen Dingen die Gaming-Branche ist da ein großer Brückenkopf für diese Technologie. Weil, Computerspiele bieten sich einfach wunderbar an, weil sie eh schon im dreidimensionalen Raum stattfinden, den hatte man halt vorher nur in Zweidimension repräsentiert auf dem Bildschirm. Und im Prinzip muss man da jetzt nur ein bisschen was umprogrammieren und schon kann man viele Spiele auch mit einer VR-Brille nutzen, und viele Spiele werden jetzt auch gezielt dafür entwickelt, um auch die Möglichkeiten zu zeigen. Spiele waren schon immer auch in der Frühzeit des Computers eine Möglichkeit, um eigentlich komplexe, komplizierte Technologie Menschen näherzubringen und …
Brink: Spielerisch näherzubringen im wahrsten Sinne des Wortes, nicht?
Huberts: Genau.

Beruhigung für das Gehirn

Brink: Es gibt jede Menge Youtube-Videos, also, die habe ich mir auch irgendwie angeguckt, von Menschen, die über Brillen etwas spielen. Und ganz interessant fand ich ein Video, wo jemand irgendwie umgekippt ist, weil ihm schlecht geworden ist. Und da ist mir eigentlich so dieses ganze Ausmaß von Virtual Reality eigentlich klargeworden, denn unser Gleichgewichtssinn wird ja dann gestört, wenn wir nicht mehr genau hingucken können, und es macht ja durchaus etwas mit uns. Wird das technisch gelöst? Wahrscheinlich schon, oder?
Huberts: Da wird dran gearbeitet. Also, gerade dieses Problem von Schwindel und Übelkeit war in den letzten Jahren immer sehr zentral, da hat man aber dran gearbeitet, viel rumexperimentiert, also auch wirklich bizarre Experimente, die trotzdem funktionieren. Es hilft zum Beispiel, eine virtuelle Nase im peripheren Gesichtsfeld einzublenden, damit plötzlich so das Gehirn realisiert, okay, ich habe keine Lebensmittelvergiftung, es ist alles in Ordnung, ich sehe meine Nase. Also, solche kleinen Veränderungen können schon dafür sorgen, dass es plötzlich für mehr Menschen zugänglich wird, ohne zum Beispiel Übelkeit zu erzeugen.

Behandlung von Traumata

Brink: Weg von der Technik, die irgendwie viel machbar werden kann, und wir haben es in dem Beitrag ja schon gehört, gibt es ja auch Situationen, es wird auch Spiele geben, die man wahrscheinlich hinterfragen muss. Zum Beispiel, was passiert, wenn man sich plötzlich – ich sage es ganz einfach mal ganz deutlich – in einen Amoklauf beamen kann? Müssen wir nicht auch darüber reden, was für Bilder wir zeigen wollen? Wir hatten schon mal eine ähnliche Diskussion, zumindest erinnere ich mich daran, bei der Einführung von Egoshooter-Spielen wie zum Beispiel "Doom" oder "Counter-Strike", die gesagt haben, das löst auch Gewalt aus.
Huberts: Also, inwiefern da jetzt wirklich Gewalt ausgelöst wird, da müssen sich Medienwirkungsforscher mit beschäftigen. Was man aber jetzt schon sehen kann, ist, dass Virtual Reality zum Beispiel eingesetzt ist, um Traumata zu behandeln, Traumata, die ausgelöst wurden von Gewalt und die mithilfe von Virtual Reality aufgelöst werden, indem man die Menschen wieder heranführt an genau diese Situationen, die das Trauma ausgelöst haben. Das heißt auf der anderen Seite auch, dass Computerspiele durchaus in der Lage sind, Bilder zu erzeugen über Virtual Reality, die traumatisch möglicherweise sein können. Und erste Studien deuten auch durchaus an, dass gerade dieses intensive Präsenzgefühl in der Virtual Reality, so Gefühle wie Angst oder so deutlich steigern kann.
Brink: Aber auch die negativen Aspekte, wenn es um solche Filme geht, also wenn es um solche Gewalttaten, Amokläufe geht?
Huberts: Das ist schwer zu beantworten. Weil, das ist schon bei Computerspielen ohne Virtual Reality eher umstritten. Was der Fall ist, was man sagen kann, ist, dass kurz…, sehr kurzfristige Effekte bei Computerspielen festzustellen sind, die werden durch die Virtual Reality möglicherweise verstärkt, aber inwieweit, das muss untersucht werden.
Brink: Vielen Dank! Der Medien- und Kulturwissenschaftler Christian Huberts, schönen Dank für den Besuch hier in "Studio 9"! Und wir sprachen über die neue Virtual Reality, ein großes Thema auf der heute beginnenden Gamescom in Köln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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