Violinist Steffen Tast

Oper im Schweinestall

33:17 Minuten
Steffen Tast (l) dirigiert bei "Dorf macht Oper" in seinem Heimatort Klein Leppin in der Prignitz die Kollegen vom Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester.
Steffen Tast restaurierte zusammen mit anderen Dorfbewohnern den Schweinestall. © picture alliance / dpa / Jürgen Strauß
Steffen Tast im Gespräch mit Katrin Heise · 13.11.2018
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"Freischütz", "Zauberflöte" oder "Don Quijote", wo früher einmal Schweine wohnten: Der Geiger Steffen Tast hat schon vor über zehn Jahren ein Opernfestival in seinem brandenburgischen Heimatdorf ins Leben gerufen. Gespielt wird in einem umgebauten Stall.
Bevor die Idee für "Dorf macht Oper" geboren war, stand schon das Festspielhaus – auch wenn es einiger Phantasie bedurfte, um in dem ehemaligen Schweinestall im Ortskern des Brandenburger Dörfchens Klein Leppin den Aufführungsort künftiger Operninszenierungen zu erkennen.
Der Jahre zuvor mit seiner Familie aus Berlin in die Prignitz gezogene Violinist Steffen Tast sah nicht nur das Potenzial des Gebäudes, sondern auch die Möglichkeit für das Dorf. Nachdem er vorher schon mit seinen Kollegen des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin Kammerkonzerte in seinem Wahlheimatort gegeben hatte, rief er 2005 mit seinen Mitstreitern schließlich das Projekt "Dorf macht Oper" ins Leben.

Dorf als Lebensform

"Dorf steht nicht nur für dieses Dorf, wo sich unser sogenanntes Festspielhaus befindet, sondern wirklich für eine Art Lebensform, also: wie lebt man auf dem Land. Und Oper steht auch nicht im engeren Sinne nur für Oper. Ich würde es mal Musiktheater nennen. Ich glaube, es ging darum, das Glamouröse, das man auch mit Oper verbindet, in starken Kontrast zu setzen."
Gemeinsam restaurierten er und die anderen Dorfbewohner den Schweinestall und stellten gemeinsam ein Programm auf die Beine. Seitdem findet jeden Sommer eine Musiktheateraufführung in Klein Leppin statt, bei der interessierte Bewohner aus dem Dorf und den umliegenden Ortschaften ebenso mitmachen wie professionelle Sänger und Schauspieler.
"Das erste, was wir versucht haben, war 'Der Freischütz', weil wir dachten, wenn wir schon Klischeeoper machen und auf dem Land, dann hauen wir drauf. Das war furchtbar naiv und trotzdem kamen schon beim ersten Mal tausend Leute."
Später hätten sie sich auch an Stücke gewagt, die noch nie auf einer deutschen Bühne gespielt worden sind . So zum Beispiel "Don Quichote" von Joseph Bodin de Boismortier.
"Und dann war das Projekt natürlich nicht nur die Aufführung der Oper, sondern ein in Gänze bespieltes Dorf auf der Reise Don Quichottes mit Sancho Panza durch Klein Leppin."

Musik als verbindendes Element

Mit dabei waren auch Geflüchtete, die das Publikum auf einem Hof zu arabischem Essen und traditioneller Musik empfingen.
Für Steffen Tast, seit der Gründung des Festivals dessen musikalischer Leiter, hat das Projekt nämlich auch einen gesellschaftlichen Auftrag: Die Musik und die Kultur als verbindendes Element zu nutzen - über alle sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg.
Den Ansatz, als Orchestermusiker eine Aufgabe jenseits klassischer Sinfonie-Konzerte zu sehen, verfolgt der 53-Jährige auch bei seinem Engagement außerhalb des Dorfs. Seit einiger Zeit organisiert Steffen Tast, der zunehmend auch als Dirigent in Erscheinung tritt, mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Schüler- und Familienkonzerte, bei denen es vor allem ums Mitmachen geht.
"Ich glaube, es ist für uns Musiker eine politische Aufgabe, sich darum zu kümmern, dass die Menschen um uns herum, dass sie ein Empfinden spüren, was noch in ihnen schlummert."
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